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Schiffeversenken im Südchinesischen Meer

Rodion Ebbighausen17. August 2016

Indonesien feiert seine Unabhängigkeit auf ungewöhnliche Weise. Zum Jubeltag versenkt es Fischerboote. Der symbolische Akt zeigt, dass es beim Streit im Südchinesischen Meer vor allem um Fische geht.

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Sonnenaufgang am Südchinesischen Meer (Foto: picture alliance/DUMONT Bildarchiv/M. Sasse)
Bild: picture alliance/DUMONT Bildarchiv/M. Sasse

Den Anfang machten die Molukken im Osten des größten Inselstaats der Welt. Die Behörden Schlugen Löcher in die Rümpfe und das Meerwasser sprudelte in insgesamt acht vietnamesischen, chinesischen, malaysischen und philippinischen Fischerboote, die die indonesische Küstenwache in den letzten Monaten beschlagnahmt hatte. Insgesamt sollen in den nächsten Tagen 71 Boote in acht Provinzen versenkt werden - ein Schiff für jedes Jahr Unabhängigkeit.

Die Fischer waren illegal in die Exklusive Wirtschaftszone Indonesiens eingedrungen. Manche der Boote hatten sich dazu extra eine Tarnung zugelegt. So waren chinesische Glasfaserboote mit Holz verkleidet worden, um indonesischen Fischerbooten zu ähneln. Am Tag vor dem großen Schiffeversenken sagte Indonesiens Präsident Joko Widodo in einer Rede zur Lage der Nation, dass sein Land jeden Zentimeter Territorium und jeden Zentimeter Wasser verteidigen werde. Zugleich betonte er, dass Indonesien aktiv engangiert sei, um eine friedliche Lösung für den Terriotrialkonflikt im Südchinesischen Meer zu finden.

Kampfzone Fischerei

Der Territorialkonflikt wird zumeist in geostrategischen Dimensionen beschrieben: Es geht um Souveränität und Nationalstolz, um internationales Recht, wichtige Handelsrouten und militärische Kontrolle. Erwähnt werden in dem Zusammenhang auch immer die vermuteten Öl- und Gasreserven sowie die Fischgründe. Während aber die Förderung fossiler Rohstoffe nach Ansicht von Experten - zumindest heute noch - kommerziell unattraktiv ist, ist der Kampf um die Ressource Fisch schon in vollem Gange.

Sprengung von Fischerbooten in Indonesien (Foto: picture-alliance/dpa)
Im Dezember sprengte die indonesische Marine Fischerboote, die illegal vor den Küsten des Landes gefischt habenBild: picture-alliance/dpa

Immer wieder kommt es zu Zusammenstößen. Chinesische Küstenwachboote bringen vietnamesische Fischer auf, Rammen deren Boote oder hindern philippinische daran, in umstrittenen Gewässern zu fischen. Vietnamesische Fischer wiederum fahren zu den Paracel-Inseln, die seit 1974 von China kontrolliert werden, was Vietnam aber nicht anerkennt. Indonesiens Küstenwache beschlagnahmt Boote aus China, Vietnam und Malaysia, um sie auch schon mal medeinwirksam in die Luft zu sprengen, wie im Dezember 2015.

Unersättlicher Hunger nach Fisch

Mindestens 3,7 Millionen Menschen rund um das Südchinesische Meer leben direkt von der Fischerei, so ein Arbeitspapier vom Fischereizentrum der Universität von British Columbia in Kanada, das Allison Witter mit einem vierköpfigen Forscherteam verfasst hat. "Die Zahl von 3,7 Millionen ist aber wahrscheinlich zu gering, da Fischer, die illegal fischen, nicht einbezogen sind." Dabei ist das Südchinesische Meer einer der globalen Hotspots für illegale Fischerei, die in China, Malaysia, Indonesien, Thailand und Taiwan an der Tagesordnung ist.

Die Anrainerstaaten haben 2010 offiziell mindestens 10,5 Millionen Tonnen Fisch aus dem Südchinesischen Meer gezogen, wie das Forschungsprojekt "Sea Around Us", ebenfalls von der Universität in British Columbia, ausgerechnet hat. Illegale Fischerei macht nach der Bestandsaufnahme von der Universität in Kanada nochmals etwa sieben Millionen Tonnen aus.

