Seoul ergreift Initiative zur Entspannung mit Japan
6. März 2023Südkorea und Japan scheinen einen Weg gefunden zu haben, um ihre Auseinandersetzung um die Zwangsarbeit von Koreanern für japanische Unternehmen in der Kolonialzeit zu beenden. Die Regierung in Seoul will einen Entschädigungsfonds einrichten und ein Schlichtungsverfahren bei der Welthandelsorganisation wegen Japans Exportkontrollen aussetzen. Im Gegenzug dürfte Japan seine Einschränkungen für die Ausfuhr von Chemikalien für die südkoreanische Halbleiterindustrie aufheben.
"Die getrübten Beziehungen zwischen Japan und Südkorea dürfen nicht länger vernachlässigt werden", erklärte Außenminister Park Jin am Montag und sprach von einer "letzten Chance". "Wir müssen diesen Teufelskreis im nationalen Interesse und für das Volk durchbrechen." Eine staatliche Stiftung werde die 15 Opfer entschädigen, die Entschädigungsklagen vor südkoreanischen Gerichten gegen die japanischen Unternehmen Mitsubishi Heavy Industries und Nippon Steel bis in die oberste Instanz gewonnen hatten.
Positive Reaktion aber kein Geld aus Japan
Der Fonds wird mit Spenden aus dem privaten Sektor eingerichtet. Mutmaßliche Einzahler sind südkoreanische Unternehmen wie Posco Steel, die Geld aus dem Normalisierungsvertrag zwischen Japan und Südkorea von 1965 erhalten hatten. Japanische Leistungen für den Fonds sind nicht vorgesehen. Park forderte Regierung und Unternehmen in Japan jedoch zu einer umfassenden Entschuldigung und zu freiwilligen Zahlungen auf.
Laut Japans Außenminister Yoshimasa Hayashi werden die Ankündigungen der südkoreanischen Regierung dazu beitragen, die bilateralen Beziehungen "von einem sehr schwierigen Zustand wieder in einen gesunden Zustand zu versetzen". Japan hatte die südkoreanischen Urteile zurückgewiesen, die Entschädigungsfrage sei mit dem Vertrag von 1965 endgültig geklärt worden.
Japans Premierminister Fumio Kishida begrüßte den Vorschlag von Park und wünschte sich eine enge Zusammenarbeit mit Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol. US-Außenminister Blinken bewertete die Ankündigungen als "bahnbrechend". "Die Einigung war wohl keineswegs überraschend, hatte man doch seit Wochen und Monaten darauf hingearbeitet", kommentierte Thomas Yoshimura, Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung in Seoul. "Sie bestätigt die ernsthafte Absicht der konservativen Regierung Südkoreas zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen mit Japan."
Seoul wünscht Neuanfang
Nach der Verurteilung der zwei Konzerne 2018 waren die Beziehungen zwischen den beiden Ländern auf den tiefsten Stand seit Jahrzehnten gesunken. Die Nachbarstaaten liegen seit Jahrzehnten wegen verschiedener Probleme miteinander im Konflikt, die auf die 35-jährige Besetzung der koreanischen Halbinsel durch Japan von 1910 bis 1945 zurückgehen. Damals mussten Hunderttausende Koreaner Zwangsarbeit leisten. Die Umsetzung einer Einigung von 2015 für die Entschädigung von sogenannten Trostfrauen, die als Zwangsprostituierte in japanischen Militärbordellen arbeiteten, scheiterte vor fünf Jahren.
Präsident Yoon hatte am 1. März, dem Jahrestag einer Protestbewegung gegen Japan als Kolonialmacht, erklärt, Japan habe sich vom militaristischen Aggressor der Vergangenheit zu einem Partner gewandelt, der dieselben universellen Werte mit Südkorea teilt. Südkorea und Japan würden auf den Feldern Sicherheit und Wirtschaft zur Bewältigung von globalen Herausforderungen kooperieren.
"Damit verdeutlichte Yoon die neue Sicht auf die Dinge: Der Besatzer von gestern ist Partner für heute und morgen. Die Verbrechen der Vergangenheit werden Thema bleiben und müssen es auch. Sie dürften der weiteren Entwicklung der Beziehungen aber nicht im Weg stehen", meinte Stiftungsvertreter Yoshimura. Dabei gehe es um eine gemeinsame Antwort auf die geteilte geopolitische Bedrohungslage durch Nordkorea und auch China. Eine enge Abstimmung und bestenfalls Zusammenarbeit der beiden US-Verbündeten sei eindeutig auch im Interesse Washingtons, sagte der Deutsche.
Protest gegen Einigung in Südkorea
Der Politologe Kim Jae Chun von der Sogang-Universität in Seoul bezeichnete das Abkommen als "eine gemischte Angelegenheit". "Auf der positiven Seite wird es als Katalysator wirken, um proaktiver in Sachen Nordkorea zu kooperieren, inklusive wichtiger Fragen in der indo-pazifischen Region", sagte Kim der japanischen Finanzzeitung Nikkei.
Jedoch könnte der Entschädigungsfonds nach seiner Ansicht eine "erhebliche politische Gegenreaktion" in Südkorea auslösen, da japanische Unternehmen darin nicht einzahlen müssten. Die koreanisch-japanischen Beziehungen drohten daher der koreanischen Innenpolitik zum Opfer zu fallen, warnte Kim. Ex-Zwangsarbeiter, ihre Unterstützer und die Opposition protestierten bereits gegen die "Kapitulation der Regierung". "Dies ist ein Tag der Schande", sagte der Sprecher der oppositionellen Demokratischen Partei. Ein Anwalt der Opfer kritisierte die Abmachung auf Facebook als "Sieg für Japan auf ganzer Linie".