1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Waffen - kein Spielzeug

Karin Jäger12. Februar 2013

Noch im Februar will das Bundesverfassungsgericht über ein härteres Waffenrecht entscheiden. Denn auch normale Sportwaffen können Menschen töten. Eine Initiative hat gegen das bestehende Recht Beschwerde eingelegt.

https://p.dw.com/p/17Yu3
Ein uniformierter Mann hält eine Heckler & Koch G36-Waffe im Anschlag. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Roman Grafe möchte sich nicht damit abfinden, dass in Deutschland Menschen mit Sportwaffen erschossen werden. Auf einer Deutschlandkarte hat er eine Grafik erstellt, um das ganze Ausmaß aufzuzeigen: Jeder Mensch, der seit 1991 mit einer Sportwaffe getötet wurde, ist darauf mit einem Kreuz dokumentiert. Insgesamt mehr als 130.Besonders viele Kreuze umgeben Winnenden und Erfurt: Am Gymnasium der thüringischen Landeshauptstadt erschoss am 26. April 2002 ein 19-Jähriger zwölf Lehrer, eine Sekretärin, zwei Schüler, einen Polizisten und anschließend sich selbst. Der Schütze war Mitglied in einem Schützenverein. Er verfügte über eine Waffenbesitzkarte, konnte legal Waffen und Munition kaufen.

Roman Grafe, Sprecher der Initiative "Mordwaffen als Sportwaffen". (Foto: Siedler-Verlag)
Roman Grafe, Sprecher von "Mordwaffen als Sportwaffen"Bild: Siedler-Verlag

Nach dem Massaker wurde das Waffenrecht geändert. Seither dürfen Sportschützen nicht mehr mit 18, sondern erst mit 21 Jahren ein Gewehr oder eine Pistole erwerben oder besitzen. Jäger müssen jetzt volljährig sein. Unter 25-Jährige ambitionierte Sportschützen müssen vor dem Erwerb scharfer Waffen ihre charakterliche Eignung in einem amtsärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnis nachweisen.

Die Sportwaffe ist und bleibt ein Mordinstrument

Sportschütze war auch der Vater des 17-Jährigen, der an seiner ehemaligen Schule in der schwäbischen Stadt Winnenden im März 2009 neun Schüler und drei Lehrerinnen erschoss. Auf der Flucht tötete er drei weitere Menschen, ehe er sich selbst das Leben nahm. Der Amokläufer hatte von seinem Vater das Schießen gelernt und ihm die Tatwaffe problemlos entwenden können.

Absperrband und dahinter steht ein Polizist. Am 11.März 2009vor der Albertville- Realschule in Winnenden bei Stuttgart. (Foto: AP/Thomas Kienzle)
Absperrung nach dem Amoklauf in WinnendenBild: picture-alliance/dpa

Nach der Tat gründete sich die Initiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen!", deren Sprecher Roman Grafe ist. Sie legte vor zweieinhalb Jahren Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. In der Klage wird gerügt, dass das deutsche Waffengesetz Amokläufe begünstige. Der legale Besitz tödlicher Waffen zum Zweck des Schießsports stelle ein nicht hinnehmbares Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung dar. Die Gefahrenlage durch tödliche Sportwaffen sei letztlich unbeherrschbar, beklagt Roman Grafe. Und selbst der Bundestrainer der erfolgreichen Biathletinnen, Ricco Groß, antwortet auf die Frage: "Was könnte man mit einem Biathlongewehr erlegen?" mit: "Wenn man nah genug dran ist - alles."

Wo Waffengesetze geändert wurden

Aussagen wie diese und jeder Amoklauf bestätigen Roman Grafe in seiner Forderung, eine Verschärfung des deutschen Waffengesetzes durchzusetzen. Im Gespräch mit der Deutschen Welle verweist er auf Länder wie Japan und Großbritannien. In England und Wales ist der private Besitz von Revolvern und Pistolen verboten, seit 1998 ein Mann 16 Kinder an einer Grundschule erschoss. Und in Japan dürfen Bürger nur mit einer Lizenz ausschließlich Waffen zum Zwecke der Jagd besitzen.Seit in Brasilien ein zentrales Waffenregister eingeführt wurde, sank die Zahl der Opfer, die durch Schussverletzungen starben. Auch in Deutschland werden die bislang 5,5 Millionen Waffen, die sich legal in Privatbesitz befinden, seit Januar in einem zentralen Register dokumentiert - eine Konsequenz des Amoklaufs von Winnenden. Nicht die Politiker von Bundesländern und Bund, sondern die Europäische Union in Brüssel hatte auf eine solche EU-Richtlinie gedrungen.