Eine chinesische Fischfangflotte verlässt den Hafen (Foto: dpa)
Chinas Fischfangflotten zählen zu den modernsten und größten in der RegionBild: picture-alliance/dpa

Der Anlieferungswert, also der Wert der Fische beim Entladen der Schiffe, liegt offiziell bei etwa 12 Milliarden US-Dollar. Allerdings fällt der komerzielle Wert seit den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Das hat damit zu tun, dass weite Teile des Südchinesischen Meeres überfischt sind. Die Folge: Trotz eines immer größeren Aufwands mit mehr Booten und größeren Netzen werden immer weniger und vor allem kleinere Fische gefangen, die auf dem Markt nur einen niedrigen Preis erzielen. Einige Fischarten des Südchinesischen Meeres werden so stark befischt, dass sie ins Netz gehen, bevor sie ausgewachsen sind. Diese eigentlich unbrauchbaren Jungtiere werden dann unter anderem zu Fischmehl verarbeitet. "Die Nahrungskette nach unten fischen", nennt das Villy Christensen, ein Experte für Modellanalysen von Ökosystemen.

Teufelskreis Überfischung

Wie das Umweltprogramm der Vereinten Nationen bereits in einem Bericht von 2007 betonte, ist die Region seit Jahrzehnten überfischt. Der Druck auf das Ökosystem erhöht sich ständig. Die stetig wachsenden Fischereiflotten produzieren Überkapazitäten. Die Studie der Columbia Universität fordert: "Eine Reduktion der Kapazitäten ist dringend geboten."

Aber das wird nicht reichen. Der Fischbestand ist auch gefährdet durch das in manchen Regionen verbreitete Dynamit- oder Cyanidfischen, das Lebensräume schädigt oder zerstört. Auch der Bau künstlicher Inseln durch die Volksrepublik China hat den Riffen der Spratly-Inseln massiv geschadet. Die Riffe sind wichtig, da sie die Keimzelle des Artenreichtums im Südchinesischen Meer sind.

Das Bevölkerungswachstum in den Anrainerstaaten, die Industrialisierung und verstärkte Landwirtschaft haben zur Vergiftung oder Schädigung der Küstengewässer geführt. So lässt der Anstieg von organischem Stickstoff und Phosphaten aus Düngemitteln Algenblüten entstehen, die den Sauerstoffgehalt senken und damit das Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen.

Fehlendes Management

Alle Anrainerstaaten haben nationale Gesetze, die die maritimen Ressourcen schützen sollen. Aber: "Die Gesetze werden kaum befolgt oder durchgesetzt und es gibt allenfalls eine ungenügende Koordination zwischen den verschiedenen mit der Fischerei betrauten Regierungsorganen." Das gleiche gilt für die zwischenstaatlichen Organisationen wie die "Coordinating Body on the Seas of East Asia" (COBESA) oder das "Southeast Asian Fisheries Development Center" (SEAFDEC).

Tote Fische am Strand (Foto: Getty Images/AFP)
Eine Umweltkatastrophe in Zentralvietnam hat tausende Fische getötetBild: Getty Images/AFP

Die soziale und wirtschaftliche Abhängigkeit vom Fischfang lässt vielen Anwohnern keine Wahl. Ohne Fisch haben sie nicht genug zu essen und kein Einkommen. Diese Probleme würden in den bestehenden Programmen nur unzureichend addressiert. "Demnach ist die Integration einer sozialökonomischen Komponente in das Management der Fischerei entscheidend, um die Überkapazitäten abzubauen", so die Forscher von der kanadischen Universität.

Doch solange die Territorialfragen im Südchinesischen Meer ungeklärt sind, wird eine koordiniertes Management der Fischbestände schwierig bleiben. Kein Staat ist bereit, freiwillig zurückzustecken. Aufgrund der ungeklärten Souveränitätsfragen versuchen die Anrainer ihren Anteil am Fischfang beizubehalten oder sogar noch auszubauen.

Düstere Aussichten

Die Forscher aus Kanada haben nach der Bestandsaufnahme zwei Szenarien durchgerechnet. Ein Status-quo-Szenario und ein Nachhaltigkeits-Szenario. Im Status-quo-Szenario bleiben die Bedingungen wie sie sind. In der Folge wird die Biomasse im Südchinesischen Meer durch Überfischung bis 2045 je nach Art zwischen neun und 59 Prozent abnehmen. Die meisten Fischsorten, die heute auf den Tellern landen, werden deutlich weniger verfügbar sein, "was schwerwiegende Folgen für die Ernährungssicherheit haben wird."

Im Nachhaltigkeits-Szenario, bei dem umfangreiche zwischenstaatliche Maßnahmen zu Koordinierung und zum Schutz der Meere, aber auch globale Maßnahmen zu Reduzierung von Treibhausgasen ergriffen werden, würden sich die Bestände erholen. "Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass sofortiges Handeln auf allen Ebenen notwendig ist: die Regierungen und regionale Organisationen, die Wirtschaft, die Zivilgesellschaft und jeder Einzelne muss etwas tun." Schiffeversenken allerdings ist nicht mehr als Symbolpolitik und wird am Status quo nichts ändern.