SIPRI: Nukleare Aufrüstung geht weiter
18. Juni 20182017 war für die Gegner von Atomwaffen ein besonderes Jahr: 122 Mitgliedsländer der Vereinten Nationen haben sich in einem Abkommen dazu verpflichtet, keine Nuklearwaffen zu produzieren oder zu besitzen. Dem Ziel einer atomwaffenfreien Welt hat sie das trotzdem nicht viel näher gebracht: Nach den neuesten Schätzungen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI gibt es weltweit noch 14.465 Atomwaffen, die in der Hand von nur neun Staaten sind: Den USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. Auch wenn diese neun Länder global gesehen in der Minderheit sind, denken sie überhaupt nicht daran, ihre Atomwaffenarsenale aufzugeben.
Weniger, aber moderner
Im Vergleich zum Vorjahr ist die Gesamtzahl der Nuklearwaffen zwar um 470 gesunken, aber gleichzeitig würden die vorhandenen Waffen modernisiert, betont Shannon Kile, Leiter des Nuklearwaffen-Projekts bei SIPRI, im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Das bedeutet, dass ältere Waffen ersetzt werden - manche sind tatsächlich 40 oder 50 Jahre alt, aber es werden auch Atomwaffen entwickelt, die neue Fähigkeiten und neue technische Funktionen haben."
Neue Atombomben für Deutschland
Die US-Regierung hat die Entwicklung neuer Nuklearwaffen erst im Februar bestätigt, als sie eine aktualisierte Fassung ihrer Nukleardoktrin ("Nuclear Posture Review") veröffentlichte. Betroffen davon ist auch Deutschland, das zwar keine eigenen Atomwaffen besitzt, als NATO-Staat aber unter dem nuklearen Schutzschirm der USA steht. Die etwa 20 in der Eifel lagernden US-Atombomben vom Typ B61 sollen in den kommenden Jahren durch modernere Atombomben ersetzt werden, die präzise auf ein Ziel hingelenkt werden können.
Kostspielige Modernisierung
Für die Modernisierung ihres Nuklearwaffenarsenals nehmen die USA viel Geld in die Hand: 400 Milliarden US-Dollar wollen sie bis 2026 dafür ausgeben. Aber auch kleinere Nuklearmächte wie Indien und Pakistan befinden sich nach Ansicht von Shannon Kile in einer Art "strategischem Rüstungswettlauf": Sie entwickelten neue Nuklearwaffen und vergrößerten gleichzeitig ihre Produktionskapazitäten für spaltbares Material. Für die Nuklearmächte bleiben die Atomwaffen demnach ein zentraler Bestandteil ihrer jeweiligen nationalen Verteidigungsstrategie.
Wie es mit der Kontrolle der Nuklearwaffen durch internationale Verträge weitergeht, hält Kile angesichts der Spannungen zwischen den USA und Russland für unklar: "Was mich im Moment beunruhigt, ist die Tatsache, dass das politisch-strategische Verhältnis zwischen den USA und Russland zusammengebrochen ist - und beide Länder zusammen besitzen immerhin 92 Prozent aller Atomwaffen."
Rüstungskontrolle steht infrage
Das wirke sich auch auf die Rüstungskontrolle aus: Wenn wichtige Abrüstungsabkommen wie der "New START"-Vertrag in den kommenden Jahren ausliefen, fürchtet der Nuklearwaffen-Experte, würden sie möglicherweise nicht durch neue Verträge ersetzt. Dann gebe es keinerlei vertragliche Beschränkungen der Arsenale mehr. "Wir entfernen uns ganz klar von Barack Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt aus dem Jahr 2009."
Von einer Entwicklung war SIPRI-Experte Kile, der die neun Nuklearwaffen-Staaten seit langem beobachtet, überrascht: Von den technischen Fortschritten, die Nordkorea bei den Tests von Atomwaffen und Langstreckenraketen in den vergangenen 12 Monaten demonstriert hat. Ob das Treffen zwischen Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un mit US-Präsident Donald Trump am Ende wirklich zu einer nuklearen Abrüstung Nordkoreas führen werde, hält er für noch nicht absehbar: "Ich bin da ein wenig skeptisch." Aber das Treffen habe die Tür für weitere vertrauensbildende Maßnahmen geöffnet.
Höchststand bei den Militärausgaben
In ihrem "Jahresbericht 2018" haben die Friedensforscher von SIPRI weitere Daten zusammengetragen, die ein Schlaglicht auf die angespannte sicherheitspolitische Lage werfen: Noch nie wurde seit dem Ende des Kalten Krieges so viel Geld fürs Militär ausgegeben wie 2017. Die Summe der weltweiten Militärausgaben stieg auf insgesamt 1739 Milliarden US-Dollar, das sind 230 Dollar für jeden Menschen auf dieser Erde. 2016 waren es noch 227 Dollar pro Kopf.
Grund für diesen globalen Anstieg sind höhere Militärausgaben in einigen, aber nicht in allen Weltregionen. Auffällig ist der Anstieg in Ostasien: So steigerte etwa China sein Verteidigungsbudget um 5,6 Prozent auf 228 Milliarden US-Dollar. Ein differenziertes Bild ergibt sich in Europa: Gaben die osteuropäischen Länder 2017 deutlich weniger fürs Militär aus als im Vorjahr, so nahmen die Länder Zentral- und Westeuropas mehr Geld für die Verteidigung in die Hand.
Deutschland gab laut Bundesverteidigungsministerium im vergangenen Jahr 37 Milliarden Euro (etwa 43,5 Milliarden US-Dollar) für die Bundeswehr aus, das waren etwa zwei Milliarden Euro mehr als im Vorjahr. Das höchste Verteidigungsbudget aller Länder haben unverändert die USA mit 610 Milliarden Dollar, gefolgt von China, Saudi-Arabien und Russland.
Begehrt: Waffen aus Deutschland
Nach den Erkenntnissen der Stockholmer Wissenschaftler setzt sich ein weiterer Trend fort: Der globale Handel mit Rüstungsgütern ist in den vergangenen zehn Jahren wieder deutlich gewachsen, nachdem er Anfang der 2000er Jahre den niedrigsten Stand seit dem Kalten Krieg erreicht hatte. In der Rangliste der größten Waffenexporteure liegt Deutschland weit vorne: Nach den USA, Russland und Frankreich ist Deutschland der weltweit viertgrößte Exporteur von Rüstungsgütern.