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Politik

Stadt. Land. Frust.

21. September 2018

Während auf dem Land massenweise Wohnungen leer stehen, platzt der Markt in den Städten aus allen Nähten. Der Wettbewerb wird immer härter, sozial benachteiligte Menschen haben im Rennen um eine Wohnung kaum eine Chance.

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Wohnungsgesuch in Berlin-Prenzlauer
Bild: Imago/Seeliger

"Es ist einfach nur frustrierend!" Michiko Park vom Frauen- und Kinderschutzhaus in Troisdorf hilft alleinerziehenden Frauen und ihren Kindern, im Köln-Bonner Raum Wohnungen zu finden. Eine Herkulesaufgabe. "Manchmal bekommen die Frauen fünf Absagen am gleichen Tag. Diese permanenten Ablehnungen gehen nicht spurlos an ihnen vorbei." Alleinerziehende Frauen in Deutschland - für sie hat die schwierige Lage auf dem Wohnungsmarkt die gravierendsten Folgen.

Acht Frauen und zwölf Kinder sind derzeit im Frauenhaus untergebracht, die meisten von ihnen sind Opfer häuslicher Gewalt. Fühlen sich die Frauen in der Verfassung, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen, kommt die Wohnungssuche. Und die frisst Nerven, Zeit und auch Personal. "Die Studenten, die bei uns Praktika absolvieren, sind eigentlich nur noch damit beschäftigt, die Frauen bei der Suche nach einer Wohnung zu unterstützen."

Deutschland Armut Kinder Familie Alleinerziehende
20 Prozent der Eltern hier sind alleinerziehend, Tendenz steigend. Auf dem Wohnungsmarkt sind sie quasi chancenlosBild: picture-alliance/dpa/M. Kusch

Das Weihnachtswunder ist eher Ausnahme als Regel

Die Sozialpädagogin erinnert sich an eine Familie, die nach wochenlanger Suche kurz vor Weihnachten endlich eine Wohnung gefunden hatte. Doch der Vermieter verlangte dann plötzlich 2500 Euro als Abschlag für die Küche. Geld, welches die alleinerziehende Frau natürlich nicht hatte. "Wir sind an die Öffentlichkeit gegangen. Und dann hat tatsächlich jemand hier angerufen und gesagt, ich habe das heute Morgen in der Zeitung gelesen, ich übernehme das." Park ist immer noch gerührt: "Das war unser Weihnachtswunder!"

Ein Happy End, das jedoch eher Ausnahme als Regel ist. Wären da nicht die Städte und Gemeinden gefordert, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen? "Eigentlich schon", sagt Michiko Park, "doch ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir in letzter Zeit jemals über den Wohnberechtigungsschein eine Wohnung bekommen hätten. Man steht da auf irgendwelchen Listen, doch es passiert nichts."

Kampf um die Traumwohnung gleicht olympischem Rennen

Klagen wie diese kommen Jürgen Schönfeldt sehr bekannt vor. Der Jurist ist Rechtsberater beim Deutschen Mieterbund Bonn/Rhein-Sieg/Ahr e.V. und vertritt insgesamt 22.000 Mitglieder. "Die Region hier ist ein Vermietermarkt," erklärt Schönfeldt, "das heißt, die Vermieter suchen sich olympiareife Mieter aus. Und besonders Alleinerziehende haben es da schwer." Soll heißen: Überhaupt erst einmal ins Finale, also in die engere Auswahl für eine Wohnung zu kommen, sei für diese Gruppe fast unmöglich. "Eigentlich sind Alleinerziehende kaum zu vermitteln, da würde ich schon von Wohnungsnot sprechen."

