Serbien und Kroatien vor neuer Versöhnung
17. Januar 2013"Die Vergangenheit können wir nicht ändern, aber die Gegenwart und Zukunft können wir doch beeinflussen", sagte der Premierminister Serbiens, Ivica Dačić, nach dem Treffen mit seinem kroatischen Gast am Mittwoch (16.01.2013) in Belgrad. Beiden Seiten sei bewusst, dass sie zusammenarbeiten müssen, um die Beziehungen ihrer Länder zu verbessern, so Dačić. Der kroatische Regierungschef Zoran Milanović erklärte, er hoffe, dass sich die Spannungen mit seinem ersten Besuch in Serbien legen würden. "Im Hinblick auf die Kommunikation zwischen Zagreb und Belgrad haben wir das vergangene halbe Jahr verloren. Aber wir müssen nach vorne schauen“, betonte Milanović.
Seit November herrscht in Belgrad Empörung darüber, dass das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag die ehemaligen kroatischen Generäle Ante Gotovina und Mladen Markač freigesprochen hat. Doch bereits zuvor hatten sich die Beziehungen zwischen den Nachbarn verschlechtert. Der Grund: Die Wahl des nationalistischen serbischen Politikers Tomislav Nikolić zum Staatspräsidenten im Mai. Nikolić hatte erklärt, die kroatische Stadt Vukovar, die während des Krieges von serbischen Truppen umzingelt war und unter schwerem Beschuss stand, sei schon immer serbisches Gebiet gewesen. Zudem leugnete er den Völkermord an Muslimen im bosnischen Srebrenica.
Auch die beiden Premierminister kritisierte Nikolić während ihrer Unterredung. Zunächst hätte er sich mit seinem kroatischen Amtskollegen Ivo Josipović treffen müssen. "Ich weiß nicht, wieso Ivo Josipović das Treffen meidet", sagte Nikolić. Seine eigenen provokanten Äußerungen erwähnte er nicht.
"Die Lokomotive rollt wieder"
"Auch eine Reise von tausend Meilen fängt mit dem ersten Schritt an", kommentiert Aleksandar Popov, Leiter des Zentrums für Regionalismus in Serbien - eine alte fernöstliche Weisheit. "Das Eis ist gebrochen worden, als sich die beiden Ministerpräsidenten zum ersten Mal getroffen haben. Es ist von großer Bedeutung, dass die wichtigsten Themen jetzt definiert sind. Damit wurde der Normalisierungsprozess fortgesetzt, der schon begonnen hat, bevor Nikolić zum Präsidenten gewählt wurde", so Popov im Gespräch mit der DW.
Diese Meinung teilt auch Tihomir Cipek von der Fakultät für Politische Wissenschaften in Zagreb. "Die Lokomotive rollt wieder", so Cipek zur DW. Den Grund dafür, dass Serbiens Präsident Nikolić so unzufrieden ist, sieht er in der Innenpolitik beider Länder. "Die Beziehungen zwischen Kroatien und Serbien haben große symbolische Bedeutung. Wenn die beiden Präsidenten sich nicht treffen, weil Nikolić provokante Äußerungen macht, ist es nur logisch, dass die Regierungschefs die Initiative ergreifen."
Klagen wegen Völkermordes
Der größte Stein des Anstoßes zwischen den beiden Nachbarländern sind die gegenseitigen Klagen wegen Völkermordes, die dem Internationalen Gerichtshof eingereicht wurden. Dačić und Milanović zeigten sich entschlossen, dieses Problem auszuräumen, bevor der Gerichtshof die Prozesse 2014 ins Rollen bringt. Wie die Lösung am Ende aussehen soll, dazu sagten die beiden Premierminister nichts.
Nachdem die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Kroatien 1991 ihre Unabhängigkeit erklärt hatte, revoltierten die im Land lebenden Serben. Während des anschließenden vierjährigen Krieges bekamen sie großzügige Hilfe aus Belgrad. Im Zuge der Kampfhandlungen starben rund 20.000 Menschen und Zehntausende Serben mussten aus Kroatien fliehen.
Danach waren die Beziehungen beider Länder lange Zeit eher kühl, in den vergangenen Jahren haben sie sich aber wesentlich verbessert. Insbesondere der kroatische Präsident Josipović und der frühere serbische Präsident Boris Tadić galten als gute Freunde.
Ein Ungleichgewicht gibt es im europäischen Zusammenhang: Während Serbien zwar EU-Kandidat ist, aber immer noch kein Datum für Beitrittsverhandlungen hat, steht der Beitritt Kroatiens für den 1. Juli dieses Jahres fest. "Es ist wichtig, dass Kroatien, sobald es Mitglied der EU ist, Serbien auf seinem europäischen Weg weiter unterstützt", findet Aleksandar Popov. Und diese Unterstützung versprach der kroatische Premierminister Milanović in Belgrad.