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Russlands Politik gegenüber der Ukraine

25. März 2006

Der Nachbar Russland beobachtet den Ausgang der Wahlen in der Ukraine ganz genau. Die Länder verbindet viel, trennt aber fast noch mehr. Ein Gastbeitrag von Hans-Henning Schröder.

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Unterstützer von Julia TimoschenkoBild: AP

Der schwierige Trennungsprozess, den die Auflösung der Sowjetunion nach sich zog, hat bis heute Nachwirkungen im gegenseitigen Misstrauen der politischen Klassen. Der jüngste Erdgasstreit hat die Aufmerksamkeit vor allem auf die Probleme der russisch-ukrainischen Energiepartnerschaft gelenkt. In der Tat schwelt hier seit 1992 ein kaum auflösbarer Konflikt. Die Ukraine ist von russischen Erdöl- und Erdgaslieferungen abhängig, während Gasprom, Russlands großer Erdgasmonopolist, für seine lukrativen Exporte nach Westeuropa auf Pipelines angewiesen ist, die über das Territorium der Ukraine laufen. Die gegenseitigen Ansprüche führten wiederholt zu Konflikten, die in immer neuen Verhandlungen durch Kompromisse geschlichtet wurden.

Rangeleien und Partnerschaften

Der Energiekonflikt ist aber nur ein Aspekt der russisch-ukrainischen Spannungen. Ein Streitpunkt ist auch die russische Schwarzmeerflotte, die ihre Stützpunkte auf ukrainischem Territorium hat. Diese Frage wurde durch einen Pachtvertrag geregelt wurde, der bis zum Jahre 2017 gültig ist. Konflikte gibt es weiter beim bilateralen Handel. In einer ganzen Reihe von Fällen unterstellen Russland und die Ukraine dem Partner eine Dumpingpolitik, auf die sie ihrerseits mit Antidumpingzöllen reagieren. Schließlich ist in Meerenge von Kertsch ein Grenzkonflikt virulent, der 2003 mit einem Vertrag entschärft wurde, der die Meerenge zum gemeinsamen Binnengewässer erklärte, den Verlauf der Grenze aber nicht regelte. Indes sind Russland und die Ukraine wirtschaftlich eng miteinander verbunden. Russland ist der größte Handelspartner der Ukraine und ein beachtlicher Investor. Andererseits werden über die Hälfte der ukrainischen Auslandsinvestitionen in Russland platziert.

So sind die beiden Nachbarn im Guten und Bösen eng miteinander verbunden. Dabei ist Russland – daran kann es keinen Zweifel geben – der Seniorpartner, der in der Lage ist, wirtschaftlich erheblichen Druck auszuüben. Demgegenüber verfügt die Ukraine über mehr politischen Spielraum, weil sie sowohl für NATO und EU, wie auch für eine Reihe kleinerer GUS-Staaten ein denkbarer Partner ist. Gerade diese Beweglichkeit scheint die russische Führung als Bedrohung zu empfinden. Der Aufstand der ukrainischen Gesellschaft gegen ein Elitenkartell, das sich durch Manipulation und Wahlbetrug an der Macht halten wollte, löste im Kreml ebenfalls Sorgen aus: Die "orangene Revolution" war ein Menetekel für die Putinsche Führungsgruppe, die im Jahre 2008 einen Präsidentenwechsel organisieren will. "Ukrainische Verhältnisse" will der Kreml in Russland vermeiden – und am besten wäre es in den Augen der Putinschen Führung zweifellos, wenn in der Ukraine selbst die "ukrainischen Verhältnisse" ein Ende fänden. Zudem stellt die Westorientierung der Juschtschenko-Administration für russische Hegemoniebestrebungen im GUS-Raum eine Herausforderung dar. Daher beobachtet man in Moskau die Selbstdemontage der neuen Kiewer Führung mit Genugtuung und setzt auf einen Wahlsieg des Juschtschenko-Rivalen Janukowytsch, der für eine stärkere Russlandorientierung der ukrainischen Politik zu stehen scheint.

Russisches Hegemoniestreben

Ein Machtwechsel in Kiew würde die russische Rolle in der GUS wieder stärken und die Einwirkungsmöglichkeiten von EU und NATO in diesem Raum, den die Putinsche Führung als eigene Interessensphäre betrachtet, einschränken. Andererseits sind die USA der größte Direktinvestor in der Ukraine, gefolgt von Zypern (einem Land, in dem viel russisches Fluchtkapital angelegt ist), Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland. Im ukrainischen Außenhandel liegen die europäischen Staaten mit Russland nahezu gleichauf. Unabhängig davon, wer sich bei den Wahlen politisch durchsetzt, muss die ukrainische Führung mit beiden Seiten, mit Russland und mit den europäischen Staaten gute Beziehungen pflegen. Die russische Führung wäre gut beraten, wenn sie die Doppelbindung der Ukraine nicht als Bedrohung begreifen würde, sondern als Chance. Der Versuch, die russische Wirtschaftsmacht zu politischer Einschüchterung zu nützen, den die russische Seite Anfang des Jahres unternommen hat, hat die politische Isolierung Russlands eher verstärkt. Ob man in Moskau diese Lektion aber wirklich begriffen hat, muss bezweifelt werden – der Traum von der Hegemonialrolle im postsowjetischen Raum wird bedauerlicherweise wohl weitergeträumt.

Von apl. Prof. Dr. Hans-Henning Schröder von der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen