Samba, Sticks und Steuerknüppel
6. März 2004"Das ist ein Dschoischtikk", erklärt Spielkumpane Jens betont lässig. Wir schreiben das Jahr 1984. Auf dem Teppichboden des Kinderzimmers erstrahlt der fabrikneue Commodore C 64 Computer. In den Händen halten wir den "Competition Pro 5000": Ein Qualitätswerkzeug mit zwei formschönen roten Feuerknöpfen und einem eleganten Plastikgriff. Ein schlichtes Meisterwerk der Joystickkunst.
Das Goldene Zeitalter der Joysticks
Joysticks? Wen interessieren denn bitte Joysticks? Die mangelnde Aufmerksamkeit, die der Gattung Spiel-Controller bisher entgegengebracht wurde, überrascht. Über die Geschichte der Computerspiele und Konsolen wurde debattiert und geschrieben. Und über den integralsten Bestandteile der Video- und Spielekultur, die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine? Bisher kein Wort. Videospiel-Veteran Winnie Forster und sein Kollege Stephan Freundorfer ändern dies und präsentieren mit "Joysticks. Eine illustrierte Geschichte der Game-Controller 1972-2004" das zukünftige Standardwerk zum Thema. Sie beweisen auf 144 Seiten, warum eine Auseinandersetzung mit "allen Geräten zur Bedienung und Steuerung von Computer- und Videospielen" nicht nur für den Fachidioten spannend ist.
Aus über 1000 existierenden Sticks, Pads und Controllern haben die beiden Herren die 100 besten, schönsten und kuriosesten ausgewählt. Solide recherchiert, anschaulich layoutet und in fünf Kapitel untergliedert, erzählen Forster und Freundorfer von der "Urzeit" 1972, dem "Goldenen Zeitalter der Kompatibilität" und der Zukunft des Joysticks ohne Joystick. Bevor das Zeitalter der klassischen Eingabegeräte möglicherweise endet und der gute alte Joystick von der kontaktlosen Steuerung à la Eye Toy - das ist eine USB-Kamera die Körperbewegungen erkennt - abgelöst wird, lohnt der Blick zurück.
Super Action Controller
1972: Steuerpult schimpft sich der "Controller" der weltweit ersten Heimkonsole Magnavox Odyssey auf deutsch. Um ein kleines Quadrat (Ball) mit zwei großen Quadraten (Spieler) über den Bildschirm zu scheuchen, liefert die Firma Magnavox ein kleines Kästchen mit drei Drehknöpfen. Gemütlicher als in der Spielhalle gelingt die Partie Tele-Tennis nun auch vor dem heimischen Fernseher. Noch ganz ohne "Stick" regeln Mann, Frau und Kind die horizontale und vertikale Ausrichtung des Tennisschlages und justieren die Flugbahn des Balles. Durchsetzen können sich die Drehknöpfe allerdings nicht. Orientiert am Steuerknüppel von Flugzeugpiloten, entwickelt sich der Joystick zum Non plus ultra der Spielesteuerung.
Ergonomisch in der Hand und dynamisch betitelt setzt der "Super Action Controller" knappe neun Jahre später neue Standards. Der Firma CBS gelingt eines der ungewöhnlichsten und protzigsten Spielgeräte der 1980er Jahre. Der "Controller", äußerlich einem Säbelgriff nicht unähnlich, vereint das beste aus Taschenrechner, Blasinstrument und Computermaus und geht als komplexester Stick in die Geschichte ein. Auf der Suche nach dem optimalen Universal-Controller scheint der Formenreichtum keine Grenzen mehr zu kennen.
Baggern oder Tanzen
Neben das Universale tritt die Spezialisierung. Es entstehen Spiele mit eigens entworfenen Controllern. So lässt sich mit dem passenden Baggerjoystick adäquat baggern und mit dem Plastiktaktstock und einer Dirigentensoftware vor dem Fernseher dirigieren. Wem das Baggern zu behäbig und das Dirigieren zu dröge wird, der stattet sich mit zwei roten Sambarasseln aus. "Zu feurigem Latino-Pop muss der Spieler vor seinem Körper die Rasseln schwingen. Wann, auf welcher Höhe geben Symbole auf dem Bildschirm an", schreiben Forster und Freundorfer. Und bewerten "Samba de Amigo" mit 3,5 von 5 möglichen Bewertungssternchen. Mit dem Joystick der ersten Stunde hat diese Errungenschaft aus dem Jahr 2000 dann nur noch bedingt zu tun.