Spekulationen um Osama Bin Ladens Aufenthalt
4. Juli 2006Am Freitag (30.6.2006) ist eine erneute Audiobotschaft von Osama Bin Laden aufgetaucht. In diesem Jahr ist es bereits die fünfte Botschaft. Der mutmaßliche Chef der El Kaida verspricht neue Angriffe auf die USA, weil Topterrorist Abu Mussab al-Sarkawi während eines US-Luftangriffs im Irak getötet wurde.
Die US-Medien fragen: Wo ist Bin Laden? Dieser Aspekt wird immer wieder hervorgerufen, wenn die USA eine neue Audio- oder Videobotschaft des Terrorchefs erhalten. Dort wird darüber spekuliert, warum fast fünf Jahren nach 9-11 Bin Laden und sein Stellvertreter, Ayman el Sawahiri, immer noch nicht gefasst wurden.
Zwei unterschiedliche Denkschulen
Noch kurz vor seinem Rücktritt als CIA-Chef betonte Porter Goss in einem Interview, dass man genau wissen würde, wo sich Bin Laden aufhalten würde. Jedoch hat man trotzdem die Abteilung in der CIA, die 2001 zur Ergreifung des El-Kaida-Chefs gebildet worden war, im vergangenen Jahr 2005 schlicht und ergreifend aufgelöst.
In Geheimdienstkreisen konkurrieren derzeit zwei unterschiedliche Denkschulen miteinander. Die eine sagt, Bin Laden ist nicht mehr so wichtig. Ihr gehört der frühere Terrorismusberater des Weißen Hauses, Richard Clark, an: "Ich glaube, Bin Laden stellt keine Gefahr mehr da. Er ist überwiegend nur noch eine symbolische Figur. Es wäre immer noch gut, wenn die USA ihn töten könnten. Aber inzwischen ist soviel Zeit vergangenen, es wäre nicht vielmehr als ein Pyrrhus-Sieg."
Clark ist der Meinung, eine toter Bin Laden wäre - ähnlich wie Che Guevara - vermutlich als Märtyrer gefährlicher als der lebende, über dessen Gesundheitszustand heftig spekuliert werden darf, nachdem er die letzten Male nur noch Audiobotschaften gesendet hat.
Die andere Schule - und zu ihr gehört zumindest offiziell auch die Bush-Regierung - geht davon aus, dass Bin Laden nach wie vor eine Gefahr darstellt. Ihr zufolge hält sich der El-Kaida-Chef weiterhin im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet auf - wahrscheinlich auf pakistanischer Seite.
Warum also schickt man nicht ein paar tausend Soldaten von Spezialeinheiten in die Region und durchkämmt das Gebiet systematisch nach ihm? Das sei leichter gesagt als getan, meint Ex-CIA-Mitarbeiter Robert Gringier: "Nehmen wir mal an, wir würden tatsächlich drei US-Divisionen in das Gebiet schicken und die pakistanische Souveränität auf diese Art verletzen. Erstens käme es dann zu einem Bürgerkrieg in der Region und es könnte durchaus sein, dass der pakistanische Präsident Pervez Musharraf dann gestürzt würde.