SPD: Mit Schwung in die Opposition
17. Oktober 2017Für die frisch gewählten SPD-Abgeordneten im Deutschen Bundestag beginnt die neue Legislaturperiode mit mehr Platz, als die letzte geendet hat. Die Fraktion ist geschrumpft, sie zählt nur noch 153 Köpfe. Jeder fünfte Stuhl konnte aus dem Fraktionssaal im dritten Stock des Reichstagsgebäudes entfernt werden. Gleiches gilt für den sozialdemokratischen Sitzblock im Plenum.
Zudem müssen die Sozialdemokraten einen Rollenwechsel vollziehen. Die Partei ist fest entschlossen, sich nicht an der neuen Regierung zu beteiligen. Das sollen CDU, CSU, FDP und Grüne machen. "Ich finde, sie sollten sich jetzt mal zusammenreißen und auf den Hosenboden setzen", forderte die neue SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles am Dienstag bei einer ganztägigen Fraktionsklausur.
Nicht in Versuchung bringen lassen
In der SPD hoffen alle inständig darauf, dass die Jamaika-Koalition zustande kommt. Denn wenn sie scheitern würde, dann würde die Union wahrscheinlich doch bei der SPD anklopfen und da will man sich in der Partei lieber gar nicht in Versuchung bringen lassen. Auch nicht durch das gute Ergebnis bei den Landtagswahlen in Niedersachsen. Zwar freut man sich in Berlin über den Erfolg der SPD in Hannover, doch Martin Schulz, SPD-Parteichef und nun auch Bundestagsabgeordneter, warnt: "Mit diesem Wahlsieg ist noch nicht ein einziges Problem, was wir anpacken müssen, aus der Welt."
Eine Ansicht, die er mit seiner Fraktionschefin teilt. "Das macht das Bundestagswahlergebnis nicht weniger schmerzhaft", sagt Nahles zum Sieg in Niedersachsen. "Aber es ist doch so, dass wir mit mehr Schwung jetzt an die Arbeit gehen, die vor uns liegt." Die SPD erhebt den Anspruch, im Bundestag eine starke Opposition zu stellen, der Regierung also deutlich Paroli zu bieten. "Umschalten im Kopf" sei dafür nötig, sagt der neue Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider. "Es heißt: voller Angriff auf die Möchtegern-Koalition, die sich da gerade bildet."
Was muss eine linke Volkspartei leisten?
Doch das ist nur eine der Aufgaben, die die SPD in der Opposition angehen will. Die Partei soll die Ursachen für das Debakel bei der Bundestagswahl am 24. September erforschen und sich neu aufstellen. "Das ist wirklich ein schwieriger Prozess, vor dem die SPD steht", sagte der niedersächsische SPD-Chef und Ministerpräsident Stephan Weil. Nach seinem Wahlerfolg hat er gute Chancen, auch in der Bundespartei in Zukunft eine größere Rolle zu spielen.
Die SPD müsse sich auf fast allen Ebenen in Frage stellen, sagt Weil. "Sie muss sich fragen, wie muss eine linke Volkspartei heute eigentlich sein, damit sie wieder überall mehrheitsfähig sein kann." Eine Frage, die in der Tat viele Parteimitglieder umtreibt. Und das nicht erst seit gestern. "Woran hat es gelegen? Diese Frage haben wir schon nach der letzten Bundestagswahl gestellt, aber wir haben die Ursachen nie aufgearbeitet und das dürfen wir nicht wiederholen", sagt der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach.
Alte Themen, neue Initiativen
Stephan Weil meint, dass die SPD in der Vergangenheit zu viele politische Themen nicht so behandelt habe, wie sie ihrer Bedeutung nach hätten behandelt werden müssen. Deswegen sei es ganz wichtig, für die kommenden Jahre die richtigen politischen Schwerpunkte zu setzen, etwa in der Renten- und Gesundheitspolitik.
Die Bundestagsfraktion will damit schon in der nächsten Woche beginnen. "Die Regierungsbildung dauert ja noch, aber der Bundestag konstituiert sich am 24. Oktober, und wir legen dann auch los", kündigt die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles an. "Wir werden den vier Parteien auf die Finger gucken, ob sie ihre Wahlversprechen einhalten, aber auch mit eigenen Initiativen in den nächsten Wochen im Parlament erste eigene Akzente setzen."
Nah am Bürger bleiben
Und welche? Ideen will sich die Fraktion bei den Bürgern holen. Mitte November wollen die Bundestagsabgeordneten in ihren Wahlkreisen an Haustüren klopfen und die Menschen fragen, um welche Themen sich die Sozialdemokraten am dringendsten kümmern sollten. "Fraktion im Dialog" lautet der Titel der Aktion. Nahles will die Kommunikation mit den Bürgern nach dem Wahlkampf nicht wieder abreißen lassen. "Wir brauchen vor allem mehr Profil in unserem Kernthema soziale Gerechtigkeit. Wir haben da einen Schwerpunkt zwar gesetzt, aber offensichtlich die Leute nicht überzeugt und erreicht."
Auch Parteichef Schulz will den Erneuerungsprozess in der SPD eng mit der Basis abstimmen. In den nächsten Wochen will er auf acht Regionalkonferenzen von den Genossen vor Ort hören, was sie umtreibt. Anfang Dezember soll die Strategie der Parteispitze für den Neuanfang dann auf einem SPD-Bundesparteitag in Berlin präsentiert werden.