Schalke 04 bleibt auf Tasmanias Spuren
2. Januar 2021Den freien Fall des Traditionsvereins Schalke 04 in der Fußball-Bundesliga zu stoppen, das ist die Aufgabe von Christian Gross. Deswegen haben die Verantwortlichen der Königsblauen den 66-Jährigen geholt. Der ehemalige Stuttgarter Coach soll die Erfahrung und Souveränität einbringen, die seinen weit jüngeren Vorgängern David Wagner (49 Jahre) und Manuel Baum (41) im hektischen und angespannten Schalker Umfeld fehlten. In seinem ersten Spiel an der Seitenlinie der Gelsenkirchener richteten sich also alle Augen auf den Trainer-Routinier, doch es hagelte die nächste herbe Niederlage für Schalke. Die Partie in Berlin bei Hertha BSC ging klar und deutlich mit 0:3 (0:1) verloren, und damit waren die Gäste noch gut bedient.
Die Berliner Mattéo Guendouzi (36. Minute), Jhon Cordoba (52.) und der kurz zuvor eingewechselte Krzysztof Piatek (80.) verdarben mit ihren Treffern im Olympiastadion den Einstand von Gross als viertem Schalke-Coach in dieser Saison - Interimstrainer Huub Stevens mitgezählt.
Veränderungen, die noch nicht fruchten
Dabei hatte Gross eigentlich alles richtig gemacht. Im Gegensatz zu seinem 25 Jahre jüngeren Vorgänger Baum, der mit markanten Worten und blumiger Sprache Reize anbringen wollte, setzte der Routinier komplett auf Sachlichkeit. Wenn die Mannschaft alles aus sich raushole, sei er vom Klassenerhalt "felsenfest überzeugt". Gross forderte "Ehrgeiz in jeder Sekunde" und "um die Mannschaft herum eine positive Grundhaltung".
Und so arbeitete der Schweizer auch neben dem Platz, in blauer Schalke-Jacke und mit den Händen meist in den Hosentaschen stand er in seiner Coaching-Zone. "Ich bin in der Sache hart, aber ich weiß, was es braucht hier im Abstiegskampf. Ich muss zusprechen, sie unterstützen und natürlich in erster Linie loben", sagte Gross vor dem Anpfiff beim Fernsehsender Sky. Und so gab er während der 90 Minuten immer wieder lautstarke Anweisungen, gestikulierte, ordnete und motivierte sein Team. Doch anzukommen schien das bei seinen Spielern nicht. Schon nach dem 0:1-Rückstand war von Gegenwehr bei den Schalkern nichts mehr zu sehen.
Auch in seiner Aufstellung versuchte er Zeichen zu setzen: Bei seinem Trainer-Debüt setzte Gross auf Ralf Fährmann im Tor. Frederik Rönnow musste auf der Bank Platz nehmen. Erstmals nach seiner schweren Kopfverletzung stand Mark Uth wieder in der Anfangsformation des Tabellenletzten. Insgesamt veränderte Gross das Startteam im Vergleich zum 0:1 gegen Arminia Bielefeld unter Interimscoach Huub Stevens auf vier Positionen. Benito Raman, der Knöchelprobleme hat, und der am Knie verletzte Salif Sané fehlten im Kader.
Fünf Trainingstage, die nicht reichen
Doch am Ende half das alles nicht, das Schalke-Debüt von Christian Gross missglückte völlig. "Die ersten 30, 40 Minuten waren ok. Das zweite Gegentor hat uns das Genick gebrochen, der Elan war weg", analysierte der Schweizer bei Sky. Es sei ein verdienter Sieg von Hertha gewesen. "Die zweite Halbzeit, wenn wir so spielen, sind wir nicht wettbewerbsfähig", sagte S04-Profi Mark Uth direkt nach dem Spiel bei Sky mit klaren Worten. Ebenso deutlich forderte er Verstärkungen in der Winterpause. "Die Verantwortlichen müssen auf dem Transfermarkt noch tätig werden. Wir brauchen Spieler, die uns sofort weiter helfen können."
Am kommenden Wochenende droht nun die Einstellung einer Negativmarke in der Bundesliga-Historie. Der FC Schalke 04 ist nur noch ein siegloses Spiel vom Negativrekord von Tasmania Berlin entfernt. 30 Liga-Partien ohne Erfolg stehen jetzt zu Buche, am Samstag könnte Königsblau nach dem Heimspiel gegen 1899 Hoffenheim nach fast 54 Jahren die alte traurige Tasmania-Rekordmarke auch in seiner Vereinschronik stehen haben. Vier Punkte nach 14 Spielen - so schlecht war Schalke zudem noch nie in seiner Bundesliga-Geschichte. Alle Teams, die bislang zu diesem Zeitpunkt so wenig Zähler hatten, stiegen am Ende der Saison ab. Dennoch bleibt die Hoffnung in Christian Gross, denn nach nur fünf Trainingstagen sind von keinem Coach Wunder zu erwarten.