Spitzelbericht veröffentlicht
26. Mai 2006Die Überwachung durch den BND sei "ganz überwiegend rechtswidrig" gewesen, stellte der ehemalige Bundesrichter Gerhard Schäfer in seinem Gutachten fest. Auch seien Journalisten als Spitzel mit dem Ziel geführt worden, "Informationen, Informanten und redaktionelle Hintergründe auszuforschen". Auch dies sei in manchen Fällen rechtswidrig gewesen, auch wenn dies nicht von vornherein unzulässig sei. Schäfer machte auch Empfehlung für notwendige Konsequenzen. Zur Klärung der Verantwortung wird ein Untersuchungsausschuss wahrscheinlicher.
Verzögerte Veröffentlichung
Der 179 Seiten lange Bericht wurde im Internet unter www.bundestag.de veröffentlicht. Die Veröffentlichung hatte sich am Freitag noch bis zum Abend verzögert. So musste das Gutachten an einigen Stellen geschwärzt werden. Ein betroffener "Focus"-Journalist hatte eine einstweilige Anordnung gegen die Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten erreicht. Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) wollte gegen diese Einschränkungen vor Gericht gehen. Es hatte die Veröffentlichung des Berichts beschlossen, nachdem Teile bereits in einer Zeitung erschienen waren. Schäfer hatte den Bericht für das PKG erstellt.
Der Bericht beruht auf BND-Unterlagen und Auskünften einzelner Personen. Demnach hatte der BND in den 90er Jahren bis zum Jahr 2005 Journalisten bespitzelte, angeblich um undichte Stellen im eigenen Apparat ausfindig zu machen. "Organisatorische Unzulänglichkeit und Mängel bei der dienstlichen Fachaufsicht lassen sich angesichts des Zeitablaufs und zum Teil fehlender Dokumentation nur teilweise feststellen", schrieb Schäfer. Er empfahl für den BND daher unter anderem, "eine schriftliche Dokumentation vorzuschreiben', die etwa 'die angeordnete Maßnahme samt ihrer Rechtsgrundlage" umfassen solle.
"Fülle von Konsequenzen"
Kurz vor der Veröffentlichung des Berichts kündigte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm eine "Fülle" von Konsequenzen an. Dies werde aus der Stellungnahme der Bundesregierung zu der Bespitzelung hervorgehen, die ebenfalls am Freitag veröffentlicht werden sollte. Die Maßnahmen dienten alle dem Ziel, dass sich "solche Entwicklungen in Zukunft nicht wiederholen". Die Bundesregierung hatte bereits den BND sowie andere Geheimdienste angewiesen, zur Eigensicherung im Inland keine Journalisten mehr als Spitzel anzuwerben.
Dennoch hielt die Opposition einen Untersuchungsausschuss für möglich, um die politische Verantwortung zu klären. "Die FDP behält sich alle parlamentarischen Schritte vor", erklärte PKG-Mitglied Max Stadler (FDP) nach der Veröffentlichung. "Es ist aber noch zu früh, über die Behandlung des Themas in einem Untersuchungsausschuss zu spekulieren."
Klärung der fachlichen und politischen Verantwortung
Der grüne Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele erklärte, dass Bundestag und PKG nun darüber wachen müssten, dass die von der Bundesregierung angekündigten Konsequenzen für den BDN auch tatsächlich umgesetzt werden. Außerdem müssten die fachliche und politische Verantwortung für die Vorgänge in der BND-Leitung wie im Kanzleramt geklärt werden. Dies sollte zunächst in den Ausschüssen des Bundestages in der kommenden Woche geschehen. Es werde aber auch eine Befassung in einem Untersuchungsausschuss immer wahrscheinlicher.
Für die Linksfraktion erklärte deren PKG-Mitglied Wolfgang Neskovic, nach der Veröffentlichung werde der Klärungsbedarf bei der politischen Verantwortung noch drängender. Dazu sei weitere Aufklärung nötig, die der Schäfer-Bericht schon wegen der Art und Weise seines Zustandekommens gar nicht habe leisten konnte. Die Opposition sowie betroffenen Journalisten hatten kritisiert, dass Schäfer zur Erstellung des Bericht lediglich Zugang zu den vom BND selbst bereitgestellten Unterlagen sowie Aussagen von Beteiligten hatte. (wga)