Seltenes Lob für Brasiliens Polizei
11. Dezember 2014Noch vor kurzem prägten Schlagzeilen über Folterskandale das Bild der sogenannten "Friedenspolizei" UPP (Unidade de Polícia Pacificadora) in Rio. Die Ordnungshüter in den Favelas gelten als korrupt, brutal und unberechenbar. Doch nun hat das Institut für öffentliche Sicherheit (ISP) den Friedenspolizisten ein gutes Zeugnis ausgestellt.
Nach der am 9. Dezember veröffentlichten Erhebung des mit öffentlichen Mitteln finanzierten ISP sind die Todesfälle infolge von Polizeieinsätzen in Rios von der UPP "befriedeten" Armenvierteln um 90 Prozent gesunken. Auch andere Straftaten verringerten sich. So ging die Anzahl "vorsätzlicher Morde" um 65 Prozent zurück, die von Raubüberfällen um 59 Prozent.
Gleichzeitig erhöhten sich die Beschlagnahme von Drogen um 264 Prozent, und die Festnahmen von Verdächtigen, die auf frischer Tat ertappt wurden, um 246 Prozent. Die Untersuchung des ISP erstreckt sich auf 33 der insgesamt 38 UPPs in Rio de Janeiro. Untersuchungszeitraum waren die ersten sechs Monate 2008 und das erste Halbjahr 2014.
Gute Zahlen, schlechte Laune
Trotz der beeindruckenden Statistik will keine echte Begeisterung aufkommen: "Die Friedenspolizei kämpft weiter mit erheblichen Problemen", meint Silvia Ramos vom Zentrum für Sicherheit und Bürgerrechte der Universität Candido Mendes in Rio de Janeiro. Die Ordnungshüter bekämen bei ihren Ermittlungen keine Unterstützung von der Kriminalpolizei und außerdem mangele es am Dialog mit den Bewohnern.
Auch bei der Militärpolizei selbst fällt das Urteil skeptisch aus. "Die UPPs sind nichts anderes als die Herausstellung ostentativer Polizeipräsenz", erklärt Feldwebel Carlos Antonio de Aquino gegenüber der brasilianischen Zeitung "O Globo". "Die Favelas sind nicht wirklich befriedet, es kursieren dort immer noch viele Drogen", fügt er hinzu.
Mit der 2008 gegründeten "Friedenspolizei" sollen Drogenhändler und Milizen aus Rios Armutsvierteln vertrieben und die Kriminalität bekämpft werden. Das international viel beachtete Sicherheitsrezept von Rios Regierung stand bereits mehrfach auf der Kippe.
Polizisten in Lebensgefahr
In zwei Armutsvierteln in Rio scheint das Konzept gescheitert zu sein. So kündigte Rios Staatssekretär für öffentliche Sicherheit, José Mariano Beltrame, gegenüber der einheimischen Presse an, problematische Gebiete wie die Favelas "Rocinha" und "Complexo do Alemao" eventuell neu besetzen zu wollen. In der Favela "Complexo do Alemao" waren am 9. Dezember vier Polizisten erschossen worden.
Die zunehmenden Morde an Polizisten beschäftigen seit neuestem auch die brasilianische Öffentlichkeit, die normalerweise wenig Sympathie für Militärpolizisten hegt. So stellten Mitglieder der Hilfsorganisation "Rio de Paz" am 9. Dezember 152 Kreuze an der Copacabana auf. Sie sollen an die 152 Polizisten erinnern, die seit 2013 in Rio erschossen wurden.
Verkehrte Welt: Noch vor einem Jahr demonstrierten Vertreter derselben Hilfsorganisation am selben Ort gegen Polizeigewalt. Damals ging es um den wahrscheinlich ermordeten Bauarbeiter Amarildo de Souza. Er war am 14. Juli 2013 in einer Favela festgenommen worden, weil Polizisten ihn irrtümlich für einen Drogenhändler hielten und gilt seitdem als verschwunden.
Wo ist Amarildo?
Die bisher erfolglose Suche nach Amarildo entwickelte sich zu einem landesweiten Symbol für den Kampf gegen Polizeiwillkür und Gewalt. Als Mitglieder der "Friedenspolizei" im Oktober 2013 eingestanden, dass Folter zu ihrem Arbeitsalltag gehöre, wurde die Kritik am Sicherheitskonzept der UPPs immer lauter. Ende November 2014 sprach die brasilianische Justiz den Familienangehörigen Amarildos eine Opferrente zu.
Amarildo ist kein Einzelfall. Glaubt man einer Untersuchung des Labors für Gewaltanalysen (LAV) der Universität von Rio de Janeiro, hat das scheinbar unerklärliche "Verschwinden" von Bewohnern in Armutsvierteln Methode. Die Erhebung des Labors, die bereits aus dem Jahr 2012 stammt, hebt die starke Zunahme von "verschwundenen" Personen um 92 Prozent hervor.
Ihre Vermutung: Die wachsende Anzahl von "verschwundenen" Personen könnte dazu dienen, die tatsächliche Mordrate zu verschleiern. Eine Methode, die in ganz Lateinamerika eine lange traurige Tradition hat.