Baden-Wuerttemberg/ ARCHIV: Verschiedene Waffen, darunter zwei Pistolen, ein Revolver, eine Pumpgun sowie eine Maschinenpistole liegen in Karlsruhe bei einer Pressekonferenz zum Stand der Ermittlungen gegen die rechtsextreme Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) auf einem Tisch (Foto vom 01.12.11). Ermittler von Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt (BKA) durchsuchen seit Mittwochmorgen (25.01.12) in Sachsen die Wohnungen von vier mutmasslichen Unterstuetzern der Zwickauer Neonazi-Terrorgruppe. Zudem wuerden zwei Geschaeftslokale eines der Beschuldigten in Sachsen sowie drei weitere Wohnungen in Thueringen und Baden-Wuerttemberg durchsucht, teilte die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit. Ziel der Razzia sei es, "weitere Erkenntnisse ueber das Unterstuetzerumfeld" der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) und zur Herkunft der Waffen des NSU zu gewinnen. (zu dapd-Text)
Verboten und umstritten: Pumpgun, Pistolen und GewehrBild: dapd

Doch bei den meisten Sportschützen kontrolliert bis heute niemand, ob Waffen und Munition getrennt voneinander aufbewahrt werden oder Erwachsene den Schlüssel des Waffenschrankes sicher vor Minderjährigen verstecken.

Amokläufe lassen sich durch eine Gesetzesänderung nicht verhindern

Dass die Richter in Karlsruhe der Verfassungsbeschwerde stattgeben und das Waffenrecht verschärfen werden, glaubt Jürgen Kohlheim, Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes, nicht: "Wir haben die Verschärfungen des Waffenrechts nach Winnenden mitgetragen.Wir sehen an dieser Stelle keine Stellschraube mehr, an der man sinnvollerweise waffenrechtliche Regelungen treffen könnte, um solche furchtbaren Ereignisse zu verhindern." Außerdem sei es Aufgabe des Gerichts zu überprüfen, ob die vorhandenen gesetzlichen Regelungen mit der Verfassung, dem Grundgesetz, übereinstimmen.

Jürgen Kohlheim, Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes. (Foto: privat)
Jürgen Kohlheim, Vizepräsident des Deutschen SchützenbundesBild: Jürgen Kohlheim

Amokläufe seien Ausdruck eines gesellschaftlichen Problems, argumentiert Kohlheim gegenüber der DW. "Ich kann überhaupt nicht erkennen, welche wie auch immer geartete Änderung im Waffenrecht an dem Geschehen etwas geändert hätte", sagte der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nach der Tat in Winnenden. In diesem Punkt waren sich Spitzenpolitiker von CDU/ CSU, FDP und SPD einig wie selten. GRÜNE und Linkspartei hatten sich für wirksame Verschärfungen ausgesprochen.  

Keine Alternative zu scharfer Munition?

Keine Alternative ist für den Sportschützen Kohlheim, künftig mit Laserlicht statt mit Patronen die Treffer zu markieren: "Der Schießsport lebt ja gerade von den unterschiedlichen Anforderungen. Sie sehen das beim Biathlon, wenn die Windfähnchen wehen und die Trefferlage sich ändert." Ein Lichtstrahl komme immer an, der sei unabhängig vom Wind, physikalisch immer gerade. Und wenn der Schütze das Ziel anvisiert habe, trifft er immer. Außerdem verweist Kohlheim auf die Tradition des Schießsports in Deutschland. Im frühen 19. Jahrhundert gründeten Kriegsveteranen und wehrhafte Männer Schützenvereine, Brüderschaften und Kameradschaften, die bis heute Bestand haben.

Für Beschwerdeführer Roman Grafe und seine Mitstreiter der Initiative "Keine Mordwaffen als Sportwaffen!" zählt auch das Argument nicht. Er fordert, dass das Recht auf Leben gemäß Artikel 2 des Grundgesetzes gegenüber dem Recht auf freie Ausübung des Schießsports mit tödlichen Waffen überwiegt. Ein solches Urteil wäre für ihn wie ein Volltreffer für Sportschützen. Das Bundesverfassungsgericht hat angekündigt, bis Ende Februar in der Sache zu entscheiden.