Schneckenrennen in der Bundesliga
20. Oktober 201970 Minuten lang musste man das Gefühl haben, es sei nur eine Frage der Zeit, wann der FC Schalke 04 das erlösende 1:0 gegen die bieder und limitiert spielende TSG Hoffenheim erzielen würde. Schalke war vor der abschließenden Partie des 8. Spieltags der Fußball-Bundesliga mit 14 Punkten Sechster. Ein Sieg hätte gereicht, um zum ersten Mal seit Jahren wieder am Ende einer Spielrunde an der Tabellenspitze zu stehen. Zuletzt war das am 28. Spieltag der Saison 2009/2010 unter Felix Magath der Fall. Schon vor zwei Wochen gegen Köln hätte es zum Sprung nach ganz oben fast gereicht, doch ein Last-Minute-Tor von Jonas Hector ließ den Schalker Traum doch noch platzen. Diesmal schlug die TSG zu: Zwei Konter reichten, um das Spiel zu entscheiden. Statt auf Rang eins, liegt Schalke nun auf Rang sieben.
"Wir haben in der ersten Halbzeit unsere Torchancen nicht genutzt, und in der zweiten Halbzeit hatten wir keine mehr", analysierte Schalkes Trainer David Wagner am Sky-Mikrofon und war ein wenig frustriert über die sehr defensive Taktik der Hoffenheimer. "Wir haben ein gutes Auswärtsspiel gemacht, aber der Gegner hat zwei Tore gemacht und wir keins."
Verletzliche Bayern
Selten zuvor war die Tabellenspitze der Bundesliga nach acht Spieltagen so eng beieinander wie in dieser Saison. Tabellenführer Borussia Mönchengladbach, der trotz einer 0:1-Niederlage gegen Borussia Dortmund ganz oben blieb, liegt nur zwei Zähler vor Bayer 04 Leverkusen auf Rang neun.
Während viele nun schon von der spannendsten Bundesliga-Saison seit langem schwärmen, muss man sich bei aller Begeisterung über die Ausgeglichenheit allerdings auch Sorgen machen. Denn die Tatsache, dass kein einzelnes Team oder mehrere Mannschaften sich oben ein wenig abgesetzt haben, kann auch als Zeichen mangelnder Qualität gewertet werden.
Meister FC Bayern München präsentiert sich in diesem Herbst noch verletzlicher als vor zwölf Monaten. Die Ergebnisse stimmen nicht, Trainer Niko Kovac steht (mal wieder) in der Kritik. Dennoch ist keiner der Konkurrenten in der Lage, die Schwäche des Rekordmeisters auszunutzen.
Kein Druck vom BVB
Erster Anwärter darauf, die Bayern unter Druck zu setzen, war vor der Saison Borussia Dortmund. Die Schwarz-Gelben hatten sich namhaft verstärkt und gaben sogar die Meisterschaft als Ziel aus. Allerdings spielt der BVB nicht dementsprechend. Nach einer vermeidbaren Niederlage bei Union Berlin am 3. Spieltag und drei ebenso vermeidbaren 2:2-Unentschieden in Serie (Spieltage 5 bis 7) liegt die Borussia einen Platz hinter den Bayern, statt mehrere Punkte davor.
Während die Dortmunder - wie sich in den teilweise heftigen Reaktionen auf den Vorwurf, es fehle möglicherweise an Mentalität, zeigt - die verpassten Punktgewinne wurmen, stören sich andere überhaupt nicht daran, dass momentan mehrere Teams auf ähnlichem Niveau auf der Stelle treten. "Jetzt haben wir sechs, sieben, acht Mannschaften, die sehr eng zusammen sind. Das bleibt auch so, denke ich", sagte Mönchengladbachs Sportdirektor Max Eberl vor dem Spieltag der "Sport Bild" und prophezeite: "Dadurch steigt die Chance, dass andere Mannschaften dem FC Bayern gefährlich werden. Die Bayern müssen sich diesmal nicht nur auf einen Verein konzentrieren, der angreift, sondern vielleicht auf mehrere."
Bayern-Ausrutscher als Tradition
Mancher mag die Meinung Eberls teilen, allerdings ist auch richtig, dass es durchaus helfen könnte, in der Zeit, in der sich der FC Bayern eine Schwächephase gönnt, ein kleines (oder auch größeres) Punktepolster anzuhäufen - und selbst das garantiert am Ende nicht den Erfolg. Bitter erfahren musste das in der vergangenen Saison Borussia Dortmund. Der BVB hatte zwischenzeitlich sogar neun Punkte Vorsprung auf die Bayern, kam am 34. Spieltag aber doch mit zwei Zählern Rückstand auf die Münchner ins Ziel.
Dass die Bayern im Herbst nicht in vollem Saft stehen und sich den einen oder anderen Ausrutscher leisten, hat bereits Tradition. In der vergangenen Saison leisteten sie sich zwischen dem 25. September und dem 24. November ganze sechs sieglose Spiele - darunter Niederlagen gegen Hertha BSC, eine 0:3-Heimklatsche gegen Gladbach und ein 3:3 nach 3:0-Führung zu Hause gegen Fortuna Düsseldorf. Dass der Rekordmeister dann aber spätestens, wenn im Frühjahr der Schnee rund um die Säbener Straße schmilzt, kaum noch zu schlagen ist, hat sich aber auch immer wieder gezeigt.
Vielleicht schafft es der FC Schalke am kommenden Wochenende im dritten Versuch ja doch noch. Gewinnen die "Königsblauen" nächsten Samstag gegen Borussia Dortmund, könnte es - abhängig von den anderen Ergebnissen - zur Tabellenführung reichen. Allerdings: Während sich Mönchengladbach und Frankfurt sowie Freiburg und Leipzig in direkten Duellen die Punkte abnehmen, spielen die Bayern zu Hause gegen Aufsteiger Union Berlin. Gut möglich ist daher auch, dass nach dem 9. Spieltag wieder die Bayern ganz oben stehen. Wie immer eigentlich…
Der 8. Spieltag der Fußball-Bundesliga in Bildern: