Stephan Weil: Ein Wahlsieger und viele Fragen
16. Oktober 2017Er freue sich, dass er ein wenig gute Laune mit nach Berlin gebracht habe, sagte Stephan Weil, als er am Montag Vormittag im Willy-Brandt-Haus von SPD-Chef Martin Schulz in Empfang genommen wurde. Niemand dürfe nun das Wahlergebnis in Niedersachsen als eine "Beruhigungspille" sehen, sagte Weil. Er bat seine Parteifreunde darum, den Erneuerungsprozess der SPD - nach der Niederlage bei der Bundestagswahl - nun erst recht anzugehen. Doch dazu später mehr.
Der Ministerpräsident auf dem Bahnsteig
Am frühen Morgen war Wahlsieger Weil bereits auf dem Bahnsteig vom ARD-Frühstücksfernsehen abgefangen worden. Und durfte dort auf Fragen antworten, auf die er zu diesem Zeitpunkt noch keine Antworten haben konnte. Eine "Jamaika"-Koalition aus CDU, FDP und Grünen in seinem Bundesland bezeichnete Weil - aufgrund der Vorfestlegung der Parteien - als eher unwahrscheinlich. "Das halte ich in Niedersachsen für sehr ausgeschlossen", sagte Weil. Denn es habe "so eindeutige Aussagen wirklich von allen Beteiligten" gegeben. "So weit reicht meine Fantasie nicht."
Doch was unternimmt der Ministerpräsident selbst, wenn er nicht als Chef einer geduldeten Minderheitsregierung enden will? Für seine SPD gebe es nach den Ergebnissen vom Sonntag die Möglichkeit einer Ampel mit FDP und Grünen oder einer großen Koalition, erklärte Weil demonstrativ gelassen. Zwar sei beides "nicht so ganz einfach". Aber er werde sehr viele Gespräche führen. Danach werde man sehen, was möglich sei. Sprach's und stieg in den Frühzug nach Berlin.
Und Trittin gibt das nächste Interview
Nach dem vorläufigen Endergebnis hatte die SPD die vorgezogene Landtagswahl mit 36,9 Prozent klar vor der CDU mit 33,6 Prozent gewonnen. Die CDU um Spitzenkandidat Bernd Althusmann erreichte 33,6 Prozent und fiel auf den zweiten Platz zurück. Die Grünen lagen bei 8,7 Prozent, die FDP bei 7,5 Prozent. Die AfD kam auf 6,2 Prozent. Die Linke verpasste mit 4,6 Prozent den Einzug in den Landtag.
Angesichts der Verluste der Grünen ist die rot-grüne Koalition damit Vergangenheit. Überhaupt: die Grünen. Deren ehemaliger Frontmann Jürgen Trittin, dem jetzt vor dem Hintergrund der "Jamaika"-Verhandlungen in Berlin eine besondere Rolle als Mittler zwischen den parteiinternen Flügeln zuwächst, ließ sich am Morgen vom Deutschlandfunk befragen. "Wir sind jetzt in einer Situation, dass es keine Mehrheit jenseits der großen Koalition gibt", sagte Trittin mit Blick auf die Verhältnisse in Niedersachsen. Ansonsten mache das Wahlergebnis "jede Form von Mehrheitsbildung in jeder Richtung sehr, sehr schwierig".
Niedersächsische "Groko" als Erneuerung?
CDU-Mann Bernd Althusmann, der an diesem Montag sicher mit weniger Euphorie die Reise nach Berlin angetreten hat wie sein siegreicher Kontrahent Weil, hatte bereits am Wahlabend eine große Koalition als diskussionswürdig gekennzeichnet. Doch viele Beobachter stellen sich die Frage, wie die Sozialdemokraten das ihren Anhängern erklären wollen: Raus aus der "Groko" in Berlin, dafür rein in die "Groko" in Hannover? Ist das der Erneuerungsprozess der SPD, den Weil ansprach?
Der Tag danach ist auch einer, an dem sich Landespolitiker aus der zweiten Reihe Gehör verschaffen können. Für die Grünen ergriff unter anderem die Landesvorsitzende Meta Janssen-Kucz das Wort. Sie sprach sich gegen eine große Koalition in Niedersachsen aus. Sie bedeute Stillstand, und Stillstand befördere Unzufriedenheit und damit die Rechtspopulisten. Gero Hocker, seines Zeichens Generalsekretär der niedersächsischen FDP, bekräftigte für die Liberalen die Ablehnung einer Ampel-Koalition mit SPD und Grünen. "Zu 100 Prozent", sagte Hocker im Südwestrundfunk. Sein stellvertretender Bundesvorsitzender Wolfgang Kubicki, ebenfalls im ARD-Frühstücksfernsehen schon im Interview, konzentrierte sich in seinen Antworten auf die in dieser Woche kommenden "Jamaika"-Gespräche auf Bundesebene. In Richtung Hannover sagte Kubicki immerhin: Die FDP habe sich vor der Wahl entschieden, eine Ampel auszuschließen. Daran sollte sie sich auch nach der Wahl halten.
Was sagt Frau Schröder-Köpf?
Eine Frau, die sich sehr gut in der niedersächsischen Politik auskennt, sieht das mit der Ampel übrigens ganz anders. Warum nicht, findet Doris Schröder-Köpf. "Ich denke schon, das wäre ein Bündnis der Vernunft", sagte die frühere Gattin von Altkanzler Gerhard Schröder im Südwestrundfunk. Inzwischen ist die Ex-Journalistin Schröder-Köpf, die ja auch schon mal ein Büro im Kanzleramt hatte, SPD-Landtagsabgeordnete.
ml/as (alle agenturen, ARD)