Russland riskiert Zukunft seiner Sportler
2. Januar 2019Die Sportwelt wartet mit Spannung auf das Treffen der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) am 14./15. Januar. Dann soll das WADA-Komitee über neue Disziplinarmaßnahmen gegen die russische Anti-Doping-Agentur (RUSADA) entscheiden. Denn die Russen hätten der WADA bis zum 31. Dezember den Zugang zu Daten aus dem Moskauer Analyselabor (Laboratory Information Management Systems, LIMS) gewähren müssen. Nun ist das Ultimatum abgelaufen.
Die Forderung besteht seit etwa drei Jahren, nachdem bekannt wurde, dass es in Russland massives Doping gab, besonders während der Winterspiele in Sotschi. Mittlerweile hat Moskau die Verstöße teilweise eingestanden, doch wirklich passiert ist seitdem wenig.
Nun droht nicht nur eine erneute Sperre der RUSADA. Auch alle russischen Sportler könnten von internationalen Wettbewerben ausgeschlossen werden. Dieses Worst-Case-Szenario beschreibt RUSADA-Direktor Juri Ganus im DW-Interview: "Auf dem Spiel stehen Sportlerschicksale des ganzen Landes. Und die Sportler sind nervös, glauben Sie mir."
Russland streitet über seine Haltung zur WADA
RUSADA-Chef Ganus behauptet, er kooperiere gerne mit der WADA, sei aber machtlos. Er weist die Schuld für die russischen Versäumnisse von sich: "Die Daten soll das Anti-Doping-Labor LIMS übergeben. Das ist eine eigenständige Organisation, die RUSADA nicht unterstellt ist. Doch wir sind von ihren Ergebnissen abhängig", betont Ganus.
Die offizielle Erklärung der russischen Seite: Die Datenübergabe sei so einfach nicht möglich. Zunächst müsse die technische Ausrüstung der WADA-Kontrolleure nach russischem Recht zertifiziert werden, weil die Daten bereits beim russischen Ermittlungskomitee lägen.
In einer Ultima-Ratio-Aktion, wie er selbst sagt, hat sich Juri Ganus Ende Dezember in einer öffentlichen Videobotschaft an Wladimir Putin gewandt. Die Message: Der russische Präsident möge sich bitte einmischen und gewährleisten, dass die WADA-Funktionäre den Zugang zum Moskauer Analyselabor und den dort lagernden Daten und Doping-Proben doch noch rechtzeitig bekommen. Das war nämlich die wichtigste Voraussetzung der WADA, die RUSADA im September 2018 überraschend zu begnadigen und die Suspendierung aufzuheben.
"Ich bin bitter enttäuscht, dass die Datenübergabe nicht innerhalb der Frist erfolgt ist", sagte WADA-Präsident Craig Reedie. Er betonte, dass die Welt-Anti-Doping-Agentur "unablässig" mit den russischen Behörden gearbeitet hätte, um die Frist einzuhalten. Von der nötigen Zertifizierung wurde die fünfköpfige Delegation der WADA vor ihrem Besuch nicht unterrichtet, behauptet Creedie.
Internationales Unverständnis für die WADA
Dass Russland das WADA-Ultimatum verstrichen ließ, löste in vielen Sportverbänden Empörung und Kritik aus. So sprach sich die deutsche Anti-Doping-Agentur (NADA) für eine erneute Suspendierung der russischen Kollegen aus: "Zum Schutz der sauberen Athletinnen und Athleten weltweit und für einen dopingfreien Sport ist diese klare Positionierung der WADA unerlässlich."
Zusammen mit der NADA haben sich 16 nationale Anti-Doping-Agenturen zu Wort gemeldet. Sie fordern die WADA auf, "ohne Verzögerung" eine Entscheidung zu treffen, das heißt, ohne auf das Treffen Mitte Januar zu warten. "Russland hat die Auflagen nicht erfüllt. Nach mehr als drei Jahren Überprüfung, Unentschlossenheit und Kompromissen als Antwort auf den größten Dopingskandal der Geschichte ist es nun Zeit zu zeigen, dass weder ein Individuum noch eine Nation vom Welt-Anti-Doping-Code ausgenommen ist", so steht es in der gemeinsamen Erklärung der NADO-Gruppe.
Reaktion vom IOC muss Russland nicht fürchten
Während die Reaktion der WADA noch nicht abzusehen ist, signalisierte das Internationale Olympische Komitee (IOC), dass es keine weiteren Sanktionen gegen Russland verhängen möchte, Ultimatum hin oder her. "Das russische Olympische Komitee hat die Sanktion verbüßt", sagte der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach in seiner Neujahrsbotschaft. Gemeint ist die Sperre des russischen Teams bei den Spielen in Südkorea in 2018.
Nur der Leichtathletik-Weltverband (IAAF) bleibt bisher konsequent hart gegenüber Russland. Er hält an der Suspendierung Russlands seit 2015 fest und hat die Sperre Anfang Dezember erneut verlängert. Dass diese Entscheidung nicht unbegründet ist, bestätigte Juri Ganus der DW. Als im Januar 2018 RUSADA-Kontrolleure unangekündigt einen Leichtathletik-Wettbewerb im russischen Irkutsk besuchten, so erzählt er, "waren 36 russische Sportler auf einmal krank, nachdem sie von Doping-Proben gehört haben". Doch man brauche die Unterstützung des russischen Staates im Kampf gegen Doping, so Ganus.
Moskau gibt sich gelassen
Moskau zeigt sich unbeeindruckt. Der russische Sportminister Pawel Kolobkow äußerte sich optimistisch: Die "technischen" Details seien "mit dem Ermittlungskomitee abgesprochen" und man rede bereits über einen neuen Besuch der WADA-Delegation. In Moskau wird suggeriert, man könne die Suspendierung noch abwenden, indem man schnell mit der WADA kooperiert.
Dass die RUSADA erneut gesperrt oder gar die russischen Sportler von internationalen Wettbewerben verbannt würden, seien "unbegründete Sorgen" des RUSADA-Direktors, kommentierte der Pressesprecher des russischen Präsidenten Dmitri Peskow.