Stindl: "Fußball ist, etwas zurückzugeben"
29. September 2017DW: Bis vor fünf Jahren waren Sie noch ein überdurchschnittlicher Spieler in einer durchschnittlichen Mannschaft, wenn man Hannover 96 so bezeichnen darf. Jetzt, mit 28 Jahren, sind Sie Kapitän bei Borussia Mönchengladbach und Teil der DFB-Elf, mit der Sie im Sommer den Confed Cup gewonnen haben. Was ist in den vergangenen Jahren passiert?
Lars Stindl: Ich glaube insgesamt bin ich in meiner Karriere in kleinen Schritten immer ein bisschen bergauf gegangen. Kein absoluter Durchbruch, aber ich habe mich immer stetig gesteigert in meiner Entwicklung. Dann habe ich vor ein paar Jahren entschieden, nach Gladbach zu kommen, was eine absolut richtige Entscheidung war. Ich konnte mich hier weiterentwickeln, konnte im internationalen Bereich neue Erfahrungen sammeln und natürlich jetzt im Sommer das Highlight erleben. Ich durfte bei der Nationalmannschaft reinschnuppern und dann gleich so einen erfolgreichen Cup spielen.
Können Sie sich erinnern, wie es war als kleiner Junge ins Fußballstadion zu gehen? Wie sieht man die Spieler? Was war die Faszination?
Den ersten Eindruck kann ich so genau nicht mehr wiedergeben. Aber natürlich will man als kleiner Junge in so einem Stadion, mit der Atmosphäre, mit den Menschen, mit einer Mannschaft mitfiebern. Bei einem Ereignis mitzufiebern, soviel Freude über Tore, das ist schon etwas Besonderes. Wenn alle einig sind und der Mannschaft den Erfolg wünschen und das dann auch passiert, die Euphorie vom Platz dann auf die Tribüne überschwappt, das sind schon ganz, ganz tolle Momente.
Lassen Sie uns die kleine Zeitreise ein wenig fortsetzen: Die Fußballschuhe schnürten Sie in ihrer Kindheit beim Turn- und Sportverein Wiesental. Von was haben Sie, sagen wir als Achtjähriger, damals so geträumt?
Ja richtig, mein Heimatverein, das ist glaube ich die Anfangszeit eines Jeden, zu Hause mit den Freunden, Verwandten Fußball zu spielen. Danach habe ich beim ortsansässigen Fußballverein auch eine sehr, sehr schöne Zeit gehabt. Da war natürlich der Traum groß, irgendwann mal Profifußballer zu werden. Diesen Traum, irgendwann einmal im Stadion einlaufen zu dürfen, das ist natürlich etwas ganz Besonderes, sehr weit entfernt noch. Ich glaube die Träume hatten alle. Da war die Welt noch in Ordnung.
Ab Ihrem zwölften Lebensjahr haben Sie beim Karlsruher SC in der Jugend gespielt und sind dort später auch in die erste Mannschaft aufgestiegen. Wovon haben Sie denn als 19-Jähriger geträumt?
Man macht in so einer Zeit bei einem Verein eine Entwicklung durch. Es ist nicht mehr so wie in jungen Jahren, es ist alles professioneller, es läuft langsam auf die Dinge hinaus, auf die es ankommt in der Zukunft. Und dann im Bereich der A-Jugend, bis hin zur U19, beziehungsweise mit der U23, wird dann die Richtung ein Stück weit vorgegeben. Es spielen viele Faktoren eine Rolle: der Zeitpunkt, das Talent, ein Stück weit auch Glück in der Situation zu haben. Und das war dann die Zeit, als ich da reingerutscht bin. Ich habe auf mich aufmerksam gemacht, habe mich für weitere Einsätze qualifiziert, bis ich den Durchbruch geschafft habe.
Gab es in dieser Zeit beim KSC einen Moment, in dem Sie sich gesagt haben: "Ich werde jetzt Profi, das ist mein Traum und das ist jetzt der Zeitpunkt."?
