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Schröder hat Vertrauensfrage erfolgreich verloren

1. Juli 2005

Schröders Strategie ist aufgegangen. Die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten hat dem Kanzler ihr Misstrauen ausgesprochen - nach einem verbalen Schusswechsel zwischen Koalition und Opposition.

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Der Kanzler vertraute auf das MisstrauenBild: AP

151 Abgeordnete haben für Kanzler Gerhard Schröder gestimmt, fast doppelt so viele (296) gegen ihn - die Nein-Stimmen entsprechen in etwa dem Anteil von CDU und FDP (294). 148 Parlamentsmitglieder enthielten sich. Damit hat Schröder wie geplant die nötige Mehrheit von 301 Stimmen verfehlt. Im Anschluss bat er Bundespräsident Horst Köhler darum, den Bundestag aufzulösen. Eine Viertelstunde hielt sich Schröder im Schloss Bellevue, dem Präsidentensitz, auf. Unklar ist, wie lange Köhler für eine Entscheidung braucht.

"Neue Legitimation"

Vor der Abstimmung erklärte Bundeskanzler Gerhard Schröder den Abgeordneten, warum er die Zeit für ein Misstrauensvotum für gekommen hielt. Nach den Landtagswahlen in NRW sei die Handlungsfähigkeit nicht mehr gesichert gewesen. Die SPD habe seit dem Beschluss der Agenda 2010 bei allen Landtagswahlen Stimmen verloren, in vielen Fällen die Regierungsbeteiligung. "Das war ein hoher Preis, den wir zu zahlen hatten", sagte Schröder.

Für seine Reformpolitik brauche er eine neue Legitimation durch die Wähler. Der gewählte Weg zur Auflösung des Bundestages sei überzeugend und verfassungsrechtlich korrekt.

Angela Merkel (CDU) erklärte, Schröder habe nun endlich den Weg für nötige Neuwahlen freigemacht. Seine Politik sei ein ständiges Nachbessern und bloßes Ankündigen gewesen. Merkel löste wegen mehrerer Versprecher in den eigenen Reihen zunächst keine spontane Begeisterung aus.

"Fingiert" und "Heuchelei"

Dagegen kritisierten mehrere Parteien erneut das Vorgehen des Kanzlers. "Was hier abläuft, ist eine fingierte, eine unechte Vertrauensfrage", sagte der Grünen-Abgeordnete Werner Schulz zum Kanzler. "Sie wollen gar nicht nicht, dass man Ihnen das Vertrauen ausspricht, Sie wollen verlieren ... aber was ist das für ein Kanzler, der das Selbstvertrauen verloren hat." Auch FDP-Chef Guido Westerwelle stellt den Sinn der Vertrauensfrage in Zweifel: "Wenn einige Ihnen heute das Vertrauen aussprechen, obwohl sie die Politik jahrelang bekämpft haben, ist die eigentliche Heuchelei des Tages."

Schlagabtausch

Opposition und Noch-Regierungskoalition nutzten die Aussprache für gegenseitige Abrechnungen. "Mit einem solchen Haufen wie Ihnen kann man nicht regieren", schimpfte CSU-Fraktionschef Michael Glos in Richtung SPD und Grüne. Joschka Fischer habe "Europa mit an die Wand gefahren" und sei schuld am schlechten Verhältnis zu den USA. Die SPD stehe vor einem Scherbenhaufen, Schröder habe die Volkspartei SPD zertrümmert.

Der SPD-Fraktionvorsitzende Franz Müntefering warf den Christdemokraten Blockadehaltung vor: "Ihre Mehrheit im Vermittlungsausschuss nutzen Sie vor allem für eins: verschieben, verschieben, verschieben, Politik verhindern und verschleppen." Und Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hielt Merkel vor, sie sei als potenzielle Kanzlerin auch nicht fähiger als Schröder: "Sie kommen mir vor wie ein wunderbares Soufflé im Ofen. Mal sehen, was übrigbleibt, wenn der Souverän da reinpiekst." Gesine Lötsch von der PDS, deren Rede ursprünglich nicht auf der Tagesordnung stand, erklärte ebenfalls, Merkel sei keine Alternative zur jetzigen Regierung: "Sie wird die gescheiterte neoliberale Politik der fortsetzen - und genauso scheitern."

Arbeit fürs Verfassungsgericht

Ob es nach dem Misstrauensvotum zu Neuwahlen kommt, ist noch nicht endgültig sicher, weil einige Abgeordnete - darunter auch Werner Schulz - vorm Bundesverfassungsgericht gegen die Auflösung klagen wollen. Bei der Überprüfung, ob die Vertrauensfrage wirklich begründet ist und die Mehrheit Schröder tatsächlich nicht mehr vertraut, könnte ein Satz von Franz Müntefering noch problematisch werden: "Der Bundeskanzler hat weiter das Vertrauen der SPD-Bundestagsfraktion. Wir wollen ihn weiter als Bundeskanzler haben." Bis zur Entscheidung wird es noch dauern. (reh)