1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schulterschluss mit Assad auf dem Golan

Kate Shuttleworth / bh6. September 2014

Islamisten und die syrische Armee liefern sich schwere Kämpfe an der Grenze zu Israel, auf den Golanhöhen. Das bewegt Israel, mit dem Assad-Regime zu kooperieren und erste Flüchtlinge aus dem Nachbarland aufzunehmen.

https://p.dw.com/p/1D89C
Grenzgebiet Syrien/Israel, Golanhöhen (Foto: DW/Shuttleworth)
Bild: DW/K.Shuttleworth

Die Erstürmung des Grenzübergangs Kuneitra vor gut zehn Tagen haben die Auswirkungen, die der Krieg in Syrien auf Israel hat, erheblich verschärft. Kämpfer der islamistischen Nusra-Front, des al-Kaida-Ablegers in Syrien, hatten die Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad vertrieben und 43 UN-Blauhelmsoldaten entführt. Die Islamisten näherten sich damit bis auf wenige Meter den israelischen Stellungen und zwangen Israel, den Übergang zu schließen und Bauern von den umliegenden Feldern nach Hause zu schicken.

Anzeichen für heftige Kämpfe zwischen der Nusra-Front und der syrischen Armee ließen sich vom UN-Stützpunkt in der demilitarisierten Zone der Golanhöhen beobachten. Gewaltige Explosionen hallten über das Ackerland, gefolgt von Maschinengewehrfeuer, während die DW-Reporterin die syrisch-israelische Grenze in der Nähe des Grenzübergangs Kuneitra besuchte. Die Detonationen erschütterten die seit dem Sechstagekrieg verlassene Stadt Kuneitra.

"Es ist im israelischen Interesse, dass Assad den Grenzübergang Kuneitra wieder kontrolliert", sagt Kobi Marom, Reservist des israelischen Armee und wissenschaftlicher Mitarbeiter am International Institute for Counter-Terrorism in Herzliya, einer Denkfabrik zur Terrorismusbekämpfung. "Wenn Sie sich die Umfragen anschauen, dann bevorzugen Israelis jetzt Assad gegenüber der Bedrohung durch radikale Islamisten."

Kobi Marom, Grenzgebiet Syrien/Israel, Golanhöhen (Foto: DW/Shuttleworth)
Kobi Marom: "Assad den Vorzug geben"Bild: DW/K.Shuttleworth

Vereinte Kräfte

In den kommenden Tagen werden die Kämpfe zwischen Assads Truppen und den Islamisten eskalieren, glaubt Marom. Er prophezeit, dass Assad mit Hilfe der Elitekämpfer der libanesischen Hisbollah-Miliz die syrische Seite des Kuneitra-Übergangs zurückerobern wird. "Die Attacken des 'Islamischen Staates' in Syrien und dem Irak haben die Perspektive der Akteure verändert - auch die Sichtweise der internationalen Gemeinschaft", fügt er hinzu.

Israel hat durchblicken lassen, dass es eine direkte Kooperation mit Assads Truppen gibt, aber es vermeidet, das laut zu sagen. Marom vermutet, dass Israel mit dem syrischen Regime zusammengearbeitet hat, um die Luftschläge auf Kuneitra zu koordinieren. Als die Kämpfe jedoch eskalierten, griff Israel am Donnerstag auch Stellungen der syrischen Armee an - eine klare Warnung, dass es Zufallstreffer aus Syrien nicht hinnimmt.

Bedrohte Drusen

Bisher hat Israel sich weitgehend geweigert, Syrer aufzunehmen, die der Krieg vertrieben hat. Nachbarstaaten wie der Libanon, Syrien und die Türkei haben die Last der mittlerweile drei Millionen Flüchtlinge geschultert. Allerdings hat Israel einige wenige Syrer in seinen Krankenhäusern behandelt - und sie nach Syrien zurückgeschickt, sobald sie wieder gesund waren.

Doulan Abu Saleh, Bürgermeister von Majdal Shams, Grenzgebiet Syrien/Israel, Golanhöhen (Foto: DW/Shuttleworth)
Erwartet Flüchtlinge: Doulan Abu SalehBild: DW/K.Shuttleworth

Aber es gibt Anzeichen, dass die Politik sich ändern könnte. Mitarbeiter der israelischen Armee hätten angeordnet, dass er sich auf die Ankunft von geflüchteten syrischen Drusen vorbereiten solle, sagte Doulan Abu Saleh zur DW. Abu Saleh ist der Bürgermeister von Majdal Shams, mit 20.000 syrischen Drusen die größte drusische Stadt auf den von Israel besetzten Golanhöhen. Die ersten Flüchtlinge erwarte er aus syrischen Grenzorten wie Hadar, das in der UN-Pufferzone liegt, just außerhalb der besetzten Gebiete auf den Golanhöhen, so Abu Saleh.

Das Leben in der überwiegend drusischen Gemeinde ist immer gefährlicher geworden, seit die Rebellen die Kontrolle übernommen haben. Drusen aus Hadar greifen schon zu Waffen, um sich gegen Nusra-Front-Kämpfer zu verteidigen. "Manchmal sprechen wir mit unseren Verwandten auf der anderen Seite, in Syrien, und wir hören, unter welchem Druck sie stehen und dass einige unserer drusischen Brüder gefallen sind", so Abu Saleh.

Überdachte Beziehungen

Bis zu 400.000 Syrer könnten von den Golanhöhen vertrieben worden sein, schätzt Crystal Plotner von Al-Marsad, einer Menschenrechtszentrum auf dem Golan. "Indem es die syrischen Flüchtlinge aufnimmt, hat Israel die Gelegenheit, die Voraussetzungen für bessere Beziehungen zu seinem belagerten, aber einflussreichen Nachbarn zu schaffen", sagte Plotner der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Situation an der Grenze verändert sich rasant, erklärte Avi Melamed, Geheimdienstexperte des Eisenhower Institute am Gettysburg College, Washington, und früher israelischer Geheimdienstmitarbeiter, gegenüber der DW. "Es ist erstaunlich, wie unberührt Israel geblieben ist, wenn man den enormen Zustrom von Flüchtlingen in die Nachbarstaaten betrachtet. Das ist ein Wunder. Und das könnte sich morgen früh ändern." Laut Melamed hat Assad Kommunen auf der israelischen Seite unterstützt, von denen bekannt war, dass sie sich für syrische Minderheiten wie Christen, Kurden und Drusen eingesetzt haben. Assad ist für Israel, so Melamed, "der beste der Teufel".

Grenzgebiet Syrien/Israel, Golanhöhen (Foto: DW/Shuttleworth)
Bisher galten die Golanhöhen als stabilBild: DW/K.Shuttleworth

In der Vergangenheit haben Bewohner aus Majdal Shams den Kuneitra-Grenzposten nach Syrien passiert. Die meisten waren Studenten aus Familien auf der israelisch besetzten Seite, die nach Damaskus zum Studieren gereist sind. Israel hat die Goloanhöhen 1967 erobert und später annektiert. Dieser Schritt ist international nie anerkannt worden. 1974 hat Israel mit Syrien eine Waffenstillstandsvereinbarung unterzeichnet, die die UN seitdem überwachen. In der Region hat es immer Spannungen gegeben, sie galt aber als stabil.