SAP setzt auf die Cloud
21. Januar 2014Europas größter IT-Konzern SAP will im Zukunftsmarkt des "Cloud Computing" ganz vorne mitspielen - und nimmt dafür eine Durststrecke bei den Gewinnen in Kauf. Dass viele Kunden künftig ihre Daten und Software-Programme in SAP-Rechenzentren auslagern, werde das Umsatz- und Gewinnwachstum in den kommenden Jahren bremsen, kündigte SAP am Dienstag (21.01.2014) am Firmensitz in Walldorf an. "Wir wollen den Marktanteil gegen andere Lösungsanbieter erhöhen - und keine kurzfristige Marge ernten", sagte Co-Chef Bill McDermott. Gemessen am Umsatz mit Cloud-Diensten sind die Walldorfer die Nummer zwei nach dem US-Konkurrenten Salesforce, aber vor Oracle oder IBM.
Bislang verkauft SAP Firmen-Software und bietet auch Wartung an - hier kommen die Umsätze sofort bei den Walldorfern an. Bei Cloud-Produkten verteilen sich die Erlöse dagegen auf mehrere Jahre und es werden weniger Wartungsdienste von SAP gebraucht. In drei oder vier Jahren aber werde dieser Effekt mehr als ausgeglichen, versprachen die beiden Co-Chefs McDermott und Jim Hagemann Snabe. Das Ziel einer Umsatzrendite von 35 Prozent werde erst 2017 statt wie bisher gedacht 2015 erreicht. 32,6 Prozent erreichte SAP im vergangenen Jahr. Als Marktführer sieht sich SAP schon bei den Cloud-Nutzerzahlen - nach eigenen Angaben arbeiten 35 Millionen Beschäftigte bei gut 70.000 Firmenkunden mit Software via Internet.
SAP nicht allein in der Cloud
Auch die schärfsten Konkurrenten von SAP bei Firmensoftware setzen stark auf Cloud-Dienste. Der IT-Dienstleister IBM will mehr als 1,2 Milliarden Dollar in neue Rechenzentren weltweit investieren, um das Geschäft auszubauen. Nach Einschätzung von IBM wird der Cloud-Markt insgesamt bis 2020 von derzeit 130 auf 200 Milliarden Dollar Umsatz wachsen. Der Branchenverband Bitkom sagt für dieses Jahr in Deutschland ein Plus von fast 50 Prozent auf knapp acht Milliarden Euro voraus. Auch Oracle baut den Vertrieb seiner Cloud-Produkte aus, um gegen die Konkurrenten anzukommen.
Das langsamere Wachstum werde den Vorsprung von SAP auf die Konkurrenz verringern, das werde die Aktie belasten, sagte Andreas Wolf, Analyst von MM Warburg. Die Aktien des Dax-Konzerns verbilligten sich am Dienstag um 0,8 Prozent auf gut 60 Euro, während der Dax leicht im Plus lag. Harald Schnitzer von der DZ Bank sieht die Walldorfer aber auf Erfolgskurs. "Der Übergang zur Cloud steht unter Dampf und sollte kurzfristige Enttäuschung wettmachen", erklärte er.
Cloud-Geschäft ab 2020 wichtigste Umsatzquelle
Noch stammen erst etwa 4,5 Prozent des Umsatzes aus dem Cloud-Geschäft, bis 2017 sollen es 15 Prozent sein - oder bis zu 3,5 Milliarden von insgesamt 22 Milliarden Euro Umsatz. Es sei eine gute Sache, wenn die Einmalumsätze mit Software zunehmend durch die stetigen jährlichen Cloud-Einnahmen ersetzt würden, lobte Donald Feinberg vom IT-Marktforschungsunternehmen Gartner. Das traditionelle SAP-Geschäft mit dem Verkauf von Software-Lizenzen und Wartung werde langsamer wachsen, erklärte SAP. Zuletzt hatte SAP hier mindestens zehn Prozent Plus in den vergangenen Jahren verzeichnet. Etwa ab 2020 wollen die Badener mit Cloud-Produkten mehr Umsatz einfahren als mit herkömmlicher Software. Aussterben werde diese aber nicht, weil viele Unternehmen ihre sensiblen Daten nicht ausschließlich externen Servern anvertrauen wollen. Die Ausspähungen des US-Geheimdienstes hätten zur Nachfrage nach Cloud-Diensten in Europa mit dem höheren Datenschutzniveau sicher beigetragen, sagte McDermott. Beziffern lasse sich das aber nicht. Hagemann Snabe hatte schon im vergangenen Jahr im Reuters-Interview gewarnt, Europa dürfe sich trotz des Skandals nicht gegenüber dem Weltmarkt abschotten.
Um den Cloud-Umsatz - gut 750 Millionen Euro im vergangenen Jahr - stark zu steigern, ziehe SAP außerdem weitere Zukäufe in Betracht, erklärte McDermott. Der neue Geschäftszweig war mit den Übernahmen des US-Spezialisten für Personalsoftware Successfactors und der Beschaffungsplattform Ariba vor zwei Jahren bei SAP erst in Schwung gekommen.
Der Amerikaner McDermott wird ab Mai, wenn sein Co-Chef Hagemann Snabe auf eigenen Wunsch den Vorstand verlässt, alleine das
Ruder bei SAP übernehmen. Befürchtungen, die deutsche Softwareschmiede könne ihrer Heimat bald den Rücken kehren, trat er entgegen. "Das wird nicht passieren - ich werde der beste Freund sein, den Deutschland jemals hatte", versprach er.