Stirbt Japans Walfangindustrie?
30. Juli 2022Japans Walfangindustrie versucht zu retten, was zu retten ist: Sie will die Fangflotte durch ein neues riesiges Verarbeitungsschiff erweitern und gleichzeitig Kosten senken. Außerdem wirbt sie für den Verzehr von Walfleisch.
Umweltschützer halten die Anstrengungen für vergeblich. Die Maßnahmen zögerten lediglich den unvermeidlichen Sterbeprozess der Branche hinaus.
"Der Wal war für Millionen von Japanerinnen und Japanern lange ein traditionelles Nahrungsmittel," erklärt Mariko Abe von der Umweltorganisation "Nature Conservation Society of Japan" im DW-Gespräch. "Doch diese Zeit ist vorbei."
Nach Angaben der Umweltschützerin haben viele junge Leute in Japan noch nie Wal gegessen und seien auch nicht daran interessiert, es auszuprobieren. "Es ergibt wirtschaftlich absolut keinen Sinn, das neue Walfangschiff zu bauen und noch mehr Wale zu fangen, weil niemand die Tiere kaufen will", meint sie.
Streit mit der Walfangkommission
Japans Walfangflotte wird von der Firma Kyodo Senpaku Co. betrieben, der einzigen Offshore-Walfanggesellschaft in Japan. Die Firma beschäftigt 170 Mitarbeiter und betreibt vier Schiffe, darunter drei Jagdschiffe und die einzige schwimmende Walfangfabrik der Welt, die Nisshin Maru. Die jährliche Fangquote liegt bei 52 Zwergwalen, 150 Brydewalen und 25 Seiwalen.
Japans Walfangindustrie blickt auf jahrzehntelange Auseinandersetzungen mit Umwelt- und Tierschützern zurück. 2019 zog sich das Land aus der Internationalen Walfangkommission (IWC) zurück.
Der Grund: Die Kommission hatte Forderungen der Industrie nach einer Rückkehr zum kommerziellen Walfang zurückgewiesen. Die 1946 gegründete Kommission ist das ausführende Organ der Internationalen Konvention zur Regulierung des Walfangs, eines der ältesten globalen Umweltabkommen.
Walfang für die Wissenschaft
Umweltschützer warfen der japanischen Regierung vor, den von der Kommission erlaubten "Walfang für wissenschaftliche Zwecke" für kommerzielle Ziele auszunutzen. Denn Auftraggeber für die Forschungsarbeiten des "Institute of Cetacean Research" (ICR) war die Firma Kyodo Senpaku.
Auf diese Weise harpunierte Japan jedes Jahr Hunderte von Walen im Pazifik unter dem Vorwand, ihre Wanderrouten zu untersuchen und Daten über die Anzahl der Wale, ihren Gesundheitszustand und ihr Brutverhalten zu erhalten.
Nach Angaben der US-amerikanischen Tierschutzorganisation "Whale and Dolphin Conservation" (WDC) dürfen die zu Forschungszwecken gefangenen Wale "verarbeitet" und ihre weitere Verwendung von der Regierung festgelegt werden. Im Falle Japans wurde das Walfleisch zum Verkauf freigegeben.
Subventionen sinken
Seit Jahrzehnten gewährt die japanische Regierung der Industrie jährliche Subventionen für den "wissenschaftlichen Walfang". 2019 summierte sich die finanzielle Unterstützung der Fischereibehörde auf rund 5,1 Milliarden Yen (rund 37 Millionen Euro).
In den ersten beiden Jahren nach dem Austritt Japans aus der IWC wurden die Subventionen für den Walfang auf 1,3 Milliarden Yen (umgerechnet 9,5 Millionen Euro) gekürzt. Im Gegenzug durften japanische Walfänger nach einer offiziellen Genehmigung den kommerziellen Fischfang in den Gewässern vor der japanischen Küste wieder aufnehmen.
Mittlerweile gewährt die Regierung in Tokio statt einer Subvention ein Darlehen in Höhe von 340 Millionen Yen (2,5 Millionen Euro). "Das Darlehen muss zurückgezahlt werden, wenn die Firma schwarze Zahlen schreibt," erklärte Konomu Kubo, ein Sprecher des Unternehmens Kyodo Senpaku, gegenüber DW. Würde staatliche Unterstützung vollständig abgeschafft, so Kubo, wären die finanziellen Bedingungen für Japans Walfangindustrie nicht mehr tragbar.
Sinkende Preise, steigende Kosten
Der kostendeckende Preis für ein Kilogramm Walfleisch liegt zurzeit bei 1.200 Yen (8,80 Euro). Nach Angaben der Fischereibehörde wurden jedoch die 2.000 Tonnen Walfleisch, die im Jahr 2020 auf den Markt gebracht wurden, nur zu einem Durchschnittspreis von nur 1.100 Yen (8,08 Euro) verkauft.
Die geringen Gewinne aus dem Verkauf von Walfleisch reichten nicht aus, um die Kosten für 'wissenschaftlichen' Walfang zu decken, heißt es in einem Bericht der Tierschutzorganisation WDC.
Japans Walfanggesellschaft Kyodo Senpaku hält jedoch an den Plänen für den Bau eines neuen Verarbeitungsschiffs fest. Die Arbeiten sollen im nächsten Jahr beginnen und bis März 2024 abgeschlossen sein.
Die Kosten in Höhe von sechs Milliarden Yen (44 Millionen Euro) sollen durch höhere Fangquoten und mehr Konsum gegenfinanziert werden. "Ich denke, dass Walfleisch geschmacklich und je nach Zubereitungsart ein hochwertiges Nahrungsmittel ist, das Rindfleisch und Thunfisch in nichts nachsteht", sagt Firmensprecher Kubo. "Wir glauben, dass Marketing und Werbung den Wert und den Absatz von Walfleisch steigern."
Eine "sterbende Industrie"
Tierschützer Patrick Ramage von der US-amerikanischen Tierschutzorganisation "International Fund for Animal Welfare" (Ifaw) kann diese Pläne nicht nachvollziehen. "Was wir erleben, ist eine sterbende Industrie, die an ihrem eigenen Gewicht zugrunde geht", sagt er.
Und fügt hinzu: "Drei Jahre nach Japans Rückzug aus der Walfangkommission sehen selbst die eifrigsten Befürworter des kommerziellen Walfangs die Branche als einen Fall für Wohltätigkeitsorganisationen", so Ramage, denn sie sei vollständig auf die Unterstützung der Steuerzahler angewiesen.
Der Tierschützer setzt auf Walbeobachtung statt auf Walfang: "Küstengemeinden von Hokkaido bis Okinawa setzen auf Wal- und Delfinbeobachtung, eine profitable ökotouristische Aktivität in Japan und weltweit", erklärt er. Denn: "Die Rettung der Wale kostet weniger und bringt mehr als die Rettung des Walfangs."
Der Text wurde aus dem Englischen von Astrid Prange adaptiert.