Steinmeier: "Schützen Sie sich und andere!"
25. Februar 2021Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat bei den Bundesbürgern um Vertrauen in alle zugelassenen Corona-Impfstoffe geworben. Er habe "nur wenig Verständnis für die Zurückhaltung gegenüber dem einen oder dem anderen Impfstoff". Das sei "ein ziemliches Luxusproblem", betonte Steinmeier mit Verweis auf diejenigen, die noch immer auf eine Impfung warteten, oder auf Menschen in Ländern, in denen noch lange keine Aussicht darauf bestehe. Wissenschaftliche Studien zeigten, dass alle von der Europäischen Arzneimittelagentur genehmigten Impfstoffe wirksam und verträglich seien.
Zwei Monate nach dem Impfbeginn in Deutschland gebe es Unzufriedenheit, sagte der Bundespräsident im Gespräch mit Bürgern, die im Gesundheits- und Pflegebereich arbeiten. "Der Start der Impfkampagne war sicherlich nicht perfekt." Dabei solle aber nicht vergessen werden: "Die Impfungen selbst werden die Wende im Kampf gegen das Virus bringen." Steinmeier appellierte an die Bevölkerung: "Nehmen Sie Ihr Impfangebot wahr, wenn Sie an der Reihe sind. Schützen Sie sich selbst und andere!"
Nach einem schleppenden Start beschleunigt sich das Impftempo derzeit. Bei manchen Bürgern überwiegt jedoch die Skepsis - vor allem mit Blick auf den Corona-Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers AstraZeneca. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier sieht für die fehlende Akzeptanz gegenüber dem Vakzin eine Mitverantwortung beim Bund und der Ständigen Impfkommission (STIKO). Die anfängliche Kommunikation über dessen Wirksamkeit sei misslungen. Auch Bouffier forderte dazu auf, sich impfen zu lassen.
"Für kranke Menschen schwer verständlich"
STIKO-Chef Thomas Mertens warnt derweil vor einer Immunisierung "nach Gutsherrenart". Dass seit Mittwoch Grundschullehrkräfte und Kita-Erzieherinnen vorrangig geimpft werden könnten, weiche von der Reihenfolge ab, die die STIKO aufgrund wissenschaftlicher Kriterien empfohlen habe, sagte Mertens im Rundfunk Berlin-Brandenburg. Für Menschen mit Vorerkrankungen sei es schwer verständlich, wenn sie deshalb länger auf eine Impfung warten müssten.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte binnen eines Tages 11.869 Neuinfektionen mit dem Coronavirus und 385 Todesfälle verzeichnet. Die Sieben-Tage-Inzidenz, die angibt, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner sich in diesem Zeitraum anstecken, stieg von 59,3 auf 61,7. Ziel der Bundesregierung ist es, den Wert unter 35 zu drücken.
"Drei Wochen lang mehr Disziplin"
Am kommenden Mittwoch wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Länderchefs über das weitere Vorgehen beraten. Der geltende Lockdown ist derzeit bis übernächsten Sonntag (14. März) befristet. Deutschlands Intensiv- und Notfallmediziner verlangen eine Verlängerung der strengen Maßnahmen bis Anfang April. Drei Wochen mit mehr Disziplin seien entscheidend, um durch Impfungen eine schwer bis gar nicht mehr kontrollierbare dritte Welle zu vermeiden, sagte Gernot Marx, Präsident der Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI). Nach einem Prognosemodell der DIVI könnte eine Lockerung bereits am 7. März die Zahl schwer kranker Corona-Klinikpatienten exorbitant in die Höhe treiben.
In zehn Bundesländern hatten am Montag Kitas und Grundschulen geöffnet oder ihren Betrieb ausgeweitet. Niedersachsen und Sachsen hatten bereits im Januar und in der vergangenen Woche den Anfang gemacht. Laut einer Studie des RKI kommt es auch bei Schülern zu Corona-Übertragungen. Auftretende Ausbrüche seien aber im Regelfall überschaubar, schreibt das Institut in einer Metaanalyse.
In rund der Hälfte der untersuchten Fälle hätten sie sich auf die entsprechenden Jahrgänge oder Klassen beschränkt. Lehrkräfte spielten im Infektionsgeschehen "eine vielleicht wichtigere Rolle". Das RKI weist allerdings darauf hin, dass gerade bei Grundschülern womöglich viele Infektionen nicht entdeckt würden, weil sie häufig keine Symptome aufwiesen.
Eine "neue Herausforderung" stellten zudem die Corona-Mutanten dar, insbesondere die britische Variante B.1.1.7. Diese seien vermutlich in allen Altersgruppen leichter übertragbar. Wenn sie sich weiter ausbreiteten, könne der Anteil der Schulen am Infektionsgeschehen zunehmen, schreiben die Wissenschaftler.
jj/qu (dpa, afp, rtr)