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Serbien, Kroatien, Albanien - Nationalismus bei EURO 2024

Veröffentlicht 20. Juni 2024Zuletzt aktualisiert 22. Juni 2024

Bei der Fußball-EM fallen Fans aus Kroatien, Serbien und Albanien mit nationalistischen Gesängen und Fahnen auf. Sie spiegeln die Folgen jahrzehntealter Konflikte wider, für die der Fußball immer wieder als Ventil dient.

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Albanische Fans während der EURO 2024
Beim Spiel Albanien gegen Kroatien haben Fans beider Lager den "gemeinsamen Feind", die Serben, beleidigtBild: Nderim Kaceli/picture alliance/ipa-agency

"Was geschehen ist, ist ein Skandal, und wir werden die UEFA um Sanktionen bitten, auch um den Preis, dass der Wettbewerb nicht fortgesetzt wird", sagte Jovan Surbatovic, der Generalsekretär des serbischen Fußballverbands. Serbiens Verband beklagte, dass es bei der Vorrundenpartie der Fußball-Europameisterschaft in Gruppe B zwischen Kroatien und Albanien in Hamburg Gesänge und Sprechchöre beider Fanlager gegeben habe, mit dem Text: "Tötet, tötet, tötet die Serben!"

"Wir werden die UEFA auffordern, die Verbände der beiden Nationalmannschaften zu bestrafen", wird Surbatovic in verschiedenen britischen Medien zitiert. "Wir wollen uns daran nicht beteiligen, aber wenn die UEFA sie nicht bestraft, werden wir darüber nachdenken, wie wir weiter vorgehen." Offenbar sah der serbische Verband sogar einen Rückzug aus dem Turnier als Option.

Neben den anti-serbischen Sprechchören erregte ein kosovarischer Fernsehjournalist den Ärger der Serben, da er während einer Live-Übertragung des ersten Gruppenspiels mit serbischer Beteiligung gegen England am Sonntag mit den Händen den albanischen "Doppeladler" in Richtung der serbischen Fans zeigte. Der Journalist, der zuvor von serbischen Fans mit Gesängen provoziert worden war, wurde für sein Verhalten bestraft und durch die UEFA vom weiteren Turnier ausgeschlossen.

Nationalistische Auswüchse auf allen Seiten

Allerdings waren die Sprechchöre gegen die Serben nicht der erste Zwischenfall bei der EURO 2024. Die UEFA hatte den albanischen und den serbischen Fußballverband nach dem 1. Spieltag der Vorrunde bereits mit Geldstrafen in Höhe von jeweils 10.000 Euro belegt, weil Fans Transparente mit nationalistischen Landkarten gezeigt hatten. Die albanischen Fans präsentierten während der 1:2-Niederlage gegen Italien am Samstag in Dortmund ein Transparent mit einer Karte ihres Landes, auf der die Grenzen in das Gebiet der Nachbarländer hineinreichten.

serbische Fans zeigen beim Spiel gegen England Serbiens Umrisse inklusive des Kosovo
"Keine Kapitulation" - serbische Fans zeigen beim Spiel gegen England Serbiens Umrisse inklusive des Kosovo (unterer Bildrand)Bild: dts-Agentur/picture alliance

Bei der 0:1-Niederlage der Serben gegen England in Gelsenkirchen zeigten serbische Fans auf Transparenten und T-Shirts eine Serbienkarte mit dem unabhängigen Gebiet des Kosovo und dem Slogan "No Surrender" (keine Kapitulation) darauf. Beide Verbände wurden wegen "Übermittlung provokativer Botschaften, die nicht zu einer Sportveranstaltung passen" angeklagt, da sie für das Verhalten ihrer Fans in den Stadien verantwortlich sind.

Eine weitere Strafe verhängte die UEFA gegen den albanischen Nationalspieler Mirlind Daku. Der Stürmer hatte sich im Anschluss an das Spiel Albaniens gegen Kroatien vor der Fankurve über ein Megafon abfällig über Mazedonier geäußert. Der mazedonische Fußballverband (FFM) verurteilte Dakus "nationalistische Gesänge", am späten Donnerstag bat der Spieler um Entschuldigung. Bestraft wurde Daku nach eingehender Untersuchung dennoch: Er wurde für die nächsten beiden EM-Spiele Albaniens gesperrt.

Lange Vorgeschichte gegenseitigen Hasses

Die Feindseligkeiten, die jetzt bei der Europameisterschaft augenfällig werden, haben eine lange Vorgeschichte und führten ab Juni 1991 zu mehreren Kriegen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. Damals erklärten sich zunächst die jugoslawischen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien für unabhängig und wurden daraufhin von der durch Serbien dominierten Jugoslawischen Volksarmee (JNA) angegriffen. Während die Kämpfe mit Slowenien bereits nach zehn Tagen beendet waren, zog sich der Krieg zwischen Serben und Kroaten bis November 1995 hin. Auf beiden Seiten kam es zu Kriegsverbrechen.

