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Solmecke zu Google

Jeanette Seiffert 13. Mai 2014

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stärkt die Persönlichkeitsrechte von Privatleuten im Internet. Sie können sich künftig besser gegen Konzerne wie Google wehren, sagt IT-Anwalt Christian Solmecke.

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Christian Solmecke, Anwalt für Medienrecht
Bild: privat

DW: Google kann dazu verpflichtet werden, Suchergebnisse zu streichen, die sensible Daten von Personen enthalten. Das hat der EuGH entschieden. Hat Sie das Urteil überrascht?

Auf jeden Fall, denn ein Urteil des EuGH basiert normalerweise auf Entscheidungen oder Vorgaben des Generalanwalts. Und der hatte Mitte vergangenen Jahres gesagt, dass im vorliegenden Fall nicht gelöscht werden muss. Dass die Richter nun ein Wende im Sinne des Datenschutzes in Europa vollzogen haben, hat mich sehr überrascht.

Viele sprechen von einem Grundsatz-Urteil. Wie wird sich denn die Entscheidung konkret auswirken? Erhält nun jeder Bürger eine echte Handhabe, seine Persönlichkeitsrechte gegen Internetdatensammler wie Google, Facebook und Co. durchzusetzen?

Ja, soweit wir das nach den ersten Meldungen aus Brüssel beurteilen können. Es sieht tatsächlich so aus, als ob sich nun jedermann gegen die großen Player aus den USA durchsetzen kann. In Europa kann man sich in seinem jeweiligen Land künftig wehren gegen Google und andere. Und der Anspruch auf Datenschutzrecht besteht unabhängig davon, ob die Ursprungsquelle eine Meldung legal oder illegal verbreitet hat.

Kommen in Ihre Anwaltskanzlei häufiger Menschen, die erreichen wollen, dass bestimmte Suchergebnisse von Betreibern wie Google gelöscht werden?

Diese Menschen gibt es und wir mussten sie bislang immer vor den Kopf stoßen. Denn es gab eigentlich keine rechtliche Grundlage, dass man aus dem Google-Algorithmus verschwindet. Künftig wird sich das ändern, wobei der EuGH auch hier ein Hintertürchen offen gelassen hat. Das heißt, es bleibt immer eine Abwägungsfrage im Einzelfall. Und Google prüft tatsächlich jeden einzelnen Fall. Das wissen wir aus der so genannten Autocomplete-Entscheidung, wo der Bundesgerichtshof Google verboten hat, Wörter in der Suchtrefferliste hinzuzufügen, die persönlichkeitsverletzend sind. In Zukunft wird Google seine Rechtsabteilung aber aufstocken müssen.

Sehen Sie denn tatsächlich eine Klagewelle auf Google zukommen?

Das hatten wir bereits nach der Autocomplete-Entscheidung erwartet. Hier in der Kanzlei haben wir aber gerade mal alle zwei bis drei Wochen eine Anfrage wegen einer Autocomplete- Persönlichkeitsverletzung. Offenbar stört die Menschen doch noch nicht so sehr, was bei Google über sie gelistet wird. Wobei auch ein Unterschied zum Thema Trefferlisten wie im aktuellen Fall besteht. Die Trefferlisten sind der Zugang zu einer Information. Das heißt, ohne Google wüssten viele Menschen gar nicht, dass eine Person zum Beispiel insolvent ist. Man trifft zufällig auf diese Information. Niemand würde in einer spanischen Zeitung aus dem Jahr 1998 nachblättern. Insofern hat das aktuelle Urteil eine erhebliche Relevanz.

Auf EU-Ebene wird derzeit ein neues Datenschutzrecht auf den Weg gebracht. Es soll den nationalen Datenschutzbehörden die Möglichkeit geben, gegen Unternehmen vorzugehen, wenn sie gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen. Ist das ein richtiger Weg?

Auf jeden Fall. Es kann nicht sein, dass immer nur nach Irland verwiesen wird, wo Google oder Facebook ihren Sitz haben. Das erschwert die Verfahren erheblich, weil man sich mit irischem Recht auseinandersetzen muss. Man kann in dem Land zwar klagen, muss aber irische Normen anwenden und das kann schnell sehr teuer werden. Da ist es letztlich nur konsequent, wenn man sich nach deutschem Datenschutzrecht in Deutschland gegen Google und all die anderen Internetriesen wehren kann.

Letztlich geht es ja dabei immer um die Frage, was schwerer wiegt: die Meinungsfreiheit oder die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen. Ist das nicht eine ganz schwere Abwägungsfrage und wie könnte eine Regelung aussehen, damit man eben nicht jeden Einzelfall betrachten muss?

Nicht jeden Einzelfall zu betrachten wird schwierig. Es gibt eine Grundregel, die der EuGH uns jetzt mitgegeben hat. Danach müssen Prominente die Verarbeitung ihrer Daten durch Google dulden und können nicht mit Persönlichkeitsrechten oder Datenschutz argumentieren. Bei Privatpersonen sieht das anders aus. Da wird es nämlich nur ausnahmsweise der Fall sein, dass, sagen wir, die schlechte Leistung in einem lokalen Fußballspiel bei Google auftaucht. Wer solche Informationen über sich bei Google künftig nicht lesen will, der wird sich möglicherweise dagegen wehren können.

Christian Solmecke ist Anwalt für Internetrecht in Köln.

Das Interview führte Jeanette Seiffert.