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Streik statt Demo

Philipp Barth, zzt. Rio de Janeiro22. April 2014

Gut sieben Wochen vor der Fußball-WM gibt es zwar keine Massenproteste in Brasilien, dafür machen Gewerkschaften mobil. Einen Polizeistreik wie in Salvador kann sich die brasilianische Regierung nicht mehr leisten.

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Streikende Polizisten vor Polizeigebäude in Rio de Janeiro (Foto: picture alliance/Demotix)
Bild: picture alliance/Demotix

Die Reaktion Brasilias ließ nicht lange auf sich warten: Schon am zweiten Tag schickte die Regierung 2500 Soldaten und 250 Elitepolizisten in den Bundesstaat Bahia, die dort die Kontrolle übernahmen.

Was war passiert? Die Sicherheitspolizei in Salvador da Bahía hatte für zwei Tage gestreikt. 50 Morde sowie zahlreiche Überfälle und Plünderungen im Großraum Salvador waren das Resultat eines zynischen Machtkampfes um höhere Gehälter mit der Regionalregierung um Gouverneur Jaques Wagner, einem Mitglied der regierenden Arbeiterpartei (PT) von Präsidentin Dilma Roussef. Erst das Eingehen auf die Forderungen und ein Gerichtsbeschluss beendeten den Streik.

Der Polizeistreik in Salvador de Bahía zeigt, wie verwundbar die brasilianische Regierung vor der Fußball-Weltmeisterschaft ist, die am 12. Juni in dem südamerikanischen Land beginnt. Die schnelle Entsendung der Regierungstruppen kann als Unterstützung für den Parteikollegen gesehen werden, sie ist aber vor allem ein Signal. Denn vor zwei Jahren waren während eines zwölftägigen Polizeistreiks in Salvador da Bahía 157 Menschen ermordet worden. Polizeistreiks zu Großveranstaltungen, auch landesweit, haben Tradition in Brasilien.

Brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff (Foto: DW/L. Frey)
Staatschefin Dilma Rousseff will im Oktober wiedergewählt werdenBild: DW/L. Frey

Regierung in der Defensive

Der Anstieg der Todesopfer durch Gewalttaten - in Salvador liegt der Tagesdurchschnitt bei bis zu fünf Morden - hält die Sicherheitspolizei nicht von Arbeitsniederlegungen ab. Die Toten während des Streiks der vergangenen Woche kommentierte der Sprecher der Regionalregierung mit den Worten, die Zahl sei "ein gutes Stück höher als normal, aber nicht absurd hoch". Die brasilianische Gesellschaft ist solche Nachrichten gewöhnt. Ein Aufschrei blieb aus.

Doch für das internationale Image des Landes sind die Bilder aus dem WM-Spielort Salvador verheerend. Einen weiteren Polizeistreik kann sich Präsidentin Dilma Rousseff auch vor dem Hintergrund der Präsidentenwahl im Oktober nicht leisten. Schon jetzt, vor der WM, ist die mediale Aufmerksamkeit riesig und die Regierung in der Defensive.

Das nutzen auch andere Arbeitnehmer und soziale Gruppen aus. Seit dem 4. April streikt die Metro in Brasilia, vor knapp zwei Wochen forderten mehr als 9000 Arbeiter auf den Straßen São Paulos bessere Arbeitsbedingungen. Die Bundespolizei demonstriert seit Anfang des Jahres immer wieder. Man sei bereit, als letztes Mittel während der WM den Dienst an den Flughäfen einzustellen, wenn die Forderungen nicht erfüllt würden, sagt André Vaz de Mello von der Gewerkschaft der Bundespolizei.

Ausschreitungen bei Potesten in Salvador de Bahía/Brasilien
Proteste, Ausschreitungen: Im vergangenen Sommer ging es auf den Straßen Brasiliens hoch herBild: picture-alliance/AP

Streiks ersetzen Massenkundgebungen

Auch weitere Branchen wie Gastronomie, Tourismus und Transport haben in der nächsten Zeit Gehaltsverhandlungen vor sich. Ein Streik sei aber das "letzte Mittel", sagt Mauro Ramos von der Gewerkschaftsunion UGT der Nachrichtenseite der BBC. Er vertritt landesweit 623 Gewerkschaften und mehr als fünf Millionen Arbeiter.

Einzelinteressen und konkrete Forderungen statt allgemeiner Kritik: Massendemonstrationen mit hunderttausenden Menschen, die gegen die politischen und sozialen Verhältnisse im Land protestieren, kann sich inzwischen niemand mehr vorstellen. Nur noch wenige hundert Teilnehmer finden sich zu den regelmäßigen Demonstrationen für ein besseres Gesundheitssystem und gegen Korruption ein. Viele schreckt die Gewalt zwischen Vermummten und Sicherheitspolizei ab.