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Schweres Jahr startet mit schwachem BIP

29. April 2022

Die deutsche Wirtschaft ist zu Beginn des Jahres nur leicht gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt erhöhte sich im ersten Quartal um 0,2 Prozent. Gleichzeitig wachsen die Gefahren für die Konjunktur weiter.

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Berlin - Dunkle Wolken über dem Alexanderplatz
Bild: Jens Kalaene/dpa/picture alliance

Trotz der Corona-Krise ist die deutsche Wirtschaft zum Jahresstart 2022 leicht gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt stieg zwischen Januar und März um 0,2 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Ökonomen hatten nur mit 0,1 Prozent Wachstum gerechnet. Die Wirtschaft verhinderte damit das Abrutschen in eine Rezession. Denn Ende 2021 war das BIP noch um 0,3 Prozent gefallen.

Die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges bremsen die Aussichten für das Gesamtjahr: Energie hat sich sprunghaft verteuert, Lieferengpässe haben sich verschärft. Wirtschaftsforschungsinstitute und Bank-Ökonomen senkten nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar reihenweise ihre Konjunkturprognosen. Auch in der Eurozone lag der Zuwachs im ersten Quartal bei 0,2 Prozent, wie wie das Europäische Statistikamt Eurostat am Freitag mitteilte.

Ein halbvolles Glas?

Für den Ökonomen Alexander Krüger von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe sind die Zahlen des Bundesamtes alles andere als eine gute Nachricht: "Angesichts der globalen Gemengelage ist das Mini-Wachstum noch freundlich ausgefallen."

Er sieht die deutsche Wirtschaft vor einem sehr schweren Jahr: "Die exportabhängige Wirtschaft kommt aber weiter nicht vom Fleck. Der Ukraine-Krieg wird noch anhalten, und die Rückkehr der Corona-Pandemie in China bedeutet neues Ungemach für Lieferketten. Die hierzulande entfallenden Corona-Beschränkungen werden das nicht auf fangen, auch staatliche Hilfen nicht. Es sieht stark danach aus, dass die Wirtschaftsleistung im laufenden Quartal sinken wird."

Für den Chefökonomen von Union Invest sieht der Konjunkturhimmel nicht ganz so dunkel aus: "Das Glas ist nicht nur halbleer, sondern auch halbvoll. Angesichts des Krieges hätte es schlimmer kommen können. Geholfen hat, dass das Infektionsgeschehen im Laufe des Quartals in die endemischen Phase übergangenen ist, und sich die Lieferengpässe bis zum Kriegsbeginn weiter aufgelöst hatten."

Das Vor-Corona-Niveau noch nicht erreicht

Nach dem Konjunktureinbruch im Corona-Jahr 2020 hatte die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr wieder Tritt gefasst und war um 2,9 Prozent gewachsen, so das Statistische Bundesamt. Das Wachstum fiel damit allerdings geringer aus als zunächst erhofft. Lieferengpässe und Materialknappheit belasteten vor allem die Industrie.

Wie die Statistiker weiter ausführten, lag die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal um 0,9 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau vom vierten Quartal 2019. Im Vorjahresvergleich war das BIP preisbereinigt 4,0 Prozent höher als im ersten Quartal 2021, in dem die deutsche Wirtschaft von den Auswirkungen der zweiten Welle der Pandemie getroffen worden war.

Für das laufende Jahr rechnen die meisten Experten zwar mit einem Wachstum. Aber die Unsicherheit wegen der Folgen durch den Ukraine-Krieg und die Sanktionen des Westens gegen Russlands ist enorm groß. Die hohe Inflation wegen steigender Preise für Energie und Rohstoffe belastet Firmen und Verbraucher. Die Bundesregierung rechnet für 2022 nur noch mit 2,2 Prozent Wachstum. Sollten Gaslieferungen aus Russland aber plötzlich abreißen, sei eine Rezession nicht mehr zu vermeiden, warnte Wirtschaftsminister Robert Habeck vor kurzem.

Konjunkturgefahr aus dem Osten

"Auf die deutsche Wirtschaft wirken gerade zwei entgegengesetzte Kräfte", erklärte Fritzi Köhler-Geiß von der KfW Bank die aktuellen Zahlen. "Die Erholung von Omikron gibt einen positiven Impuls, erneute Lieferkettenengpässe belasten: Die Omikron-Welle hat sich glücklicherweise als harmloser herausgestellt als noch Ende letzten Jahres befürchtet und viele Dienstleister befinden sich schon seit Mitte des ersten Quartals wieder im Aufwind. Der dürfte auch im laufenden Vierteljahr für Wachstum sorgen. Durch die extrem hohen Energie- und Lebensmittelpreise wird vom einst erwarteten post-pandemischen Konsumboom allerdings nur wenig übrig bleiben."

Das leicht Plus beim BIP schreibt auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, der Entspannung in der Pandemielage zu. Er weist aber auf die Gefahren hin, die der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr drohen: "Der Krieg verunsichert Unternehmen und Konsumenten massiv, treibt die Energiepreise nach oben und spricht zusammen mit der Null-Corona-Politik Chinas lediglich für eine Stagnation der deutschen Wirtschaft im zweiten Quartal. Käme es sogar zu einem Stopp russischer Gaslieferungen, würde die dadurch ausgelöste Energiekrise wohl eine tiefe Rezession verursachen. Die Konjunkturrisiken sind zur Zeit sehr hoch."

dk/hb (dpa, rtr, afp)