Sorge um Gift in deutschen Zechen
11. Mai 2015Die deutsche Steinkohle war seit Mitte des 19. Jahrhunderts der Treibstoff der Industrie. Mehrere 100.000 Menschen bauten mit ausgefeilter Technik die Steinkohleflöze im Ruhrgebiet und an der Saar in bis zu 1000 Meter Tiefe ab.
Der deutsche Steinkohlebergbau ist jedoch auch schon seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht mehr rentabel - er hielt sich nur mit staatlicher Subvention. Die meisten der über 100 Zechen sind heute bereits geschlossen. 2018 stellen die noch verbleibenden den Betrieb des Kohleabbaus ein.
Sorge um Gift im Trinkwasser
Zunehmende Sorge gibt es um hochgiftigen Müll, der Tief unter der Erde in den alten Kohleflözen lagert. Rund 600.000 Tonnen Sondermüll wurden in den 1990er Jahren in den Stollen entsorgt. Hochtoxische Filterstäube aus den Müllverbrennungsanlagen mit Blei, Cadmium, Quecksilber, Arsen und Dioxinen wurden mit einem Bindemittel tief in die Erde gepumpt. Die Befürchtung ist, dass bei einer Umspülung mit Wasser diese Gifte wieder freigesetzt werden und in die Gewässer gelangen.
Auch die krebserregenden Chemikalie PCB (Polychlorierte Biphenyle) beunruhigt Anwohner, Experten und Umweltschützer. Die Chemikalie wurde dem Hydraulikölen der Bergbaumaschinen als Brandschutz zugesetzt. 10.000 Tonnen sollen dort ausgelaufen sein und blieben in Fässern Untertage. PCB ist weltweit inzwischen verboten und zählt zu den zwölf giftigsten Chemikalien.
Befürchtet wird, dass PCB beim Abpumpen des Grubenwassers und durch Flutungen der Schächte zunehmend an die Oberfläche kommt und so Flüsse und Trinkwasser kontaminiert. In den Flüssen an Emscher, Ruhr und Saar ist die PCB-Belastung schon seit Jahren nachweisbar. Für Steffen Potel, vom Bund für Umweltund Naturschutz (BUND) im Saarland, ist dies "eine ökologisch tickende Zeitbombe". Der Fraktionschef der Grünen im Landtag von Saarbrücken, Hubert Ulrich, sieht "die Trinkwasservorkommen in akuter Gefahr".
Der zuständige Bergbaukonzern RAG kommt allerdings zu einer ganz anderen Einschätzung. Die Belastung der Gewässer mit PCB sei gering, betonte Joachim Löchte, Leiter für Umweltschutz der RAG, gegenüber Deutschen Welle. "Daraus folgern wir, dass von diesen Stoffen keine Gefährdung für die Umwelt oder das Trinkwasser ausgeht."
Bemühen um Aufklärung
Ein Untersuchungsausschuss des Saarbrücker Landtags soll nun die umstrittene Flutung der früheren Steinkohlegruben an der Saar und die bisherige Praxis der Kontrollen genauer unter die Lupe nehmen.
Besorgt über mögliche Gefahren für Mensch und Umwelt zeigt sich auch das Umweltministerium von NRW. Ein umfangreiches Gutachten soll jetzt die Risiken genau klären, die von dem eingelagerten Sondermüll und dem PBC ausgehen. "In einem Jahr wissen wir mehr", sagt Frank Seidlitz, Sprecher vom NRW-Umweltministerium.
Dirk Jansen vom BUND in NRW begrüßt die Einholung des Gutachtens und dass jetzt auch die Politik die Befürchtungen ernster nehme. Mit Blick auf eine mögliche Grundwassergefährdung fordert Jansen, dass die Kohlestollen bis zur tiefsten Ebene vorerst trocken gehalten werden, und dass das hochgepumpte Grubenwasser aus den Stollen vor der Einleitung in die Flüsse zukünftig geklärt wird. "Das kostet jedoch sehr viel Geld und deswegen ist die Bereitschaft der Umsetzung gering", bedauert Jansen.
Der Bergbaukonzern RAG bestätigt diese Einschätzung, sieht aber auch derzeit keinen Handlungsbedarf. "Unsere heutigen Messergebnisse zeigen diese Notwendigkeit nicht", so Löchte, "man muss die Verhältnismäßigkeit berücksichtigen. Für die geringsten Mengen an PCB müssten wir einen relativ großen Grubenwasserstrom behandeln."
Ewige Folgekosten für nachfolgende Generationen
2018 sollen in Deutschland die letzten Steinkohlezechen schließen und damit eine Ära der deutschen Industriegeschichte enden. Mit den Folgen des industriellen Bergbaus, der um 1860 begann, werden die nachfolgenden Generationen jedoch immer leben müssen. Unstrittig ist unter allen Experten, dass das Wasser aus den Kohlegruben ewig abgepumpt werden muss, damit es keine Gefahr für das Trinkwasser gibt. Strittig ist lediglich wie tief das Wasser aus den Gruben abgepumpt werden sollte und ob es zusätzlich geklärt werden muss.
Auch der Grundwasserspiegel des Ruhrgebiets muss für immer durch Pumpen abgesenkt werden, damit die durch den Bergbau abgesackte Region nicht zu einer Seenlandschaft wird. Bis zu 40 Meter hat sich die Erdoberfläche in der Region gesenkt, die Innenstadt von Essen sackte bisher um 16 Meter ab.
Um diese enormen Kosten für das permanente Pumpen und auch Gebäudeschäden langfristig abzudecken, wurde von der Politik die RAG-Stiftung 2007 gegründet. Sie verfügt derzeit über einen Kapitalstock von 13 Milliarden Euro und soll die Folgekosten für ewig abdecken.
Viele Politiker geben sich zuversichtlich, dass das Geld für die nachfolgenden Generationen ausreichen wird. Bund-Experte Jansen befürchtet das Gegenteil. "Schon jetzt sind die Ewigkeitskosten gigantisch und man darf skeptisch sein, dass das Kapital dauerhaft ausreichen wird. Die Folgeschäden des Steinkohlebergbaus werden auch noch in 500 Jahren spürbar sein."