Skihersteller Atomic: Abschied vom Kerngeschäft
4. Februar 2015Schon früh morgens um neun Uhr hat sich an der Verleihstation im Laden eine kleine Schlange gebildet. Ein freundlicher Verkäufer eilt herbei, fragt nach Größe und Gewicht. Es macht "Klack Klack", schon ist die Bindung eingestellt und der Kunde kann auf die Piste.
Während sich hunderte Leihski auf fahrbaren Regalen stapeln, fristen die Bretter zum Verkauf ein eher unbeachtetes Dasein in einer Ecke. "Wir verkaufen noch Ski, aber es ist weniger geworden", sagt Matthias Bergmann, der die Filiale von Intersport Schneider im österreichischen Zauchensee leitet.
Viele wollen Ski fahren, aber wenige Ski kaufen
Die Zahlen sprechen für sich: Wurden Ende der 80er-Jahre weltweit noch acht Millionen Paar Ski verkauft, sind es heute nur noch drei Millionen. Parallel dazu ist die Zahl der verliehenen Exemplare rasant gestiegen. Überall an den Pisten bieten gut organisierte Fachhändler ihre Dienste an. Schneller Service, neue Modelle, professionelle Wartung. Und das alles für zwischen 15 und 20 Euro am Tag. Für neue Ski hingegen sind auf einen Schlag bis zu 600 Euro fällig.
Grüne Weihnachten verdirbt das Geschäft
Auch Michael Schineis, der beim Sportartikelkonzern Amer für die Marke Atomic zuständig ist, kennt das Problem. Und nicht nur dieses. Das Leben ist schwierig geworden. Auf den Pisten wird es leerer. Die Menschen in Europa altern. Und für die Jungen steht Wintersport nicht mehr ganz oben auf der Wunschliste. Mit dem Geld, das für Ausrüstung, Liftkarte und Unterkunft fällig wird, kann man auch per Billigflieger in den Süden jetten.
Auch das Wetter scheint sich gegen die Branche verschworen zu haben. Die Winter beginnen immer später. "Wenn im Dezember die Wiesen grün sind, fällt das wichtige Weihnachtsgeschäft aus", klagt Schineis.
Skiproduktion: Viel Arbeit, wenig Gewinn
Doch irgendwo muss der Unternehmensgewinn ja herkommen. An der Produktion lässt sich nicht viel sparen. Im Stammwerk von Atomic im österreichischen Altenmarkt wird schnell klar, warum. Es wird gefräst, geklebt, gedruckt, geschliffen - viel Handarbeit.
Obwohl Atomic der größte Hersteller der Welt ist, sind die Stückzahlen der einzelnen Designs vergleichsweise gering. Rennski, Tourenski, Langlaufski, Freeride. Im Alpinbereich bietet Atomic 60 verschiedene Modelle an. Beim Langlauf sind es 45. "Wir haben 5-jährige Kinder, 20-jährige Rennfahrer, 60-jährige Rentner. Und jeder braucht ein anderes Produkt" erklärt Schineis die große Palette, die dazu jedes Jahr komplett neu überarbeitet wird.
Schuhe als Retter
Es war eine gute Entscheidung, dass Atomic schon vor 15 Jahren in das Geschäft mit Skischuhen eingestiegen ist. Die werden nicht in Österreich, sondern im weit kostengünstigeren Rumänien gefertigt. Mit Erfolg. Das Segment ist inzwischen genau so wichtig wie die Ski.
Schuhe werden meistens gekauft, nicht geliehen. "Wenn es am Fuß drückt, ist der Tag im Eimer", weiß Schineis. Viele Kunden bevorzugen schon allein aus hygienischen Gründen den eigenen Schuh. Auch der Handel schätzt das Geschäft, denn es zieht Kunden an.
Während es bei Ski immer schwieriger wird, Neues zu erfinden, hat der Schuh noch Potential. Beheizbare Modelle sind bereits auf dem Markt. Und es gibt Schuhe, deren Innenfutter sich beim Händler in einer Art Wärmekammer genau um den Fuß des Kunden schmiegt.
Nicht nur Atomic, auch andere Skihersteller, setzen deshalb auf das wachsende Segment. Weltweit werden 250 Millionen Euro mit Schuhen umgesetzt. Ski stagnieren bei 310 Millionen
Alles aus einer Hand
Bei Schuhen ist es nicht geblieben. Weil auch der Einstieg in das Geschäft mit Helmen und Brillen positiv verlaufen ist, will Atomic nun ein weiteres Kapitel aufzuschlagen: Bekleidung. Denn auch Kleidung gehört zu den Gegenständen, die man kauft, nicht leiht. Und wenn es darum geht, gut auszusehen, sind Kunden sogar bereit, viel Geld auszugeben.
Doch tanzt die Firma damit nicht auf zu vielen Hochzeiten? Schineis winkt ab. Seit 20 Jahren gehört der österreichische Skipionier Atomic zum finnischen Konzern Amer Sports. Der hat unter anderem auch die kanadische Outdoormake Arcteryx im Programm. "Wir können das Know-how nutzen und auf Atomic übertragen", sagt Schineis.
In Kanada entworfen, in China gefertigt, unter der Marke Atomic verkauft. Seit diesem Winter hängt die erste kleine Kollektion in ausgewählten Geschäften. Knallbunt sind die Jacken und federleicht. Wie die Skimarke selbst ist auch das Image der Kleidung auf Qualität und Funktionalität getrimmt. Der Träger will signalisieren: "Ich bin ein sportlicher Könner." Bis zu zehn Prozent des Umsatzes soll die Kleidung einmal machen.
Ski bleiben im Programm
Schuhe, Helme, Brillen, Jacken. Wer braucht da eigentlich noch die margenschwache Skiproduktion? Michael Schineis holt tief Luft: "Ohne Ski können Sie nicht Skifahren. Und je bessere Ski wir bauen, desto mehr Leute können wir wieder zum Wintersport bekommen."
Der ehemalige Skilehrer gibt sich zuversichtlich, dass es die Menschen auch in Zukunft in die Berge zieht. Es werde viel investiert. In Lifte und Beschneiungsanlagen. Und Atomic stehe bereit, um die Urlauber mit allem einzudecken, was sie für die Piste brauchen könnten.