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Politik

Scholz - der hartnäckige Arbeiter im Hintergrund

Ines Pohl Kommentarbild App
Ines Pohl
3. März 2023

Bundeskanzler Scholz war nur wenige Stunden in Washington. Trotzdem war sein Treffen mit US-Präsident Biden nicht weniger bedeutsam. Die Achse Washington-Berlin wird immer wichtiger, schreibt Ines Pohl aus Washington.

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Weißes Haus Treffen Scholz und Biden
Kurze Stippvisite in den USA: Kanzler Olaf Scholz im Oval Office mit US-Präsident Joe BidenBild: Susan Walsh/AP/picture alliance

Lange nicht war so viel los am transatlantischen Himmel. Kaum ist der deutsche Vizekanzler Robert Habeck aus Washington zurück in Berlin, reist Außenministerin Annalena Baerbock an, um neben ihrem amerikanischen Kollegen in der vergangenen Woche im UN-Sicherheitsrat in New York Russland für seinen Angriffskrieg erneut zu verurteilen. Kurz darauf setzt sich auch schon der Kanzler selbst in den Flieger Richtung US-Hauptstadt. Es ist schon der zweite Besuch im Weißen Haus in seiner 15-monatigen Amtszeit. Die Bundesregierung unter der Führung von Olaf Scholz nimmt inzwischen eine wichtige Rolle ein innerhalb der amerikanischen Bündnis-Strategie im Kampf gegen den russischen Aggressor.

Ruckeliger Start

Dabei wurde Scholz' überraschende Wahl zum Bundeskanzler Ende 2021 in Washington zunächst durchaus kritisch beäugt. Zum einen schlicht deshalb, weil mit Angela Merkels Amtszeit eine sechzehn Jahre lang eingeübte Verlässlichkeit endete. Zum anderen aber auch, weil die SPD für viele hier in den USA im Verdacht stand, Russland gegenüber den USA zu bevorzugen - nicht zuletzt durch die intensiven Beziehung des letzten SPD-Kanzlers, Gerhard Schröder, mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

G20 leaders' summit in Rome
Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Joe Biden im Oktober 2021Bild: Kirsty Wigglesworth/Pool/REUTERS

Und dann begann der russische Angriffskrieg. Und Deutschland rückte mit seinen engen wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit - und der Kritik.

Ich war selbst im Weißen Haus bei der ersten Pressekonferenz von Joe Biden und Scholz gut zwei Wochen vor Kriegsausbruch. Ich will nicht verhehlen, wie quälend es war, Scholzens Schweigen zur Gaspipeline Nord Stream 2 zu erleben. Auch die amerikanischen Kolleginnen und Kollegen und damit die interessierte amerikanische Öffentlichkeit konnte nicht verstehen, warum der deutsche Regierungschef nach Bidens direkter Drohung, Nord Stream 2 im Falle eines Krieges zu stoppen, den Namen der Pipeline immer noch nicht in den Mund nahm. Präsident Biden war unter der professionellen Fassade merklich ungehalten. Die Begegnung schien das Gegenteil eines Beginnes einer langen Freundschaft.

Der Kriegsausbruch hat alles verändert

Der Rest ist neue Zeitgeschichte. Der Krieg ist nun ein Jahr alt. Und damit auch die "Zeitenwende-Rede" des Bundeskanzlers. Die Biden-Regierung hört mittlerweile nicht auf zu unterstreichen, wie eng, vertrauensvoll und wichtig die Beziehung beider Länder ist. Hier in den USA wird verstanden und gewertschätzt, wie weit der Weg ist, den nicht nur Olaf Scholz mit seiner Regierung, sondern ganz Deutschland gegangen sind. Und dass vor einem Jahr sich niemand hätte vorstellen können, dass Deutschland jemals bereit sein würde, so viel finanzielle und vor allem gar militärische Unterstützung zu geben.

Deutschland Bundeskanzler Scholz Rede Zeitenwende
Gut ein Jahr liegt die "Zeitenwende"-Rede von Bundeskanzler Scholz jetzt zurückBild: Odd Andersen/AFP/Getty Images

Zugewandte Stimmung im Oval Office

Zwar gab es bei diesem Arbeitsbesuch keine Pressekonferenz, aber beim kurzen Foto-Termin mit Statement im Oval Office war zu spüren: Der Respekt, den die beiden Männer mittlerweile füreinander haben, ist aufrichtig; das Vertrauen ist da. Und das Signal in Richtung Russland eindeutig: Wir stehen zusammen eng an der Seite der Ukraine. Es dominiert das Bewusstsein, dass die westliche Allianz kein Selbstläufer ist. Kräfte nicht nur aus Russland, sondern zunehmend auch aus China zerren kräftig an diesem Bündnis.

Und auch der Globale Süden entdeckt seine Kräfte im Ringen um eine neue Weltordnung und stellt die massive militärische und finanzielle Unterstützung der Ukraine immer lauter in Frage. Zwar wurde die Resolution der UN-Generalversammlung in der vergangenen Woche, die den russischen Angriffskrieg verurteilt und Putin zum Abzug aus der Ukraine aufruft, noch mit großer Mehrheit verabschiedet. Aber es scheint trotzdem nur eine Frage der Zeit, wann erste Länder abspringen und eine neue Nähe zu China und Russland suchen.

Unterschiede in der China-Politik

Entsprechend dürfte auch die China-Politik beider Länder eine Rolle gespielt haben in dem Zweier-Gespräch hinter verschlossenen Türen. Denn hier gibt es grundsätzliche Unterschiede. Während der amerikanische Präsident einen zunehmend härteren Kurs fährt und auch auf wirtschaftliche Sanktionen setzt, will der deutsche Kanzler weiter abwarten und hofft noch darauf, dass China sich nicht dafür entscheidet, Waffen an Russland zu liefern. China ist weiterhin Deutschlands wichtigster Handelspartner. Der Gedanke daran, das chinesische Geschäft zu verlieren, löst nicht nur bei deutschen Autobauern Überlebensängste aus. Olaf Scholz ist kein Mann der großen, lauten Gesten. Für den Erfolg, den USA die Zusage abgerungen zu haben, auch ihre Abrams-Panzer in die Ukraine zu liefern, lässt er sich nicht feiern. Dafür wird er mithin kritisiert im eignen Land. Hier in den USA öffnet diese leise Haltung eher Türen. Olaf Scholz weiß um die nach wie vor große Abhängigkeit von der militärischen Unterstützung der USA. Und dass es noch viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauert, bis Europa in der Lage ist, einem Aggressor wie Wladimir Putin eigenständig Paroli zu bieten. In Joe Biden hat er einen US-Präsidenten, der seine vorsichtig abwägende Art Politik zu machen versteht und akzeptiert.

VW in China
Auf China als Handelspartner können und wollen viele deutsche Unternehmen nicht mehr verzichtenBild: picture-alliance/dpa/O. Spata
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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl
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