Jürgen Schönfeldt vom Deutschen Mieterbund
"Schuld an der Wohnungsnot sind die Kommunen und die Länder" - Jürgen Schönfeldt vom Deutschen MieterbundBild: DW/O. Pieper

Aber auch die sogenannten olympiareifen Mieter müssen einen wahren Marathon absolvieren, um an eine Wohnung zu kommen. Und dabei die große Konkurrenz abschütteln. "Heutzutage werden täglich bis zu 50 Interessenten durch eine Wohnung geschleust, das sagt doch alles, in welcher Situation wir uns in Deutschland mittlerweile befinden," klagt Schönfeldt. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt habe sich insbesondere in den vergangenen vier Jahren extrem zugespitzt.

Wohnungsnot kann dramatische gesellschaftspolitische Konsequenzen haben

Der Deutsche Mieterbund habe jahrelang vor dieser Entwicklung gewarnt, betont der Jurist. Aber bei der Politik sei man damit nur auf taube Ohren gestoßen. "Alle, Städte und Kommunen, haben gesagt, wir brauchen keine Wohnungen mehr. Wir schrumpfen ja sowieso als Volk, wir werden immer weniger und deshalb lohnt sich das nicht." Seit den 1990er Jahren hat sich der Staat deshalb komplett aus dem Wohnungsbau verabschiedet, Flächen und Häuser verkauft.

Die Konsequenzen sieht man jetzt, die Städte haben mittlerweile nicht einmal mehr qualitativ schlechtere Wohnungen im Angebot. Und das könne auch dramatische gesellschaftspolitische Konsequenzen haben, warnt Jürgen Schönfeldt: "Es ist eine Gefahr für die Demokratie, denn die Leute werden immer verbitterter. Sie fragen sich, warum soll ich überhaupt noch wählen gehen, hilft mir eh nichts."

Niemand will aufs Land ziehen

Bernd Viebach vertritt die andere Seite, er hat mit den Vermietern und den olympiareifen Mietern zu tun. Viebach ist für das Marketing bei "Kraft Immobilien" zuständig, einem der größten Maklerunternehmen in Bonn. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt sieht er ähnlich, die Lage sei sehr angespannt: "Aber das ist eigentlich ein hausgemachtes Problem, wir haben ja genug Wohnraum. Nur ungleich verteilt. Auf dem Land haben wir einen massiven Leerstand."

Bernd Viebach von Kraft Immobilien in Bonn
"95 Prozent unserer Vermieter wollen Mieter mit Festanstellung" - Bernd Viebach von "Kraft Immobilien"Bild: DW/O. Pieper

Während bei einer günstigen Vier-Zimmer-Wohnung mit Garten in der Stadt über Nacht schon einmal 250 Anfragen und mehr eintrudeln, bleiben die Makler auf Wohnungen und Häusern auf dem Land sitzen. "Wir haben ein Haus in der Eifel, also 50 Kilometer von hier, zu einem absolut fairen Preis im Angebot. Seit zwei Jahren. Aber wir werden es partout nicht los," erzählt Viebach.

Wohnungsplattform Airbnb verschärft die Probleme auf dem Wohnungsmarkt

Eine schlechte Verkehrsanbindung, kaum funktionierendes Internet, keine Schulen - der ländliche Raum wurde jahrelang so vernachlässigt, dass dort niemand mehr hinziehen wolle, sagt Viebach. In der Stadt dagegen sei der soziale Wohnungsbau hinten angestellt worden. "Man hat damals gesagt, das regelt sich irgendwann schon von selbst."

Hinzu kommen dann noch Wettbewerber wie der Wohnungsvermittler Airbnb, die den Markt komplett umgekrempelt haben. "In Bonn wird mittlerweile jede dritte Wohnung auf Zeit vermietet, in Düsseldorf sogar jede zweite. Das heißt, ein Drittel beziehungsweise die Hälfte aller Mietwohnungen stehen gar nicht mehr zur Verfügung." Für Bernd Viebach gibt es deswegen beim Mietgipfel nur eine Lösung: "Man kann natürlich die Städte weiter zubauen. Aber ich glaube, es ist viel wichtiger, massiv in den ländlichen Raum zu investieren."

Porträt eines blonden Manns im schwarzen Hemd
Oliver Pieper DW-Reporter und Redakteur