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BRICS-Staaten suchen Profil

Ludger Schadomsky26. März 2013

In Durban wollen Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika die lose BRICS-Gruppe mit Leben füllen. Ganz oben auf der Tagesordnung des Gipfels in Südafrika: Syrien und eine eigene Entwicklungsbank.

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Die Staatschefs der BRICS-Staaten halten Hände in die Luft (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Wird aus BRICS demnächst E-BRICS? Als hätte die heterogene Staaten-Gruppe aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika nicht genug Mühe mit der Identitätsfindung, gibt es nun schon den nächsten Beitrittskandidaten. Pünktlich zum jährlichen Gipfeltreffen - dieses Mal im südafrikanischen Durban - hinterlegte Ägyptens Präsident Mohammed Mursi bei einem Besuch in Indien den Wunsch seines Landes, BRICS-Mitglied zu werden. Das Akronym BRICS solle dann um ein E (für Egypt) in E-BRICS erweitert werden.

Schon nach dem Beitritt Südafrikas 2011 hatte BRICS-Namensgeber Jim O'Neill den Untergang des 'Boom-Clubs' vorausgesagt: "Südafrika gehört nicht in die BRIC-Gruppe und wird alle nach unten ziehen", sagte er und empfahl Mexiko oder die Türkei als Alternative.

Schlusslicht Südafrika

Die deutsche Bertelsmann-Stiftung hat nun eine neue Studie vorgelegt, die diesem Urteil recht zu geben scheint: Südafrika habe trotz guter Wirtschaftszahlen und hoher Staatsausgaben "keine positive Sozialentwicklung" gezeigt, heißt es in dem Papier. Gesundheits- und Bildungssystem sowie der Arbeitsmarkt gäben Anlass zur Sorge. "Man sollte vorsichtig mit direkten Vergleichen sein", sagt Bertelsmanns BRICS-Experte Najim Azahaf der DW. Doch Südafrika bilde das Schlusslicht und zeige - im Gegensatz zu Brasilien, das ebenfalls hohe soziale Unterschiede aufweise - keine Trendwende.

Schon 2012 hatte Bertelsmann in einer groß angelegten Studie den BRICS-Mitgliedern neben politischem Reformstau vor allem eine gravierende soziale Ungerechtigkeit nachgewiesen. Das Urteil ist bedenklich für einen Klub, der mit seinen drei Milliarden Menschen doch ein Gegengewicht zu den als ungerecht empfundenen Strukturen von den Gruppen der führenden Wirtschaftsnationen G7 und G8, Weltbank, Internationalem Währungsfonds (IWF) und UN-Sicherheitsrat bilden will.

BRICS-Staaten (Foto: DW-Grafik: Peter Steinmetz, Redakteurin: Maja Braun)

BRICS gegen den Rest der Welt?

"Die BRICS sind ein Schock für die gegenwärtige Weltordnung" kommentierte eine chinesische Zeitung jüngst den unverhohlenen Versuch der Fünfer-Staatengruppe, den USA und Europa den Rang abzulaufen. Noch immer sitzt der Frust tief bei den BRICS-Mitgliedern über den Libyenkonflikt und die Rolle der NATO. Auf ihrem Chinatreffen 2011 kritisierten sie in der sogenannten Sanya-Deklaration die westliche Militärintervention in harschem Ton.

Das Logo des BRICS-Gipfels 2013
Das Logo des BRICS-Gipfels 2013

So erklärt sich auch das Abstimmungsverhalten im Sicherheitsrat zu den von den Europäern eingebrachten Syrien-Resolutionen. Russland und China legten ein Doppelveto ein, Indien, Brasilien und Südafrika enthielten sich - der Antrag fiel trotz intensiver Lobbyarbeit Frankreichs und Deutschlands durch. Schon appelliert Syriens Präsident Bashar al-Assad vor dem Durban-Gipfel an die BRICS-Staaten, sie mögen doch die Krise in seinem Land lösen helfen. Neben Syrien dürften es auch Nordkorea und Iran ins Abschluss-Kommuniqué von Durban schaffen. "BRICS ist längst ein geopolitisches Konstrukt geworden", sagt Peter Draper, Ökonom und BRICS-Experte an der renommierten Wits Business School im südafrikanischen Johannesburg. BRICS sei heute ein Gegengewicht zu den G8, was besonders die Position Russlands interessant mache. "Denn die Russen sind schließlich in beiden Gruppierungen vertreten". Letztlich könne der Schulterschluss in der Syrien-Frage aber nicht über die tiefen Gräben innerhalb des Zweckbündnisses hinwegtäuschen, etwa zur Reform des UN-Sicherheitsrates, so Draper. 

