Schalkes McKennie drängt in den Vordergund
18. August 2017Als das Schalker Team vom Trainingsplatz kommt, gehen Franco di Santo, der neue Kapitän Ralf Fährmann und Cheftrainer Domenico Tedesco einen kleinen Umweg, um mit den wartenden Fans Selfies zu machen und ihnen Autogramme zu geben. Nachdem er die Kühltasche zur Seite gestellt hat, die er in Richtung Kabine tragen soll, gesellt sich auch Weston McKennie dazu. "Ich möchte niemanden enttäuschen", sagt er. "Immer wenn ich hier an den Fans vorbeikomme, versuche ich anzuhalten - auch wenn ich zwei Freistoß-Dummies im Arm habe oder das Netz mit den Bällen trage.
Der fast 19-Jährige hat schon in der Schalker Jugend auf sich aufmerksam gemacht und es durch starke Leistungen in der Vorbereitung nun in den Profikader geschafft. Dabei wäre er mit Sicherheit nie in Gelsenkirchen gelandet, wenn er sich als Kind frühzeitig für nur eine Sportart hätte entscheiden müssen.
Große Fußstapfen
"Als ich zehn oder elf war bin ich zu meinen Fußballspielen gegangen, und mein Trainer hat gesagt: Wenn wir mit zwei Toren führen oder du ein schnelles Tor gemacht hast, kannst du früher gehen.", erinnert sich McKennie. "Also habe ich mich angestrengt, meinem Team schnell zu helfen, damit ich weg konnte, weil ich auch noch American Football gespielt habe. Ich habe mich auf der Fahrt im Auto umgezogen: Schoner an, Helm auf den Kopf und dann raus aufs Feld. Ich bin eingewechselt worden und habe den Rest des Spiels mitgemacht."
McKennie, selbst ein glühender Fan der Washington Redskins, war ein sehr talentierter Footballspieler mit Aussichten, es in der Offensive, der Defensive oder den sogenannten Special Teams in eine gute College- oder später sogar NFL-Mannschaft zu schaffen. "Ich denke, ich hätte Chancen gehabt", sagt er. "Wenn ich denn dabeigeblieben wäre."
Doch nach einem Sommeraufenthalt in Deutschland sowie einem oder zwei Telefonanrufen, entschied sich McKennie für eine Karriere mit dem runden Ball. Schalkes Jugendkoordinator und Talententwickler Norbert Elgert nahm den US-Amerikaner 2016 unter seine Fittiche und veränderte so die Zukunft des Jungen. Immerhin hatte Elgert zuvor bereits Spieler wie Manuel Neuer, Mesut Özil, Benedikt Höwedes und Leroy Sané entdeckt und zu Profis gemacht.
In deren große Fußstapfen will McKennie nun treten. In der Kabine sitzt er sogar neben Höwedes. Zudem lässt er sich regelmäßig Tipps von Leon Goretzka geben, den er scherzhaft mit "Sir" anredet. "Ich bekomme wirklich von allen Spielern Unterstützung. Und ich nehme sie auch gerne an. Ich sehe das so: Sie kritisieren mich, weil sie sich um mich kümmern und weil ich noch Luft nach oben habe", sagt McKennie, dessen großes Vorbild in der Jugend Francesco Totti war.
Junger Erwachsener
Trotz aller Hilfe der Kollegen, McKennie ist daran gewöhnt, sich alleine durchzusetzen. Schon im Alter von zehn bis 13 Jahren reiste er auch außerhalb der USA alleine, ohne seine Eltern. Zudem wechselte er oft die Schule und absolvierte sein letztes Highschool-Jahr per Fernstudium via Internet.
McKennie musste schnell erwachsen werden, hat aber sein jugendliches Lächeln nicht verloren und ist überzeugt davon, seine Ziele zu erreichen: "Ich habe Bastian Oczipka gesagt, dass ich wahrscheinlich der nervigste Junge sei, der je aus der Jugendakademie zu den Profis gekommen ist", lacht McKennie. "Das einzige, was mich daran erinnert, dass ich erst 18 bin, ist die Tatsache, dass ich zu denen gehöre, die die ganze Ausrüstung zum Training schleppen müssen. Ich denke schon, dass ich früh erwachsen geworden bin - aber das gehört zum Job als Fußballprofi dazu."
Schalkes Ziel in dieser Saison ist die Rückkehr auf die europäische Fußball-Bühne. Die Erwartungen bei den Königsblauen sind traditionell sehr hoch, die Frustrationstoleranz der Fans nach den Enttäuschungen der vergangenen Saison eher gering. McKennie und Co. stehen unter Druck. Mit dem neuen Coach Tedesco muss unmittelbar Erfolg her.
Große Ziele
"Druck kann gut oder schlecht sein. Er kann dich zerbrechen lassen, er kann dich aber auch beflügeln", philosophiert McKennie. Bei ihm und Tedesco treffe aber Letzteres zu. An seinem neuen Trainer gefällt ihm - neben dessen Art und Herangehensweise - dass der Deutsch-Italiener seine Spieler wahlweise auf Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch anspricht. Dabei ist McKennie auch beim Deutschlernen schon recht weit - und es ist nicht die einzige Fremdsprache, die er spricht. "Ich komme aus Dallas", scherzt er. "Da must du einfach Spanisch sprechen können."
Mit Schalke eine gute Saison spielen, möglichst oft auf dem Platz stehen und sich so für die US-Nationalmannschaft und die Weltmeisterschaft 2018 zu empfehlen, das sind die großen Ziele des Youngsters. McKennie weiß, dass zunächst die Leistungen im Klub stimmen müssen, das US-Team hat er aber ständig im Hinterkopf. "Ich weiß, dass ich noch jung bin", gibt McKennie zu. "Aber einen Versuch ist es wert."