SC Paderborn: Mutig dem Abgrund entgegen
6. Februar 2018Arjen Robben hatte es eigentlich eilig. Nach dem 6:0 des FC Bayern beim SC Paderborn an einem frostigen ostwestfälischen Dienstagabend wollte sich der Niederländer in seinem durchgeschwitzten Hemd nicht erkälten. Aber eines wollte der 34-Jährige dann doch noch loswerden. "Die haben das super gemacht. Auch wenn es heute nicht für sie gereicht hat, die werden auf jeden Fall in ihrer Liga Meister", hatte der Offensivspieler des FCB nur Lob für den Gegner über.
Die Paderborner spielten zwar nicht auf Augenhöhe, was nicht zuletzt das Ergebnis aussagte. Und doch mussten sich die Münchner ausnahmsweise mal nicht gegen eine Mannschaft durchsetzen, die um den eigenen Strafraum herum ein Defensiv-Bollwerk aufbaut und versucht, alle Angriffe der Münchner schon im Keim zu ersticken. "Das ist immer das Einfachste. Aber Paderborn hat echt gut mitgespielt, sie haben eine gute Mannschaft", sagte Robben. Selbst der erfahrene Co-Trainer Hermann Gerland murmelte auf dem Weg in die Umkleidekabine: "Die spielen tollen Fußball."
Erfrischende Paderborner
Es war geradezu erfrischend zu sehen, wie mutig und selbstbewusst die Ostwestfalen in diese Partie gingen. Es war der Mannschaft von Trainer Baumgart von Beginn an deutlich anzumerken, das sie nicht nur die 3. Liga souverän anführt, sondern auch mit Abstand die meisten Treffer dort erzielt hat. 55 Mal haben die Paderborner bisher in 23 Partien getroffen und haben damit durchschnittlich mehr als zwei Treffer pro Spiel erzielt.
Die Offensivreihe des SCP um Sven Michel, Christopher Antwi-Adjej, Marlon Ritter und Ben Zolinski wurden geradezu getragen von dieser Stärke, die sie sich in den vergangenen Wochen und Monaten erarbeitet hatten. Sie wechselten häufig die Positionen, waren zunächst schwer zu greifen für die FCB-Verteidiger. Zudem waren sie von einer besonderen Euphorie beseelt. In Paderborn war in den vergangenen Tagen zumindest eine unterschwellige Hoffnung gewachsen, dass dieses Team den Münchnern vielleicht doch ein Bein stellen könnte.
Der SCP schaffte es tatsächlich, die Münchner dann und wann in Bedrängnis zu bringen. Nur der letzte Pass, die letzte Genauigkeit im Abschluss fehlte. Und weshalb die Unterschiede im Profifußball allein innerhalb der Bundesliga, aber vor allem im Vergleich von der 1. zur 3. Liga so groß sind, bewiesen die Münchner immer dann, wenn sie der Auffassung waren, der Gegner hatte zu viel Ballbesitz und wenn dieser ihnen schlicht zu frech wurde.
Freundlicher Applaus trotz hohen Rückstands
Arjen Robben und Kingsley Roman auf den beiden Außenbahnen überforderten die Paderborner Verteidiger mit ihren Dribblings. In der Mitte waren Thomas Müller und Robert Lewandowski schlicht zu schnell und technisch zu beschlagen, als hätte die Paderborner Defensive den Münchener Angriffsbemühungen Stand halten können.
Kingsley Coman, Robert Lewandowski und Joshua Kimmich begruben bereits in der ersten Hälfte sämtliche Paderborner Träume und ließen auch die letzten Optimisten auf Seiten der Ostwestfalen den Glauben an eine Sensation begraben. Dennoch bekamen die SCP-Spieler freundlichen und aufmunternden Applaus von ihren Anhängern, als sie wieder zur zweiten Halbzeit auf den Platz kamen. "Wir wollten sehen, wo wir individuell stehen. Auch wenn uns die Bayern deutlich überlegen waren, haben wir es gut gemacht", sagt SCP-Sportchef Markus Krösche.
Dass Trainer Baumgart trotz des Rückstands mit Phillip Tietz einen weiteren Stürmer ins Spiel brachte, war die Umsetzung seiner Ankündigung vor der Partie und sagt viel aus über das derzeitige Paderborner Selbstverständnis. Das ist deshalb so bemerkenswert, weil der Klub noch in der Vorsaison eigentlich nach drei Abstiegen in Folge in die Viertklassigkeit abgerutscht war.
Baumgart: "Habe die Jungs ins Verderben geführt"
"Hier sah es vor einem Jahr noch ganz anders aus", sagte Bayern-Trainer Jupp Heynckes. "Das ist bewundernswert, was hier in so kurzer Zeit geleistet wurde." Stumpfer und destruktiver Mauer- und Defensivfußball kam für den SCP trotz der Übermacht des Gegners nicht in Frage. Die Paderborner erspielten sich auch weiterhin Torchancen, Ben Zolinski traf aus der Distanz etwa nur den Torpfosten. Oder Tietz brachte das Kunststück fertig, alleine vor dem Tor den Ball nicht richtig zu treffen.
Es war den Paderbornern schlicht egal, dass Corentin Tolisso und zweimal Arjen Robben zusätzlich für die Münchner getroffen hatte. "Ich habe die Jungs ins Verderben geführt, weil ich ihnen gesagt habe, dass wir immer wieder Anlaufen und mutig sein wollen", sagte SCP-Trainer Steffen Baumgart. Seine Idee vom Fußball wollte der 46-Jährige auch gegen den Rekordmeister nicht opfern. Sie spielten einfach weiter mutig dem Abgrund entgegen.
Bayern-Coach Jupp Heynckes hatte auch noch ein besonderes Lob für den Gegner und dessen Trainer übrig, bevor er mit seiner Mannschaft rund eine Stunde nach dem Abpfiff bereits wieder auf dem Heimflug nach München war. "Das ist ein Fußball, mit dem man erfolgreich sein kann. Ich werde mir Paderborn im nächsten Jahr dann wieder in der 2. Bundesliga ansehen", sagte Heynckes mit ernster Miene.