Die Gefahren bei Gonorrhö werden oft unterschätzt
13. Dezember 2022Die Symptome beim Tripper – auch als Gonorrhö bekannt - sind meist sehr unschön: Es kommt beispielsweise zu Ausfluss aus der Scheide oder der Harnröhre. "Dieser Ausfluss ist nicht klar, sondern eher eitrig. Beim Mann tritt der sogenannte 'Guten-Morgen-Tropfen' - wie der Name schon sagt - vor allem morgens aus der Harnröhre aus. Während der Nacht hat sich dort Sekret und Eiter angesammelt und zeigt sich dann morgens als dicker Tropfen", erklärt Norbert Brockmeyer vom Zentrum für sexuelle Gesundheit und Medizin 'WIR' in Bochum.
Die Gonorrhö ist eine bakterielle Entzündung, ausgelöst durch Gonokokken. Als Reaktion des Körpers bilden sich viele Leukozyten, also weiße Blutkörperchen. Eine gelbliche Flüssigkeit entsteht. Neben diesem Ausfluss kann es auch zu Schmerzen beim Wasserlassen kommen. Übertragen wird Tripper beim Sex. Starker Juckreiz und Schmerzen können erste Anzeichen für eine mögliche Infektion sein, viele jedoch bemerken gar nichts. Das trifft auf ungefähr 70 Prozent aller Infizierten zu.
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Gonorrhö tritt nicht nur an den Geschlechtsteilen auf
Auch der Analbereich, Mund und Rachen können von der Gonokokken-Infektion betroffen sein, zum Beispiel durch ungeschützten Oralverkehr. Zu einer Infektion kann es sehr schnell kommen, denn die Erreger haben eine hohe Ansteckungskraft. "Die Gonokokken werden häufig schon übertragen, bevor man das Kondom überhaupt in die Hand nimmt, weil man sich schon über andere Praktiken infiziert hat", sagt Brockmeyer.
Beispielsweise könne man sich schon über Fingerkontakt, also Petting, infizieren. "Wenn Sie Scheidenflüssigkeit an den Händen haben, dann können Sie sich mit Gonorrhö anstecken", erläutert der Experte.
Im schlimmsten Fall kann Gonorrhö bei der Frau und beim Mann zu Unfruchtbarkeit führen. Wenn die Erkrankung nicht direkt behandelt wird und sich weiter ausbreitet, kann es bei Frauen zu einer Entzündung des kleinen Beckens kommen und anschließend auch zu einer Verklebung der Eileiter. Das bedeutet, dass die Frau keine Kinder mehr bekommen kann. Beim Mann gilt das gleiche für Samenleiter und Hoden.
Bei Schwangeren, die sich mit Gonorrhö angesteckt haben, besteht die Gefahr, dass die Infektion auf das Neugeborene übertragen wird. Es kann zu Fehlgeburten und Todgeburten kommen. Bei Babys betrifft die Gonorrhö vor allem die Augen. Beim Neugeborenen entwickeln sich bereits wenige Tage nach der Geburt die Symptome: Die Lider sind geschwollen, die Augen sehr lichtempfindlich. Behandelt wird eine solche Infektion mit einem Antibiotikum. Auch bei erwachsenen Erkrankten helfen Antibiotika. 24 Stunden nach Beginn der Therapie ist die behandelte Person nicht mehr infektiös, die Keime sind abgetötet.
Gonorrhö ist eine der häufigsten Geschlechtskrankheiten weltweit
In Deutschland hat die Zahl der Infektionen in den letzten Jahren deutlich zugenommen, und die Tendenz ist noch immer steigend. "Wir müssen davon ausgehen, dass wir pro Jahr etwa 25.000 Neu-Infektionen mit Gonokokken haben", sagt Brockmeyer. "Das sieht man in allen entsprechenden Zentren. Im Zentrum in Bochum, dem WIR, gibt es Tage, an denen fünf bis sechs Patienten auf Gonorrhö behandelt werden."
Seit der Jahrtausendwende ist die Gonorrhö in Deutschland nicht mehr meldepflichtig – mit Ausnahme des Bundeslandes Sachsen. Man glaubte, die klassischen Geschlechtskrankheiten im Griff und quasi ausgemerzt zu haben. Das hat sich als ein großer Trugschluss erwiesen. "Alle sexuell übertragbaren Krankheiten – nicht nur die Gonorrhö – feiern ein nicht geahntes Comeback", erklärt Brockmeyer. Das Zentrum 'WIR'versucht, möglichst umfassend aufzuklären. Der Appell: Kein ungeschützter Sex! Im Zweifel immer ein Kondom benutzen! Das Kondom verringert die Infektionsrate deutlich.
Es gibt immer häufiger Resistenzen
Lange war die Gabe eines Antibiotikums das Mittel der Wahl, aber es müssen auch dringend neue Medikamente entwickelt werden. "Wir haben bereits deutliche Resistenz-Raten bei der Gonorrhö. Die Folge ist, dass die Medikamente nicht mehr wirken", gibt Brockmeyer zu Bedenken. "Im Extremfall führt das dazu, dass man eine Gonorrhö nicht mehr vernünftig therapieren kann."
Die Deutsche STI-Gesellschaft setzt auf die Entwicklung wirkungsvoller Therapien und auf gute Prophylaxe. So soll das Kürzel STI (Sexually Transmitted Infections - sexuell übertragbare Infektionen) genauso in das Bewusstsein der Menschen gelangen wie die Buchstaben HIV (Humanes Immundeffizienz-Virus). Die HIV-Infektionen sind seit weit über etwa fünf Jahren relativ konstant, auch dank zahlreicher Aufklärungskampagnen.
Deutschland habe weltweit die niedrigste Ansteckungsrate, sagt Brockmeyer: "Wir haben uns in den letzten Jahren gezielt auf HIV konzentriert. Mittlerweile aber gibt es immer häufiger Kampagnen, die auf altbekannte Erkrankungen wie Gonorrhö und Syphilis abzielen."
Was HIV und Aids sind, wissen die meisten. Anders sieht es bei den klassischen Geschlechtskrankheiten aus. Vielen ist nicht klar, welche überhaupt dazugehören und was hinter den verschiedenen Begriffen steckt: etwa wenn es um Chlamydien geht und um Hepatitis B, um Herpes Genitalis, das Papillomavirus oder auch um Syphilis und Gonorrhö. Wenn sich jemand bereits mit einer der klassischen Geschlechtskrankheiten angesteckt hat, ist die Gefahr einer HIV-Infektion erheblich größer. Das Immunsystem ist geschwächt.
"Vom Tripper habe ich eigentlich immer nur gehört, wenn es darum ging, dass reiche Geschäftsleute im Urlaub in Asien waren und dann ihre PartnerInnen angesteckt haben." Das ist nur einer von vielen Einträgen in einem Internetforum zu Tripper und nur eines von vielen, althergebrachten Vorurteilen. Man muss weder reich, noch in Asien gewesen sein, um sich mit Gonorrhö anzustecken - das geht auch zuhause.
Dieser Artikel erschien ursprünglich am 7.9.2018 und wurde am 13.12.2022 aktualisiert.