Bauarbeiter auf einer Baustelle in Brasilien. (Foto: REUTERS/US Air Force/Handout/Files)
Die BRICS-Staaten möchten künftig mehr selbst über Infrastruktur-Projekte entscheiden - mit einer eigenen BankBild: AP

Noch eine Entwicklungsbank

Darum will man nun in Südafrika Tatsachen schaffen. Vor allem die von Indien vorangetriebene Süd-Süd-Entwicklungsbank, exklusiv von BRICS-Mitgliedern und assoziierten Entwicklungsländern getragen, könnte in Durban abgesegnet werden. Die sogenannte "BRICS Development Bank" soll ein Gegengewicht zu den Institutionen Weltbank und IWF bilden, die in Peking, Delhi und Pretoria nach wie vor als verlängerter Arm der US-Regierung gelten. Eine mit einer Einlage von angeblich 50 Milliarden Euro ausgestattete "Süd-Bank" könnte dagegen autonom über Entwicklungs- und Infrastrukturprojekte entscheiden. Und es ist kein Geheimnis, dass Gastgeber Südafrika gerne am kommenden Mittwoch den Zuschlag für dessen Standort bekommen würde - wie übrigens auch Schanghai und Moskau.

Den Segen der Weltbank hat die BRICS-Gruppe bereits: Deren Chefökonom Kaushik Baus begrüßte die Initiative, warnte jedoch gleichzeitig vor einer "Herkulesaufgabe". Kritiker weisen darauf hin, dass eine neue Süd-Bank der geplanten Stärkung der bereits existierenden Regionalbanken, also der "African Development Bank" und der "Asian Development Bank", zuwiderlaufen würde.

Die Chinesen kommen - Indien ist schon da

Chinas Vizepräsident Xi Jinping. (Foto: REUTERS/David Moir/Files)
Auch Chinas Präsident Xi Jinping wird in Durban erwartetBild: Reuters

Besonderes Augenmerk wird auf seiner ersten Auslandsreise dem neuen chinesischen Präsidenten Xi Jinping zuteil. Der wird in Durban nicht nur für Schanghai werben, sondern generell das gewaltige Interesse Pekings an Afrika unterstreichen, das sich in einer gemeinsamen Handelsbilanz von 166 Milliarden Euro im Jahr 2011 ausdrückt.

Glaubt man dem Bertelsmann-Forscher Najim Azahaf, dann werden die 5000 Delegierten im Badeort Durban eine Neuauflage des kolonialen "Scramble for Africa", des Schacherns um Afrikas Ressourcen, sehen. "Nicht nur China ist an den Rohstoffen und Mineralien Afrikas interessiert", so der BRICS-Experte. "Brasilien hat schon vor längerer Zeit das portugiesisch-sprachige Afrika für sich entdeckt und Indien hat seit jeher starke Verbindungen zum Kontinent".

Jenseits der Ressourcenstrategie kommen in Durban eine Reihe weiterer Themen auf den Tisch: Schon Ende 2011 gründete die BRICS-Gruppe eine gemeinsame Denkfabrik. Sie soll in Durban neuen Schwung erhalten. Auch ein gemeinsamer Wirtschaftsrat steht auf der Agenda sowie ein 240 Milliarden US-Dollar schwerer Antikrisenfonds, der devisenschwachen Mitgliedern wie Südafrika über Zahlungsengpässe hinweghelfen soll.

BRICS goes online - Afrika geht mit

--- für die Redaktion Portugiesisch für Afrika --- African man typing on a laptop Keine Weitergabe an Drittverwerter.
Schneller ins Internet - ein neues Glasfaserkabel der BRICS-Gruppe soll es ermöglichenBild: picture alliance/Anka Agency I

Ganz konkret ist schon das sogenannte "BRICS-Kabel", das beim Treffen der fünf Staats- und Regierungschefs mit afrikanischen Führern am Mittwoch (27.03.2013) zum Thema Infrastruktur aufgerufen werden wird: Das 34.000 Kilometer lange Glasfaserkabel mit einer Kapazität von schnellen 12.8 Terabits pro Sekunde, das die BRICS-Staaten untereinander und mit den USA verbinden soll, steht offenbar vor dem Durchbruch. Investoren für das 1,5 Milliarden US-Dollar teure IT-Projekt geben sich jedenfalls die Klinke in die Hand, ist zu hören.

Damit wird die bislang reichlich abstrakte Ländergruppe auch für die BRICS-Bürger greifbar: Wenn das Kabel wie geplant 2014 online geht, wird der Internetzugang für viele Menschen leichter und billiger - allein in Afrika profitieren 21 Länder. Es sind Erfolgsmeldungen wie diese, die der erste BRICS-Gipfel auf afrikanischem Grund aussenden will. Offizielle Reaktionen auf das Beitrittsgesuch Ägyptens stehen übrigens noch aus, und Präsident Mursi wird in Durban einen neuen Anlauf unternehmen. Doch es scheint eher zweifelhaft, dass die etablierten BRICS-Staaten ausgerechnet den politischen und wirtschaftlichen Wackelkandidaten Ägypten aufnehmen - noch dazu prominent an erster Stelle. Geht es nach BRIC-Namensgeber Jim O'Neill, dann stehen mit Mexiko, der Türkei, Südkorea oder Indonesien deutlich potentere Kandidaten bereit.