Sierens China: Druck im Kessel
18. November 2015Nach dem G20-Gipfel im türkischen Antalya sind Chinas Präsident Xi Jinping und US-Präsident Obama unverzüglich für ein zweitägiges Treffen der 21 Mitglieder der asiatisch-pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) in die philippinische Hauptstadt Manila geflogen, wo sie seit Dienstag tagen. Anschließend geht es für Obama weiter nach Kuala Lumpur. Dort ist er Gast bei einem Gipfel der ASEAN-Staaten. Xi hingegen lässt sich dort von seinem Premier Li Keqiang vertreten. Putin hat sich schon nach dem G20-Gipfel verabschiedet. Er hat mit Syrien genug zu tun und schickt seinen Ministerpräsident Dimitri Medwedew zur APEC.
In den vergangenen Jahren drehten sich die Treffen in Asien vor allem um wirtschaftliche Themen wie Freihandelszonen und Handelskooperationen, aber auch um den Konflikt im Südchinesischen Meer. Nun geht es um die terroristische Bedrohung. Selbst auf dem G20-Gipfel war keine Zeit für die Animositäten von Präsidenten: Obama und Putin saßen plötzlich in Clubsesseln zusammen und führten ihr erstes persönliches Gespräch, seit Russland Angriffe in Syrien fliegt - als ob es die Sanktionen des Westens gegen Putin nie gegeben hätte. China bot erst diese Woche seine Kooperation im Kampf gegen den IS an, denn auch Peking hat Interesse daran, die militanten Gruppen an seinen Grenzen in der westlichen Region der Provinz Xingjiang zu schwächen.
Islamistischer Terror auch in Asien
Auch Südostasien hat mit islamistischem Terror zu kämpfen: die Philippinen, Indonesien und Thailand etwa mit Angriffen der islamistischen Gruppen Abu Sayyaf und Jemaah Islamiah. So gibt es im Süden der Philippinen immer wieder Anschläge und Entführungen. Und auch im muslimischen Süden Thailands töten Extremisten immer wieder Menschen, um durch Angst und Schrecken die thailändische Regierung zu schwächen. Auch Indonesien - mit 250 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt - wird immer wieder von Anschlägen auf Touristen heimgesucht. In Malaysia wurden erst zum Wochenbeginn fünf Männer festgenommen, die unter Verdacht stehen, einen Anschlag auf den ASEAN-Gipfel am Ende der Woche geplant zu haben.
Die Terrorakte in Paris und in Asien halten den US-Präsidenten jedoch nicht davon ab, Peking wegen seines Verhaltens im Südchinesischen Meer Druck zu machen. Schon am Dienstag besuchte Obama nach seiner Ankunft die philippinische Marine. Ein deutliches Zeichen an Peking. Die Chinesen hingegen würden in Manila am liebsten gar nicht über die kollidierenden Hoheitsansprüche in den südchinesischen Gewässern reden. Schon im Vorfeld des Gipfels hatten sie versucht, den Konflikt aus der Tagesordnung heraus zu halten. Für Obama führt jedoch kein Weg daran vorbei.
Der Streit um das Südchinesische Meer steht exemplarisch für die chinesisch-amerikanischen Machtverhältnisse in der Region. Nicht zuletzt deshalb ließ Washington in den vergangenen Wochen amerikanische Verbände durch die Gewässer nahe der von den Chinesen künstlich aufgeschütteten Spratly-Inseln patrouillieren. Sehr zum Ärger von Peking drangen sie nicht nur in die 12-Meilen-Meereszone, sondern auch in den Luftraum ein, den China für sich beansprucht. Jetzt hat Obama angekündigt, 250 Millionen Dollar in die Marine der Philippinen und anderer Verbündeter der Region für "maritime Sicherheit" investieren zu wollen.
Asien lässt sich nicht von China vereinnahmen
Xi versucht die Machtverhältnisse zu beeinflussen, in dem er bei den Nachbarn investiert. Milliarden sind schon in Infrastruktur und andere Projekte geflossen. Das lässt die Länder zwar zögern, mit den USA zu kooperieren, konnte aber nicht verhindern, dass zwölf der 21 APEC-Länder das Trans-Pazifische Freihandelsabkommen, kurz TPP, unterzeichnet haben, bei dem China nicht mitmachen darf. Damit fallen zum Beispiel über 18.000 Steuerbarrieren für den Export von amerikanischen Produkten weg. In Asien ist es offensichtlich für Obama nicht so einfach pragmatisch zu sein, wenn es um Peking geht. Putin hat das Glück des Tüchtigen, dass Obama ihn derzeit viel dringender braucht als Xi. Denn Putin hat sich in Syrien ins Spiel gebracht. Die Chinesen zögern da hingegen noch.
Unser Korrespondent Frank Sieren gilt als einer der führenden deutschen China-Kenner. Er lebt seit 20 Jahren in Peking.