GroKo: Schulz für "mutigen Entwurf"
29. November 2017Weder stehen Maschinen still, noch hören Schornsteine auf zu rauchen, nur weil Deutschland zwei Monate nach der Wahl noch keine neue Regierung hat. Der deutschen Wirtschaft geht es gut, sie wächst das achte Jahr in Folge. Darauf sind die Arbeitgeber stolz, die sich in Berlin zu ihrer traditionellen Jahrestagung trafen - allerdings in sicherer Distanz vom Regierungsviertel, wo am Donnerstagabend der nächste Akt des Dramas "Deutschland sucht eine neue Regierung" aufgeführt wird: Dann trifft sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit den Parteichefs von CDU, CSU und SPD, den bisherigen und vermutlich künftigen Regierungsparteien.
Nachdem die Sozialdemokraten Gespräche über eine Neuauflage der großen Koalition zunächst abgelehnt hatten, sind sie nun doch dazu bereit. Auf dem Deutschen Arbeitgebertag in Berlin umriss SPD-Chef Martin Schulz seine Erwartungen: Deutschland brauche nicht nur Verlässlichkeit und Stabilität, sondern auch einen "mutigen Entwurf für die Zukunft". Es reiche nicht, "auf Sicht zu fahren", mahnte Schulz, ohne Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Namen zu nennen. Die deutsche Politik müsse sich "vom Klein-Klein und von taktischen Tricks lösen".
SPD in der Zwickmühle
Was genau er anstrebt, beschrieb der SPD-Chef so: Deutschland brauche eine "geordnete Zuwanderung", gesteuert durch ein Einwanderungsgesetz, ein besseres Bildungswesen und einen gerechten Arbeitsmarkt. Männer und Frauen müssten gleich viel verdienen und Arbeitnehmer in sozialen Berufen besser bezahlt werden. Das sei "keine Sozialromantik", betonte Schulz, der seine Partei lieber in der Opposition sähe, sich vom Bundespräsidenten aber überreden ließ, sich zumindest auf Gespräche einzulassen.
Die SPD sei sich ihrer "staatspolitischen Verantwortung" bewusst, beteuerte Schulz, der weiß, dass viele SPD-Mitglieder einer großen Koalition höchst skeptisch gegenüberstehen. Sie fürchten, dass die SPD von den Unionsparteien an die Wand gedrückt werden und in der Wählergunst noch weiter absinken wird. Auf diesem schmalen Grat wandert der SPD-Vorsitzende nun, der sich auf dem Parteitag in der kommenden Woche zur Wiederwahl stellt. "100 Prozent bekomme ich nicht mehr", erklärte Schulz in Anspielung auf sein letztes Wahlergebnis. Und was das Bonmot angehe, das Amt das SPD-Chefs sei "das schönste Amt neben dem Papst": "Der Papst hat es schwer, aber nicht so schwer wie ich."
Stabile Mehrheiten gesucht
Diese Worte konnte Bundeskanzlerin Angela Merkel, eigentlich Stammgast auf dem Arbeitgebertag, nicht hören, denn sie weilt diesmal auf dem EU-Afrika-Gipfel. Per voraufgezeichneter Videobotschaft versprach sie, sie werde dafür eintreten, dass die Lohnzusatzkosten unter der Marke von 40 Prozent bleiben - eine zentrale Forderung der Unternehmer.
Für die CDU war Armin Laschet erschienen, der Ministerpräsident des wichtigen Industriestandorts Nordrhein-Westfalen. Dort regiert Laschet zusammen mit der FDP, die er auch im Bund gerne an der Regierung gesehen hätte. Dass eine schwarz-gelb-grüne Koalition nicht zustande bekam, bedauert Laschet, dessen Vorfreude auf Gespräche mit der SPD sich in Grenzen hält: Die würden vermutlich schwieriger werden als die Jamaika-Sondierungen. Von einer Minderheitsregierung hält er aber nichts: "Wir brauchen eine starke Regierung." Es sei nur schwer vorstellbar, dass eine Bundesregierung auf einem Europäischen Rat in Brüssel eine Zusage mache und sich danach eine Mehrheit dafür im Bundestag suchen müsse.
Mahnungen der Arbeitgeber
Auch für die Wirtschaft sei es wichtig, dass sie planen könne. Dazu brauche es eine Regierung mit klarer Mehrheit. Das sehen auch die Arbeitgeber so, die vom Schwebezustand seit der Bundestagswahl alles andere als begeistert sind. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer las den Parteien die Leviten: "Notwendige Kompromisse zu verweigern oder eine Regierungsbeteiligung generell einfach auszuschließen, ist nicht gut für unser Land." Politiker müssten einen respektvollen Umgang miteinander pflegen, stattdessen habe er während der Jamaika-Sondierungen "unerträgliche persönliche Angriffe in laufende Kameras und Mikrofone" wahrgenommen.
Von den Parteien erwarte er, dass sie nicht nur an ihre eigene Klientel, sondern an das Wohl des Landes dächten. Als Vorbild empfahl der Unternehmer Kramer der Politik die Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern: Auch zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften lägen die Positionen oft sehr weit auseinander, und trotzdem kämen regelmäßig Lösungen zustande. Genau diese Kompromissbereitschaft sei eine Stärke der deutschen Volkswirtschaft. "Das können wir auch von der Politik verlangen", mahnte der Arbeitgeberpräsident.