Steuerschätzung
8. Mai 2014Die Botschaft ist ihm offenbar wichtiger als alles andere: Statt das Ergebnis der Steuerschätzung zu präsentieren, hielt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in Berlin zunächst eine Warnung bereit: "Die Steuerschätzung eröffnet uns keine neuen finanziellen Spielräume." Ab 2015 wolle der Bund ohne neue Schulden auskommen. "Meine Priorität liegt darin, dass wir dieses ehrgeizige Ziel erreichen. Mit strikter Ausgabendisziplin ist das weiterhin möglich."
Erst danach gab der CDU-Politiker die Zahlen bekannt, die der Arbeitskreis Steuerschätzung, dem neben Vertretern von Bund und Ländern auch Experten aus Wissenschaft und Bundesbank angehören, in den vergangenen drei Tagen errechnet hat.
Länder und Kommunen profitieren
Bund, Länder und Gemeinden können insgesamt mit mehr Steuereinnahmen rechnen als bei der letzten Schätzung im November 2013 angenommen. Bis zum Jahr 2018 summieren sich die Zusatzeinnahmen auf 19,3 Milliarden Euro und erhöhen die gesamten Steuereinnahmen auf dann 738,5 Milliarden Euro. Der zusätzliche Geldsegen ergibt sich allerdings nicht sofort, im laufenden Jahr wird sogar mit einem leichten Minus von 0,4 Milliarden Euro gerechnet. 2015 soll das Steuerplus 2,8 Milliarden Euro betragen, in den Jahren danach wird es voraussichtlich zwischen 4,2 und 7,0 Milliarden Euro liegen.
Schäubles Absage an zusätzliche Ausgabenwünsche rührt wohl auch daher, dass vor allem die Länder und die Kommunen von den Mehreinnahmen profitieren werden. Für den Bund hingegen haben die Steuerschätzer für 2014 ein Minus von 800 Millionen Euro errechnet. Im Vergleich zu den Haushaltseckwerten ergeben sich für die kommenden Jahre nur geringfügige Änderungen: 2015 plus 0,1 Milliarden Euro, 2016 minus 0,2 Milliarden Euro und 2018 plus 0,2 Milliarden Euro. Für das Jahr 2017 ergeben sich keine Änderungen.
Überrascht ist Wolfgang Schäuble von dem Ergebnis nicht. "Die öffentliche Erwartung war eine andere, aber der Bundesfinanzminister hat, soweit er sich dazu geäußert hat, dem immer entgegengewirkt. Sie haben es ihm nur nicht geglaubt. Vielleicht ist die Lehre daraus: Vertrauen Sie dem Bundesfinanzminister", sagte der CDU-Politiker auf die Frage eines Journalisten.
Der Bund muss rechnen
Für den Bundesfinanzminister kann das Ergebnis der Steuerschätzung nur heißen, dass sich die Regierungskoalition aus CDU, CSU und SPD strikt an das halten muss, was in der Finanzplanung und im Koalitionsvertrag für die laufende Legislaturperiode vereinbart wurde. Und selbst die bereits beschlossenen Ausgaben sind für Wolfgang Schäuble nicht ohne wenn und aber gebucht. Es sei einiges in Bewegung, manche Annahmen hätten sich bereits überholt.
Ein Beispiel sind für Schäuble die geplanten Investitionen in die Infrastruktur. Ein neues Verkehrswegegutachten werde zu verringerten Mauteinnahmen führen. Deutschland müsse zudem mehr Geld an die EU abführen, weil das Land wirtschaftlich besser da stehe als gedacht. "Deswegen sind die Spielräume nicht so groß, wie eine notwendigerweise häufig vereinfachte öffentliche Debatte es suggeriert."
Fraglich sei auch, wie die fünf Milliarden Euro, mit denen die Länder bei der Einrichtung von Kindertagesstätten und Schulen unterstützt werden sollten, aufgebracht würden. "Wir sind in einer gewissen Diskussion in der Regierung, wie wir das genau aufteilen."
Kein Spielraum für Steuersenkungen?
Mit seiner Skepsis will Wolfgang Schäuble vor allem die Rufe nach Steuersenkungen dämpfen, die in den letzten Wochen immer lauter geworden sind. Insbesondere Politiker aus der Union fordern, die sogenannte kalte Progression zu bremsen. Zuletzt signalisierten auch Vertreter der SPD, hier auch ohne Gegenfinanzierung etwas tun zu wollen.
Gemeint ist der Effekt, dass Arbeitsnehmer auch dann in eine höhere Steuerbelastung hineinwachsen, wenn sie nur in Höhe des Inflationsausgleichs mehr verdienen. Diese Mehrbelastung bringt dem Staat pro Jahr rund drei Milliarden Euro zusätzlich ein. Steuersenkungen würden nicht nur den Bund viel Geld kosten, sondern auch die Länder und die Kommunen. Der Arbeitskreis Steuerschätzung geht davon aus, dass sich die Bundesländer vehement gegen Einnahmeausfälle stemmen würden. Der Bund müsste diese dann wohl alleine schultern. Daran ist nach Ansicht des Bundesfinanzministers gar nicht zu denken.