Die Zverev-Brüder - gegen den Rest der Welt
20. Januar 2017Es gibt die Bryan-Brothers - Bob und Mike. Andy und Jamie Murray. Und sonst? John und Patrick McEnroe. Und natürlich: die Schwestern Serena und Venus Williams. Immer wieder haben es Geschwister im professionellen Tennis ganz nach oben geschafft. Aber dass es einmal ein deutsches Bruderpaar geben könnte, das sich hier auf den Weg macht, hätte man im Deutschen Tennis-Bund vor kurzem noch eher für ausgeschlossen gehalten.
Modell für Abercrombie?
Alexander "Sascha" Zverev, ja, auf den zählt man ohnehin. 19 Jahre jung, 1,98 Meter groß, lange blonde Haare, inzwischen Weltranglisten-Position 24. Ein Top-Nachwuchsspieler, der sich auch bei einer Casting-Show wie "American Idol" gut machen würde. Als er Anfang des Jahres in Australien beim nicht ganz so ernsthaften Hopman Cup (Mannschaftswettbewerb im Mixed) an den Start ging, schrieb seine Doppelpartnerin Andrea Petkovic via Instagram über ihren Partner, er würde auch als Männermodell für "Abercrombie und Fitch" eine gute Figur abgeben. Vorsichtshalber entschuldigte sich Petkovic in dem Online-Post gleich bei Zverev.
Mischa Zverev hatte man eigentlich nicht mehr auf dem Zettel. Der ältere Bruder, schon äußerlich gesetzter und reifer als sein Bruder, war nach wiederkehrenden Verletzungen kein Kandidat mehr für die große Tennis-Bühne. Doch jetzt ist der 29-Jährige wieder da - und wie zuvor auch sein Bruder fordert er nun bei den Australian Open einen Tennis-König heraus. Mischa bekommt es im Achtelfinale mit dem Weltranglisten-Ersten Andy Murray zu tun. Der Gegner von Alexander Zverev in der dritten Runde hieß Rafael Nadal. Der brauchte mehr als vier Stunden, um mit dem Schlacks aus Hamburg fertig zu werden: 4:6, 6:3, 6:7, 6:3 und 6:2 für Nadal. Knappe Sache.
"Er ist ein riesiges Talent und eine potentielle Nummer eins. Er verbessert sich immer weiter", sagt Nadal über Zverev, den jüngeren. Der Mann aus Mallorca ist mit diesem Lob nicht allein. Auch ein gewisser Roger Federer ließ wenig Gelegenheiten aus, sich positiv über den jungen Mann aus Hamburg zu äußern: "Ein Supertalent!" Und dem sonst eher wortkargen Tennis-Guru Ivan Lendl wird der Satz in Richtung deutsches Tennis zugeschrieben: "Ihr braucht euch über die Zukunft keine Sorgen zu machen. Ihr bekommt bald eine Nummer 1."
"Mama hat die ganze Zeit gelächelt"
Und Mischa? Der hat im Windschatten des jüngeren Bruders zum Erfolg zurückgefunden. Nachdem er diese Woche den favorisierten US-Amerikaner John Isner bei den Australian Open ausgeschaltet hatte, sagte Mischa Zverev den Journalisten im Presseraum: "Ich habe zu meiner Box geschaut. Alle waren sehr nervös, aber meine Mama hat die ganze Zeit gelächelt. Das hat mir geholfen."
Denn auch das gehört zur Geschichte der beiden Zverev-Brüder. Es gibt manche verrückte Familien im Tennis-Circuit, die Zverevs gehören nicht dazu. Die Eltern, Irena und Alexander Zverev, aus Russland nach Hamburg eingewandert, sind viel mehr als begeisterte Anhänger und Förderer der Söhne. Der Senior spielte einst für das sowjetische Davis-Cup-Team und sitzt nun als Trainer bei jedem Spiel am Spielfeldrand. Auch die Mama: Tennisspielerin. Die Oma übrigens auch.
Auf dem Weg zum Erfolg überlässt der Clan nichts dem Zufall. Der Chilene Patricio Apey wurde frühzeitig mit dem Management betraut. Wimbledon-Sieger Michael Stich, ebenfalls ein Hanseat, gilt als Förderer. Der Deutsche Tennis-Bund trägt seit einiger Zeit die Kosten für den eigenen Physiotherapeuten. Im vergangenen Jahr wechselte Alexander Zverev den Bekleidungssponsor - hin zu der deutschen Marke aus Herzogenaurach, die auch Angelique Kerber einkleidet. Der Bruder trägt nun die gleichen Klamotten. Und zusammen trainieren sie inzwischen bei einem Mann namens Jez Green. Der Schleifer hat einst Andy Murray fit gemacht, bevor sich deren Wege 2014 trennten.
Mit einem Lächeln
"Heute haben wir unsere beste Zeit", zitierte die Süddeutsche Zeitung den älteren Zverev-Bruder, wenn er über den jüngeren spricht. Und so fordern die beiden beim ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres ein wenig den Rest der Welt heraus. Mischa - derzeit die Nummer 50 auf der ATP-Weltrangliste - weiß, dass Alexander die Zukunft gehört. Aber er genießt es sichtlich, wieder zurück zu sein und sich nicht (mehr) über die kleineren Challenger-Wettbewerbe zu quälen. Wenn Alexander Zverev bald unter die besten 20 der Welt vorstoßen wird, dürfte ihm niemand diesen Erfolg mehr gönnen als sein Bruder.
Dem Lächeln zufolge, das man auf den Bildern aus Melbourne sieht, sollte man sich Mischa Zverev als einen glücklichen Menschen vorstellen.