Führende Neonazis in Haft
29. September 2013Nach Angaben der Polizei in Athen wurden der Chef der "Goldenen Morgenröte" (Chrysi Avgi), Nikolaos Michaloliakos (Artikelbild), sowie vier weitere Abgeordnete und 15 Funktionäre in Gewahrsam genommen. Ein Abgeordneter sowie zwölf Parteifunktionäre werden noch gesucht. Ihnen wird vorgeworfen, Mitglieder einer kriminellen Vereinigung zu sein.
Wie die Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen der Staatsanwaltschaft des obersten Gerichtshofes nach eigenen Angaben erfahren hat, werden den Neonazis unter anderem Totschlag, Körperverletzung und Erpressung, Sprengstoffanschläge sowie Geldwäsche zur Last gelegt.
Aus Sicht der Ermittler gibt es außerdem Beweise dafür, dass Mitglieder der Partei Schutzgelder von zahlreichen Geschäftsinhabern, aber auch von Migranten kassiert haben sollen. Die Vorwürfe sollen auf Aussagen von Migranten, Opfern von Körperverletzungen sowie ehemaligen und aktiven Parteimitgliedern basieren. Außerdem habe der Geheimdienst EYP im Auftrag der Ermittler Telefongespräche der Funktionäre mitgeschnitten, hieß es. Griechische Medien berichteten, im Zuge der Verhaftungen seien Dutzende Wohnungen und Büros der Partei durchsucht worden, darunter auch Räume im Parlament. Im Haus von Michaloliakos sollen ein Jagdgewehr, ein Revolver und eine Pistole sichergestellt worden sein, für die der Chef der Neonazis keinen Waffenschein habe.
Justizminister Charalambos Athanasiou sagte nach einem Treffen mit Regierungschef Antonis Samaras, die Verhafteten würden einen gerechten Prozess erhalten. Samaras reiste anschließend zu einem Besuch in die USA. Beim Verlassen seines Regierungssitzes sagte er Reportern, das Motto laute jetzt "Gerechtigkeit und Stabilität".
Die lange in der Bedeutungslosigkeit verharrenden Neonazis haben durch die Härten der Krise und der Krisenbekämpfung im hochverschuldeten Griechenland Zulauf erhalten. Die offen faschistisch auftretende "Goldene Morgenröte" stellt 18 der 300 Parlamentsabgeordneten. Nach jüngsten Umfragen könnte sie im Fall von Neuwahlen mit 13 Prozent der Stimmen drittstärkste politische Kraft im Parlament werden. Während ihres Aufstiegs wurde die Organisation, die den Holocaust leugnet, immer aggressiver. Fast täglich wurden Einwanderer von kahlgeschorenen Rechtsextremisten überfallen.
Politik und Justiz haben die Neonazi-Umtriebe nach Ansicht vieler Beobachter lange unterschätzt. Wie ein "Weckruf " wirkte der Mord an dem populären linken Rappe Pavlos Fyssas, der vergangene Woche von einem Rechtsradikalen und mutmaßlichen Mitglied der "Goldenen Morgenröte" mit zwei Messerstichen getötet wurde. Seitdem geht die Justiz entschlossen gegen die Neonazis vor. Griechenlandweit war es nach dem Mord zu Demonstrationen gegen rechte Gewalt gekommen.
wl/se (dpa, afp, rtr)