Schwimmbadverbot für männliche Flüchtlinge
15. Januar 2016Die sozialen Netzwerke laufen heiß, weil männliche Flüchtlinge in einer Kommune in Nordrhein-Westfalen nicht mehr ins kühle Nass dürfen: Im Kurznachrichtendienst Twitter steht der Hashtag #Bornheim zurzeit ganz vorn. Der Grund: Nach Beschwerden über sexuelle Belästigungen haben in der 50.000-Einwohner-Stadt bei Bonn männliche Flüchtlinge ab 18 Jahren vorübergehend keinen Zutritt mehr zum städtischen Hallenbad.
Mit Info-Veranstaltungen in den Unterkünften würden die Flüchtlinge darüber aufgeklärt, dass sexuelle Belästigung auf keinen Fall akzeptiert werde, ob im Schwimmbad oder an anderen Orten, sagte Sozialdezernent Markus Schnapka dem Evangelischen Pressedienst (epd).
"Maßnahme auf Zeit"
"Sobald wir von den Sozialdiensten in der Flüchtlingseinrichtung die Mitteilung bekommen, dass diese Botschaft angekommen ist, werden wir die Maßnahme wieder beenden", betonte der Dezernent. Die ersten Info-Veranstaltungen mit Übersetzern in vier Sprachen hätten bereits am Donnerstag stattgefunden. Bürgermeister Wolfgang Henseler sagte dem "Bonner Generalanzeiger", am Montag werde der Verwaltungsvorstand darüber beraten, an welchem Tag das Verbot gekippt werde.
Einige der Flüchtlinge hätten Verständnis für die Maßnahme der Gemeinde gezeigt. Andere hätten sich diskriminiert gefühlt und erklärt, man könne nicht alle männlichen Flüchtlinge mit einem Schwimmverbot bestrafen, wenn nur einige wenige sich falsch verhalten hätten, so Sozialdezernent Schnapka.
"Juristisch kaum haltbar"
Auch die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen - nach eigenen Angaben die wichtigste Plattform Deutschlands für Bäderfragen - lehnt das Zutrittsverbot ab. Schwimmbäder für Flüchtlinge zu sperren sei juristisch kaum haltbar, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur dpa. Möglichen Problemen mit männlichen Flüchtlingen, die in Bornheim zu dem ungewöhnlichen Schritt geführt haben, will die Gesellschaft durch klare Verhaltenshinweise vorbeugen.
Die bereits bestehenden und in den Bädern aushängenden Sicherheitstipps würden ergänzt, kündigte der Sprecher an. In vielen Sprachen solle künftig darauf hingewiesen werden, dass auch im Schwimmbad die Würde und die Persönlichkeitsrechte von Frauen und Männern geachtet werden müssen und vor allem körperliche Berührungen oder mündliche Anspielungen untersagt sind.
Ausweis als Erkennungszeichen
Die Stadt Bornheim teilte mit, die Flüchtlinge hätten Ausweise, mit denen sie bisher preiswerter ins Schwimmbad gekommen seien. Anhand dieser Papiere könne man sie erkennen und ihnen den Zutritt verweigern. "Es ist einfach wichtig, dass sich Frauen nicht irgendwelche obszönen Äußerungen anhören müssen", erklärte ein Vertreter der Stadt.
Zuvor hätten sich mehrere Besucherinnen und Angestellte über sexuelle Belästigungen durch Männer aus einer nahen Asylbewerberunterkunft beklagt. Insgesamt gingen nach Angaben der Stadt bisher sechs Beschwerden ein. Dabei habe es sich indes nicht um Straftaten gehandelt, sagte Sozialdezernent Schnapka.
"Gefahrenpunkt" Flüchtlingsunterkunft
Auch in einer anderen nordrhein-westfälischen Kommune schlagen die Wellen hoch: Am Donnerstag hatte die Stadt Rheinberg am Niederrhein den Rosenmontagsumzug abgesagt. Die Stadt hatte ein Sicherheitskonzept verlangt, das der betroffene Karnevalsverein so schnell nicht umsetzen kann.
Dabei spiele auch die Nähe des Zugs zu einer Flüchtlingsunterkunft eine Rolle, die ein "Gefahrenpunkt" sein könne, räumte ein Vertreter der Kommune ein. Der Umzug sei aber nicht allein deshalb gestrichen worden, betonte die Stadt. Es war die erste und bisher einzige Absage eines Rosenmontagszuges in Deutschland, die in diesem Jahr bekannt wurde. In mehreren Großstädten wie Köln und Essen hat die Polizei bereits eine Urlaubs- und Freizeitsperre für ihre Beamten am Rosenmontag ausgesprochen.
Grundgesetz vergessen?
Die Kommentare in den sozialen Netzwerken zu #Bornheim schwanken zwischen Häme und Entsetzen. Auch die politischen Parteien versuchen die Situation für sich zu nutzen. So schreibt der Vorsitzende der CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, Armin Laschet: "Was wäre los, wenn in Bornheim nicht ein Grüner, sondern ein CDU-Dezernent pauschales Schwimmbadverbot für Flüchtlinge erlassen hätte?" Eine Nutzerin fragt: "Bekommen deutsche Männer auch ein Hallenbadverbot, wenn sie Frauen belästigen?"
Und im Twitter-Account des Linken-Bundestagsabgeordneten Niema Movassat heißt es: "Kennt man in Bornheim eigentlich Artikel drei des Grundgesetzes?" Darin findet sich dieser Satz: "Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."
jj/haz (dpa, epd)