Schwarze Liste für Journalisten in der Türkei?
26. April 2016Nach wiederholten Einreiseverboten für ausländische Reporter hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz das Verhalten der türkischen Regierung deutlich kritisiert. "Listen mit Journalistennamen haben in Demokratien nichts zu suchen", sagte der SPD-Politiker der "Bild"-Zeitung. Sollten die dortigen Behörden tatsächlich Schwarze Listen mit den Namen unerwünschter Reporter führen, müssten diese offengelegt werden. Ähnlich äußerte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete und Außenexperte Karl-Georg Wellmann in der "Bild"-Zeitung.
Ankara lässt zahlreiche Reporter erst gar nicht ins Land
In jüngster Zeit hatten diverse Medienvertreter das rigorose Vorgehen der türkischen Behörden zu spüren bekommen. Erst am Montag war dem US-Journalisten David Lepeska die Einreise verweigert worden. Am vergangenen Samstag hinderten Sicherheitskräfte den für "Bild" arbeitenden griechischen Foto-Reporter Giorgos Moutafis nach der Landung in Istanbul ohne Begründung am Weiterflug und wiesen ihn aus. Sein Name stehe auf einer Liste, hieß es lapidar.
Wegen einer Kolumne zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wurde die niederländische Journalistin Ebru Umar vorübergehend festgenommen. Der ARD-TV-Korrespondent Volker Schwenck musste kürzlich eine Nacht im Abschieberaum des Flughafens Istanbul verbringen. Die Türkei ließ ihn nicht einreisen, weil er im türkisch-syrischen Grenzgebiet mit Flüchtlingen sprechen wollte.
Wie die "Bild"-Zeitung weiter schreibt, hat das Auswärtige Amt nach eigenen Angaben keinerlei Kenntnis von sogenannten Schwarzen Listen. "Die Bundesregierung erwartet, dass deutsche Journalisten in der Türkei ihrer Aufgabe ungehindert nachgehen können", sagte ein Sprecher dem Blatt.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) verlangte von Außenminister Frank-Walter Steinmeier Auskunft über die vermeintlichen Listen. Der DJV-Vorsitzende Frank Überall forderte Steinmeier in einem Offenen Brief auf, bei den türkischen Behörden tätig zu werden.
Aktuelle Stunde im Bundestag
Die Grünen beantragten eine aktuelle Stunde im Bundestag zum "Umgang mit der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei". Diese Rechte würden immer weiter eingeschränkt, begründete die Parlamentarische Geschäftsführerin der Partei, Britta Haßelmann die Entscheidung. Kritik an Erdogan führe zu Repressionen. Reporter würden abgewiesen, Zeitungen im Land unter staatliche Aufsicht gestellt.
Kritiker werfen Erdogan vor, das Recht auf freie Meinungsäußerung immer weiter einzuschränken. Seit seinem Amtsantritt als Präsident im Sommer 2014 sind in der Türkei rund 2000 Strafverfahren wegen mutmaßlicher Beleidigung des Staatsoberhauptes eingeleitet worden. Aber auch im Ausland versucht Ankara, kritische Äußerungen gegen Erdogan zu unterbinden. In Deutschland geht der Präsident mit juristischen Mitteln gegen das "Schmähgedicht" des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann vor.
se/as (rtr, afp, epd, bild)