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Politik

Russlands Propaganda in Lateinamerika

José Ospina-Valencia
17. April 2022

In Lateinamerika waren russische Staatsmedien schon vor dem Krieg in der Ukraine eine unübertroffene Größe. Sie ködern ihr Publikum mit populären Inhalten - und das nicht nur in autoritär regierten Staaten.

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Symbolbild Russia Today America Logo
Bild: Jaap Arriens/ZUMA Press/IMAGO

Fakten, Halbwahrheiten, Gerüchte und ein paar Fake News gemischt mit Schlankheitstipps, Sport und Showbiz, präsentiert von Journalisten: Das tägliche Brot in der Medienlandschaft vieler Länder Lateinamerikas. Bei russischen Staatsmedien wie Russia Today und Sputnik hat dies System - dahinter verbirgt sich gezielte Desinformation. Experten stufen beide Sender als Propagandaorgane der russischen Regierung ein.

Der spanischsprachige Ableger von Russia Today, Actualidad RT, hat seit seiner Gründung im Jahr 2009 einen Senkrechtstart hingelegt. Mit mehr als 18 Millionen Followern auf Facebook und fast sechs Millionen auf YouTube übertrifft der "Ableger" die englischsprachigen Profile mit etwa sieben Millionen Nutzern auf Facebook und rund viereinhalb Millionen auf YouTube bei weitem.

Propaganda und Fakes im Ukraine-Krieg

"Russland hat die heimische Fußball-Weltmeisterschaft 2018 genutzt, um mit seinen Medien in Lateinamerika Fuß zu fassen", sagt Mario Morales, Professor für soziale Kommunikation an der kolumbianischen Universität Javeriana, gegenüber der DW. Über den angeblich unpolitischen Sport "präsentierte Moskau RT als eine Alternative, die vorgab, weder Propaganda noch ideologische oder staatliche Interessen zu transportieren". RT habe, so Morales, in Lateinamerika seitdem nicht nur den Medienmarkt durchdrungen, sondern auch eine "loyale Gefolgschaft" von Nutzern aufgebaut.

Actualidad RT: 200 Mitarbeiter und drei lokale Standorte

"Russische Staatsmedien konnten sehr leicht in Lateinamerika eindringen, weil sie vielen Medienhäusern in Lateinamerika ähneln, die sich staatstragend präsentieren und letztendlich den Interessen der jeweiligen Regierung dienen", erklärt die argentinische Medienforscherin Adriana Amado gegenüber der DW. In vielen Ländern Lateinamerikas existierten Medien mit klaren Propagandazielen neben Medien, die professionelle journalistische Standards einhalten.

Venezuela Symolbild Pressefreiheit
Zensur, Propaganda, Desinformation: Protest in Venezuela (Archivbild)Bild: Agencia EFE/imago

Nach Angaben von RT beschäftigt der Sender 200 spanischsprachige Mitarbeiter und hat Büros in Caracas (Venezuela), Havanna (Kuba) und Buenos Aires (Argentinien). Obwohl RT nach der russischen Invasion in der Ukraine aus den sozialen Medien verbannt wurde, finden die Inhalte über andere Webseiten und Postings immer noch eine weite Verbreitung. Bei Actualidad RT fiel zu diesem Zeitpunkt auch der letzte Schleier kritischer Reflexion. Der russische Einmarsch wurde bedingungslos verteidigt, auch von der in Lateinamerika populären Influencerin und stellvertretenden Direktorin von Actualidad RT, Inna Afinogenova.

Eine Influencerin bedient Verschwörungsmythen

Inna Afinogenova, das bekannteste Gesicht von RT in Lateinamerika, präsentiert und kommentiert auf ihrem YouTube-Kanal "Ahí les Va" das Weltgeschehen genauso wie die Skurrilität und Widersprüchlichkeit einiger lateinamerikanischer Politiker. Das kommt an. In ihren Videos rechtfertigt sie aber auch die Verfolgung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny durch die russische Regierung.

Screenshot Youtube | Inna Afinogenova, RT: Jeanine Áñez, Goebbels e Guaidó juntos?
YouTube-Star und Vize-Chefin von Actualidad RT: Inna AfinogenovaBild: Brasil de Fato/youtube

"Inna Afinogenova pflegt einen Stil, der bei Verschwörungsideologen sehr beliebt ist. Die wichtigsten Stilmittel sind Behauptungen wie: 'Das wollen sie dir nicht sagen' und 'Ich erzähl euch jetzt etwas, das in den traditionellen Medien nicht vorkommt'", erklärt Adriana Amado. Laut dem kolumbianischen Forscher Mario Morales bedient sich Inna Afinogenova eines Genres, das in Lateinamerika weit verbreitet ist: dem aktivistisch motivierten Journalismus.

Mit dem Beginn der Invasion in der Ukraine am 24. Februar begann auch eine Schlacht um die Deutungshoheit im spanischsprachigen Internet, so María Virginia Marín, Gründerin und Direktorin von ProBox, einem venezolanischen Monitoring-Dienst für soziale Netzwerke.

Venezuela, Nicaragua und Kuba: Fruchtbarer Boden für Propaganda

Wie in Russland gebe es "eine Vergiftung des Informationsraums in den sozialen Netzwerken" - die seien heute aber "die wichtigste und manchmal die einzige Informationsquelle" in Ländern mit autoritären Regierungen. Marín verweist auf Venezuela, Kuba und Nicaragua, wo ihrer Meinung nach Zensur, Propaganda und Desinformation nach russischem Vorbild längst institutionalisiert sind.

"In Venezuela beispielsweise hat Russlands Version der Ereignisse eine große Reichweite in der Bevölkerung. Das liegt an der Unterstützung durch die Regierung von Staatschef Nicolas Maduro und der Desinformation durch den venezolanischen Staatssender VTV. Der rechtfertigt den Einmarsch Russlands in die Ukraine und relativiert ihn, indem darauf hingewiesen wird, dass die USA in ihrer jüngsten Geschichte ähnliches getan hätten."

Russland | Treffen Alberto Fernandez und Wladimir Putin in Moskau
Herzliche Begrüßung: Argentiniens Präsident Alberto Fernandez (l) beim Kollegen Wladimir Putin in Moskau (03.02.2022)Bild: Sergei Karpukhin/TASS/dpa/picture alliance

Die russische Desinformation erreicht die Menschen in Lateinamerika aber nicht nur ungestört in den autoritär regierten Ländern oder über die Kanäle von Actualidad RT oder Sputnik, sondern auch über den venezolanischen Sender Telesur.

"Die Regierung des argentinischen Präsidenten Alberto Fernández hat dafür gesorgt, dass Telesur in das Basisprogramm aufgenommen wurde, das jeder empfängt, der in Argentinien einen Fernseher einschaltet", sagte Gabriel Bastidas, Produzent und Korrespondent von TV Network, einem Sender für die venezolanische Diaspora, gegenüber der DW. So erreicht Telesur 83 Prozent der Bevölkerung in Argentinien.