Schweres Geschütz gegen die Geier
15. August 2014Eigentlich wollte Cristina Fernández de Kirchner am Donnerstagabend (14.08.2014) nur ein neues Programm für den sozialen Wohnungsbau vorstellen. So etwas geschieht gewöhnlich mit großem Tamtam in der Casa Rosada, dem rosafarbenen Präsidentenpalast. Dorthin werden die Gäste einbestellt, die Claqueure der Parteijugend dürfen in den Innenhöfen jubeln, gerne wird der Auftritt per Zwangszusammenschaltung der TV- und Radiosender, der sogenannten cadena nacional, ins ganze Land übertragen.
Merkwürdige "Express-Pleite"
Dieses Mal verzichtete Argentiniens Präsidentin auf die cadena nacional - obwohl sie viel zu sagen hatte: Politiker und Ökonomen, die ihre Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft nicht teilen, wurden mit scharfen Worte zurechtgewiesen. Seinen Höhepunkt schließlich fand der aggressive Auftritt, als die Präsidentin verkündete, ihre Regierung werde auf der Grundlage des Antiterror-Gesetzes gegen eine US-Firma vorgehen, deren argentinische Niederlassung gerade Bankrott angemeldet hat.
"Damit wollen sie die wirtschaftliche und finanzielle Ordnung des Landes beschädigen und Terror in der Bevölkerung säen", begründete Cristina Fernández de Kirchner diesen Schritt. Die Filiale der weltweit aktiven Druckerei R.R. Donnelley hatte letzte Woche völlig überraschend ihre Pleite verkündet und 400 Mitarbeiter fristlos entlassen. Dabei hatte es das Unternehmen geschafft, sich innerhalb von zwei Werktagen eine richterliche Zustimmung zu der Maßnahme zu beschaffen - "eine Express-Pleite", wie die Präsidentin ätzte.
Zusammenhang mit den Hedgefonds?
Das Anti-Terrorgesetz wurde 2011 erlassen und ist bis in regierungtreue Kreise hinein hoch umstritten: Kritiker befürchten eine willkürliche Anwendung, um soziale Proteste zu unterdrücken. Ende 2013 hatte ein Staatsanwalt in der Provinz Santiago del Estero versucht, das Gesetz gegen einen Journalisten anzuwenden, dessen Artikel angeblich für "soziale Instabilität" gesorgt hatten. Die Anklage wurde dann aber fallengelassen.
Die ungewöhnliche Maßnahme zeigt, dass es offenbar um viel mehr geht als um die Entlassung von 400 Mitarbeitern: Die Präsidentin stellte einen direkten Zusammenhang zwischen dem Druckunternehmen und den Hedgefonds her, mit denen Argentinien seit Jahren einen bizarren Rechtsstreit führt. Vor zwei Wochen ist das Land verurteilt worden, die Forderungen der Fonds aus der argentinischen Staatspleite von 2002 zahlen. Seitdem ist Argentinien technisch zahlungsunfähig.
Schuld sind immer die Anderen
Dem regierungsnahen Finanzportal ambito.com zufolge halten Investoren, die auch mit einem der Hedgefonds zusammenarbeiten, Anteile an R.R. Donnelley. Cristina Kirchner behauptet, der Präsident des Fonds Elliott Management Corporation versuche nun mit der Pleite der Druckerei, Argentinien und seine Wirtschaft zu destabilisieren. Beweise hat die Präsidentin nicht, die Geschichte passt aber hervorragend zu ihrer Theorie: Wenn es der argentinischen Wirtschaft schlecht geht, sind die (von ihr so genannten) "Geierfonds" oder ausländische Kräfte am Werk.
Damit versucht die Regierung seit Monaten, die Bevölkerung auf die Probleme vorzubereiten, die aus der Zahlungsunfähigkeit entstehen. Gleichzeitig ist die Drohung mit dem Anti-Terrorgesetz eine klare Ansage an Unternehmer, die darüber nachdenken, aufgrund der schlechten Wirtschaftslage Mitarbeiter zu entlassen. Genau damit allerdings rechnen alle Experten - sogar die nicht unbedingt regierungskritische ehemalige Präsidentin der Zentralbank, Mercedes Marcó del Pont: "Ich kann nicht ausschließen, dass auch das nächste Halbjahr so wird wie das aktuelle, mit Wachstumsproblemen bei einigen Unternehmen und weiteren Entlassungen."
Noch mehr staatlicher Einfluss
Selbst der Vizepräsident des Arbeitgeberverbandes UIA, José Urtubey, findet die Umstände der Donnelley-Pleite merkwürdig: Schließlich habe das Unternehmen vorher nie über Schwierigkeiten gesprochen: "Die Pleite muss von der Justiz untersucht werden. Der Druckindustrie geht es nicht so schlecht, dass sie zu einer derartigen Schließung mit Entlassungen greifen muss." Klar ist aber auch, dass die Regierung Kirchner in den kommenden Monaten mit allen Mitteln versuchen wird, den Einfluss des Staates auf die Privatwirtschaft auszuweiten – und sei es mit Anti-Terrorgesetzen.