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"Spiegel"-Reporter erfand Artikel

19. Dezember 2018

"Der Spiegel" hat einen Betrugsfall im eigenen Haus offengelegt. Der mehrfach ausgezeichnete Journalist Claas Relotius habe in großem Stil eigene Geschichten manipuliert, so das Nachrichtenmagazin.

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Spiegel-Reporter Claas Relotius
Relotius bei der Verleihung des Reemtsma Liberty Awards (Archivbild)Bild: picture alliance/Eventpress

Noch vor wenigen Wochen wurde Claas Relotius mit dem Deutschen Reporterpreis 2018 in der Kategorie "Beste Reportage" ausgezeichnet, nun steht er vor dem Ende seiner Karriere. In einem auf "Spiegel Online" veröffentlichten Bericht heißt es, der Journalist, der seit Jahren frei und zuletzt fest für das Haus arbeitete, habe viele seiner Geschichten entweder frei erfunden oder zumindest manipuliert. Der 33-Jährige habe die Fälschungen inzwischen zugegeben und das Haus verlassen.

Auch andere Medien, für die Relotius freiberuflich tätig war, können den Angaben des "Spiegel" zufolge von dessen Fälschungen betroffen sein. Im Heft und bei "Spiegel Online" seien seit 2011 knapp 60 Texte von ihm erschienen. "Spiegel" gibt an, Relotius sei durch den Text "Jaegers Grenze" über eine amerikanische Bürgerwehr aufgeflogen, die entlang der Grenze zu Mexiko Streife läuft. Eine Aktivistin, die für diese Gruppe die Pressearbeit macht, fragte demnach per E-Mail an, wie Relotius einen Artikel über ihre Organisation verfassen könne, ohne für ein Interview vorbeizukommen. 

"Der Druck, nicht scheitern zu dürfen, wurde immer größer"

Claas Relotius erhielt während seiner journalistischen Laufbahn vier Deutsche Reporterpreise, den Peter Scholl-Latour-Preis, den Kindernothilfepreis, den European Press Prize und weitere Auszeichnungen. Während seines Geständnisses in der vergangenen Woche erklärte Relotius "Spiegel Online" zufolge: "Es ging nicht um das nächste große Ding. Es war die Angst vor dem Scheitern." Und "mein Druck, nicht scheitern zu dürfen, wurde immer größer, je erfolgreicher ich wurde." Dirk Kurbjuweit aus der "Spiegel"-Chefredaktion zufolge sagte Relotius auch, er sei krank und brauche Hilfe. 

Dass Relotius' Fälschungen über Jahre unentdeckt bleiben konnten, "stellt Fragen an die interne Organisation, die unverzüglich anzugehen sind", schreibt "Spiegel Online" und kündigte an, Arbeitsabläufe, Dokumentationspflichten und organisatorische Rahmenbedingungen im Haus zu überprüfen. Zudem soll eine Kommission aus internen und externen Experten eingesetzt werden, um Hinweisen auf Fälschungen nachzugehen. Die Ergebnisse sollen öffentlich dokumentiert werden.

"Schaden für Journalismus ist groß"

Dirk Kurbjuweit erklärte, der Fall Relotius habe gewiss auch eine politische Dimension. Sollte er in die aktuell geführte Debatte um Fake News aufgenommen werden, "müssen wir uns dem stellen". Der Schaden für den Journalismus und für die Glaubwürdigkeit der Reportage sei groß. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands, Frank Überall.

Ein vergleichbarer Betrugsfall ist im deutschsprachigen Raum zuletzt im Jahr 2000 mit Tom Kummer bekanntgeworden. Der freiberufliche Journalist setzte Teile seiner Interviews mit Hollywoodstars wie Brad Pitt oder Johnny Depp neu zusammen oder erfand sie sogar komplett. Als Jahre später wieder Texte von ihm erschienen, stellte sich heraus, dass es sich erneut um Fälschungen handelte.

"Der Spiegel" ist ein deutsches Nachrichtenmagazin, das seit 1947 erscheint. Das Blatt hat sich in der Vergangenheit mit der Enthüllung politischer Affären einen Namen gemacht und nimmt in der deutschen Medienlandschaft eine wichtige Rolle ein. "Spiegel Online" ist eine der reichweitenstärksten Nachrichten-Websites in Deutschland. Sie gehört ebenfalls zum Spiegel-Verlag, ist jedoch redaktionell und unternehmerisch vom Magazin getrennt.

ie/pg (epd, dpa, spiegel online)