Spionagefieber auf der Krim
25. November 2016Leonid Parchomenko habe im Auftrag der Ukraine die russische Schwarzmeerflotte auf der Krim ausspioniert und sei deswegen festgenommen worden, berichtete der russische Inlandsgeheimdienst FSB. Das russische Staatsfernsehen zeigte Aufnahmen, wie ein Mann Anfang 50 von Maskierten abgeführt und anscheinend verhört wird. Parchomenko sei ein ehemaliger Offizier der russischen Schwarzmeerflotte und habe früher in deren Stab in Sewastopol gearbeitet, hieß es. Ihm drohen jetzt bis zu 20 Jahre Haft wegen "Hochverrats".
Was Parchomenko selbst zu den Vorwürfen sagt, wurde nicht erwähnt. Das ukrainische Verteidigungsministerium in Kiew sprach von einer neuerlichen Provokation. "Wir wissen nichts über diesen Mann", sagte ein Sprecher.
"Wie Du mir, so ich Dir"
Der Vorfall ereignete sich nur wenige Tage nachdem ukrainische Sicherheitsbehörden zwei russische Militärs an der faktischen Grenze zwischen dem ukrainischen Festland und der von Russland annektierten Halbinsel festgenommen hatten. Es handele sich um ehemalige ukrainische Militärs, die nach der Annexion 2014 auf der Krim geblieben seien und nun in der russischen Armee dienten, teilten die ukrainischen Behörden mit.
Die russische Seite schildert den Fall ganz anders: Die jungen Männer hätten lediglich Nachweise über ihre Ausbildung in der Ukraine abholen wollen. An einem Übergang seien sie in einen Hinterhalt gelockt worden. Der russische Präsident Wladimir Putin sprach am Mittwoch von einem "perfiden Vorgang", Außenminister Sergej Lawrow von einer Provokation. Die Ukraine dagegen wirft den festgenommenen Männern Fahnenflucht vor. Tausende ukrainische Militärs waren nach der Annexion der Krim zur russischen Seite übergelaufen.
Hofft Kiew auf einen Austausch?
Dieser und andere Fälle erinnern an das Verhaltensmuster "Wie Du mir, so ich Dir". In Russland und der Ukraine wird spekuliert, dass Kiew möglicherweise die russischen Militärs austauschen wolle. Solche Austausch-Aktionen hatte es in den vergangenen zwei Jahren sind immer gegeben: mal zwischen Russland und der Ukraine, mal zwischen Kiew und den pro-russischen Separatisten in der Ostukraine.
Spionagevorwürfe häufen sich vor allem auf der russischen Seite. Erst Anfang November meldete der FSB die Festnahme von drei Ukrainern auf der Krim, die angeblich Sabotageakte geplant hatten. Wenige Tage später wurden zwei weitere Personen "aus der gleichen Gruppierung" festgenommen. Das ukrainische Verteidigungsministerium wies die Behauptung zurück, es handele sich um seine Mitarbeiter.
Ende September wurde in Moskau der ukrainische Journalist Roman Suschtschenko festgenommen. Der Paris-Korrespondent einer staatlichen ukrainischen Nachrichtenagentur wird beschuldigt, als Offizier der Kiewer Militäraufklärung in Russland Spionage betrieben zu haben. Suschtschenko weist die Vorwürfe zurück, ebenso wie die Regierung in Kiew.
Belastung vor Normandie-Treffen
Der bisher spektakulärste Fall ereignete sich Anfang August. Der FSB berichtete damals, Terroranschläge der ukrainischen Geheimdienste verhindert zu haben. Mehr als ein halbes Dutzend Männer - Russen und Ukrainer - seien auf der Krim festgenommen, mindestens zwei verhaftet worden. Bei einem Gefecht an der faktischen Grenze sei ein FSB-Mitarbeiter getötet worden. Der russische Präsident Putin sagte aus diesem Grund ein für Anfang September am Rande des G20-Gipfels in China geplantes Spitzentreffen im sogenannten Normandie-Format zur Ukraine-Krise ab. Ein solches Treffen fand dann erst wieder im Oktober in Berlin statt.
Für Dienstag kommender Woche ist im weißrussischen Minsk wieder ein Treffen im Normandie-Format geplant. Dabei wollen die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, der Ukraine und Russlands über einen konkreten Fahrplan zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen über die Lösung des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine beraten. Die jüngsten Festnahmen auf der Krim dürften das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Moskau und Kiew zusätzlich belasten.