Im März 1992 erklärte nach einem Referendum auch Bosnien und Herzegowina seinen Austritt aus dem jugoslawischen Staatenbund. Es kam zum Bosnienkrieg, an dem Bosniaken, Kroaten und Serben beteiligt waren, die sich gegenseitig bekriegten. Der Bosnienkrieg dauerte von 1992 bis Dezember 1995 und forderte rund 100.000 Todesopfer. Auch in diesem Konflikt kam es zu Kriegsverbrechen, wie ethnischen Säuberungen und Massenvergewaltigungen. Am tiefsten in die Erinnerung gegraben hat sich wohl das Massaker von Srebrenica vom Juli 1995, bei dem bosnisch-serbische Soldaten unter Führung des Militärchefs Ratko Mladic rund 8000 muslimische Bosnier, in der Hauptsache Männer und Jungen, töteten.

muslimische bosnische Frau in einer Gedenkstätte etwa 150 Kilometer von Srebrenica
Das Massaker von Srebrenica war eines der schlimmsten Kriegsverbrechen in den Kriegen nach der Auflösung JugoslawiensBild: Amel Emric/AP/dpa/picture alliance

Ab 1996 herrschten auch im Kosovo bürgerkriegsähnliche Zustände. Dort kämpfte die albanisch-stämmige Befreiungsarmee UCK gegen serbische Streitkräfte. Im Februar 1998 mündete der Konflikt in den Kosovokrieg, der bis Juni 1999 dauerte und in den sich ab März 1999 auch die NATO einschaltete, nachdem der damalige serbische Präsident Slobodan Milosevic sich geweigert hatte, ein Friedensabkommen zu unterzeichnen. Der Kosovo erklärte sich im Februar 2008 für unabhängig, wird aber bis heute von Serbien und mehreren anderen Staaten, darunter Russland, nicht anerkannt.

Und auch die Schmähungen des Albaners Mirlind Daku gegen Nordmazedonien, wie die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Mazedonien seit 2019 offiziell heißt, haben möglicherweise eine politische Vorgeschichte: Nach der Unabhängigkeit Mazedoniens von Jugoslawien im September 1991 gab es Bestrebungen der albanischen Bevölkerung in Mazedonien, für das von ihnen bewohnte Gebiet eine Autonomie zu erreichen.

Die Albaner waren mit über 500.000 Menschen die größte ethnische Minderheit im Land. Es sollte sogar ein Referendum abgehalten werden. Die mazedonische Regierung verhinderte das allerdings. Die Albaner fühlten sich benachteiligt, viele wanderten aus. Im März 2001 kam es schließlich zu einem bewaffneten Aufstand der Nationalen Befreiungsarmee UCK, bei dem mehrere Hundert Menschen starben und rund 170.000 vertrieben wurden.

Fußball als Ventil für Nationalismus

Auch bei Fußballspielen gab es immer wieder Zwischenfälle, auch schon vor der EM in Deutschland. Gut in Erinnerung ist das erste Aufeinandertreffen zwischen Serbien und Albanien im Oktober 2014 in der EM-Qualifikation, das im Chaos endete. Gegen Ende der ersten Halbzeit flog eine Drohne von außen ins Belgrader Stadion, an der eine Fahne hing, die eine Karte des sogenannten "großalbanischen Reichs" zeigte, inklusive des Kosovo.

Als serbische Spieler die Fahne herunterrissen, kam es zu Schlägereien auf dem Platz, in die sich auch die Ersatzspieler und serbische Fans einmischten, die das Feld gestürmt hatten. Am Ende flüchtete die albanische Mannschaft in die Kabine. Das Spiel wurde abgebrochen und zunächst mit 3:0 für Serbien gewertet. Allerdings zog die UEFA den Serben die Punkte wieder ab und belegte beide Verbände mit Geldstrafen. Der Streit um die Wertung der Partie landete schließlich vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS, der das Spiel in einem Urteil vom Juli 2015 mit 3:0 für Albanien wertete.

Schlägerei auf dem Spielfeld beim EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien im Oktober 2014
Das Spiel zwischen Serbien und Albanien im Oktober 2014 eskalierte und wurde abgebrochenBild: Koca Sulejmanovic/picture alliance/dpa

Im Jahr 2010 musste ein EM-Qualifikationsspiel zwischen Italien und Serbien abgebrochen werden, unter anderem weil serbische Fans Pyrotechnik auf den Platz geworfen hatten. Zuvor wurde von maskierten Hooligans eine albanische Fahne verbrannt. Oft ist auf Transparenten und Fahnen auch der Schriftzug "Kosovo is Serbia" zu lesen.

Bei den Kroaten fiel 2014 Nationalspieler Josip Simunic negativ auf und wurde vom Weltverband FIFA unter anderem für die WM in Brasilien gesperrt, weil er nach einem Qualifikationsspiel den Gruß der faschistischen Ustascha-Bewegung gezeigt hatte. Zudem werden die Spieler um Superstar Luka Modric immer wieder für ihre Nähe zum als rechtsextrem geltenden Sänger Marko Perkovic kritisiert, der sich Thompson nennt.

Albanische Fans - auch bei der EM - zeigen auf ihren Landesflaggen immer wieder das Emblem der UCK oder jubeln, indem sie mit beiden Händen das Symbol des Doppeladlers formen - übrigens nicht nur Albaner, sondern auch albanisch-stämmige Spieler anderer Mannschaften, wie die beiden Schweizer Nationalspieler Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka. Bei der WM 2018 wurden sie von der FIFA bestraft, weil sie während des Spiels der Schweiz gegen Serbien den Doppeladler-Jubel gezeigt hatten. 

Der Artikel wurde am 22. und 23. Juni aktualisiert.