Es gab nicht diesen einen Punkt, es war eine Entwicklung. Vor allem im U19-Bereich, wo man dann heutzutage professionell aufgestellt ist. Man spielt dann gegen die absoluten Topvereine VfB Stuttgart, Bayern München, 1860 München, SC Freiburg, die immer gute Jugendarbeit geleistet haben. Mit den Besten aus seinem Jahrgang misst man sich in den Topspielen. Und da ist natürlich der Wunsch, diesen Durchbruch zu schaffen, umso größer.
Träumen die Kids heute noch den gleichen Traum vom Fußball, den Sie geträumt haben?
Ich hoffe es doch. Es wäre schade, wenn das nicht der Fall wäre. Wir spielen natürlich in einer erfolgsorientierten Welt, aber Fußball ist einfach mitfiebern, was zurückgeben, den Traum leben lassen für die Kinder die hoffen, irgendwann selber dabei sein zu dürfen.
Zurück zum Confed-Cup-Sieg im Sommer mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft: Haben Sie schon realisiert was Sie da erreicht haben oder erscheint Ihnen das immer noch wie ein Traum?
Es war schon was Besonderes. Beginnend mit der Nominierung, für Deutschland zu spielen und in der Mannschaft dabei zu sein. Wohlwissend, dass es keine EM oder WM ist, wussten wir schon um den Stellenwert des Turniers. Es war ein internationales Turnier, in dem der Fokus stark war. Alle Mannschaften wollten diesen Cup gewinnen. Es waren sehr ambitionierte Mannschaften dabei, wir haben da Paroli geboten, haben unsere Leistung gezeigt, haben darüber hinaus noch sehr erfolgreich gespielt, und das ist schon was Besonderes.
Sie waren in Hannover Kapitän, Sie sind jetzt in Gladbach Kapitän. Was ist Ihr Geheimnis, dass Sie, obwohl Sie so ein ganz ruhiger Typ sind, trotzdem dieses Amt anvertraut bekommen haben?
Ich glaube, man sollte ruhig und besonnen an die Sachen rangehen, aber wenn es mal Gesprächsbedarf gibt, kann ich auch meine Meinung sagen oder kann das zeigen, auch auf dem Platz.
Sie sagten einmal "auch wenn im Fußball nichts läuft, kann ich ein glücklicher Mensch sein". Das klingt nach einer strikten Trennung von Job und Privatleben.
Ja, absolut. Das ist ja ein Prozess, den man durchmachen muss, das zu trennen. Natürlich gab es in meiner sportlichen Karriere Momente oder Phasen, wo es nicht so gut lief. Wo man auch gegen den Abstieg kämpft, wobei viel davon Kopfsache ist. Trotzdem muss man immer irgendwie versuchen, sich davon im Privatleben nicht verrückt machen zu lassen. Und jetzt, gerade wo man selber Familie hat, weiß man es schon zu schätzen, wenn zu Hause alles ok ist.
Glauben Sie, dass Ihr Traum irgendwann mal ausgeträumt sein könnte?
Nein, es ist jedes Mal etwas Besonderes hier auflaufen zu können, jedes Wochenende in der Bundesliga zu spielen, die Atmosphäre in den Stadien. Ich versuche natürlich so lange wie möglich dabei zu sein.
Lars Stindl, Jahrgang 1988, kam mit 12 Jahren in die Nachwuchsabteilung des Karlsruher SC. 2007 wurde er Stammspieler in der U23. Sein Bundesligadebüt in der 1. Mannschaft des KSC gab er im März 2008. 2010 wechselte er nach Hannover. Seit 2015 spielt er für Borussia Mönchengladbach, wo er ein Jahr später die Kapitänsbinde übernahm. Stindl spielte in der U20 und U21 für Deutschland, absolvierte sein Debüt in der A-Mannschaft aber erst am 6. Juni 2017 beim Freundschaftsspiel gegen Dänemark. Im gleichen Sommer feierte er mit der DFB-Elf in Russland den Confed-Cup-Sieg.
Das Interview führte DW-Reporter Matthias Frickel.