Königin Silvia unterstützt Angela Merkel
18. September 2016Auf den ersten Blick könnte der Kontrast kaum schärfer sein: Auf dem harten Kopfsteinpflaster vor dem Stockholmer Stadtschloss harren seit Stunden mehr als 100 Flüchtlinge aus. Nicht weit davon, hinter den dicken Mauern des Schlosses, wohnen König Carl XVI. Gustav und Königin Silvia wohlbehütet und in prunkvollen Gemächern.
Draußen protestieren die Flüchtlinge gegen eine Verschärfung des Asylrechts, mit der das bisher unbegrenzte Aufenthaltsrecht für anerkannte Schutzsuchende auf drei Jahre begrenzt wurde. Auf ihren Plakaten geißeln sie das als „unfair“. Drinnen ist von den Protesten nichts zu spüren. Das königliche Leben scheint völlig unberührt davon seinen gewohnten Gang zu gehen.
Das Königspaar und die Flüchtlinge
Doch der Schein trügt. Die Flüchtlinge und das Königspaar liegen gar nicht soweit auseinander. Ja, es gibt sogar so etwas wie gegenseitige Empathie: Wertschätzung auf der einen und Mitgefühl auf der anderen Seite.
Er sei „frustriert und aufgebracht“ über das neue Gesetz, sagt Achmad, der vor einem Jahr aus Syrien nach Schweden kam. Doch von seiner Kritik nimmt er ausdrücklich das Könighaus und die “schwedischen Menschen“ aus. Die seien gastfreundlich. “Das Problem sind die Politiker, da läuft etwas falsch“, so Achmad.
Drinnen im Palast zeigt das Königspaar Emotionen: Helfen sei für ihn eine Herzenssache, sagt König Carl XVI. Gustav im Gespräch mit der Deutschen Welle und anderen deutschen Journalisten.
Wenn jemand wirklich in Not ist so wie die Flüchtlinge, die über das Wasser kamen und ihr Leben aufs Spiel setzten, dann müssen wir helfen“. Dabei greift er sich mit seiner Hand immer wieder aufs Herz und wiederholt: „Wir müssen erst einmal helfen, das ist das wichtigste, und danach kommt dann die Integration“. Als im letzten Jahr wöchentlich tausende von Flüchtlingen in das dünn besiedelte Land strömten, bot König Carl XVI. Gustav spontan an, seine Paläste für die Flüchtlinge zu öffnen.
Schweden und Deutschland
Zwei Wochen vor dem Staatsbesuch des Königspaars in Deutschland hat die schwedische Regierung deutsche Journalisten in den Palast eingeladen. Das Gespräch mit Carl XVI. Gustav und Silvia dreht sich über weite Strecken um die Flüchtlingskrise. Schweden hatte im vergangenen Jahr mehr als 160.000 Flüchtlinge aufgenommen. Die meisten pro Einwohner in Europa. Und auch in Schweden machen die Rechtspopulisten Front dagegen. Was in Deutschland die AfD ist, das sind hier die Schwedendemokraten.
“Die Herausforderungen des Flüchtlingsansturms sind für das Land enorm und natürlich kann auch der König die Probleme nicht auf die Schnelle lösen.
Ähnlich wie in Deutschland müssen in Schweden die Flüchtlinge lange warten, bevor sie Aufenthaltsrecht und Arbeitserlaubnis erhalten. Bei Achmad ist das schon fast ein Jahr. Arbeiten darf er in dieser Zeit nicht. Ihm bleibe nichts anderes, als in seiner Unterkunft vor den Toren Stockholms geduldig auszuharren. Sprachunterricht hat er in dieser Zeit nicht bekommen. “Schweden war bei der Immigration ein führendes Land. Nun muss man das überdenken", sagt er enttäuscht.
Drinnen im Palast verweist Königin Silvia darauf, dass es in Schweden eine lange Tradition der Einwanderung gibt. Die Menschen seien sehr hilfsbereit und aufgeschlossen. Sie selbst hat davon einst profitiert, als sie als Deutsche in das Land kam. Aber es gab einen Unterschied zu heute, so die Königin und zeigt lächelnd auf ihren Mann: “Ich hatte eine Einladung“. Außerdem sei die große Zahl der Flüchtlinge ein Problem.
Die Königin und die Kanzlerin
Das Gespräch kommt auf Deutschland und Angela Merkel. Das ist der Moment, an dem die sonst so vorsichtige Silvia ihre politische Zurückhaltung aufgibt und Partei ergreift für die deutsche Kanzlerin. Dabei dürfte ihr zweifellos bewusst sein, dass Merkels Mantra “Wir schaffen das“ in Deutschland umstritten ist. Aber es sei „in der christlichen Botschaft, dass man dem Nächsten hilft“, bekräftigt die Königin und sagt dann einen Satz, der empathischer - und politischer - kaum sein könnte: “Und auch wenn Frau Merkel sagt, das schaffen wir schon: Das sitzt in uns allen, dass man das wirklich gerne macht.“
So klar und wohlbegründet wie Silvia hat sich in letzter Zeit kaum noch jemand öffentlich auf die Seite der Kanzlerin geschlagen. Angela Merkel wird sich durch diesen unerwarteten Zuspruch in ihrem schwierigen Weg bestätigt fühlen. Auf das Aufeinandertreffen der beiden Frauen in Berlin darf man gespannt sein.