Streit über Anti-ETA-Strategie
4. Juni 2005"Verhandlungen in meinem Namen, nein!" - Unter diesem Motto hat die Opfervereinigung AVT (Asociación de victimas del terrorismo) für Samstag (4. Juni 2005) in Madrid zu einer Demonstration aufgerufen. Nicht gegen ETA-Attentäter soll dabei protestiert werden, sondern vielmehr gegen den sozialistischen Ministerpräsidenten José Luis Rodriguez Zapatero. Seine vermeintlich neue Strategie im Umgang mit der baskischen Terrororganisation ist der Opfervereinigung, die der konservativen Volkspartei PP nahesteht, ein Dorn im Auge. "Wir wollen zeigen, dass wir absolut nicht damit einverstanden sind, dass es wie auch immer gerartete Verhandlungen mit der Mörderbande ETA gibt", erklärt eine AVT-Sprecherin.
Zwei Jahre ohne Tote
Das Thema ETA bewegt die spanische Innenpolitik seit Wochen. Und das, obwohl die Spanier derzeit auf den längsten Zeitraum ohne Todesopfer seit Beginn des ETA-Terrors vor gut vierzig Jahren zurückblicken: Seit zwei Jahren ist niemand mehr getötet worden. Von einer Waffenruhe kann jedoch trotzdem nicht gesprochen werden. Denn im gleichen Zeitraum hat die ETA 65 meist kleinere Sprengsätze gezündet - den letzten davon Ende Mai in Madrid. Die Polizei hat zahlreiche ETA-Aktivisten festgenommen und Tausende Kilo Sprengstoff beschlagnahmt. Ist die ETA also lediglich geschwächt? Oder will sie tatsächlich nicht mehr morden? In Spanien vermag das derzeit niemand zu beantworten.
Anti-Terror-Pakt ist zerbrochen
Dafür entzweit die ETA-Strategie der Regierung Zapatero die politischen Lager. Anlass ist ein Beschluss, den Beobachter als eher harmlos beurteilen: Mitte Mai billigte das spanische Parlament eine von der Sozialistischen Arbeiterpartei PSOE eingebrachte Resolution. Sie sieht einen "Dialog" zwischen Regierung und ETA vor, sofern die Terroristen bedingungslos der Gewalt abschwören. Die Volkspartei PP - die größte Oppositionspartei - stimmte gegen die Resolution. Der Anti-Terror-Pakt, den beide großen Parteien im Jahr 2000 geschlossen hatten, wurde damit hinfällig.
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Nach Ansicht von Andreas Baumer, Spanienexperte an der Universität Rostock, kann man angesichts der von Zapatero signalisierten Dialogbereitschaft zwar von "einer neuen Tonlage", nicht jedoch von einer neuen Strategie sprechen. Denn inhaltlich geht der Parlamentsbeschluss kaum über den so genannten "Pakt von Ajuria Enea" hinaus, den im Jahr 1988 alle Parteien unterzeichneten und der explizit die Möglichkeit des Dialogs nennt. Die Empörung der Volkspartei, die Zapatero "Verrat an den Toten" vorwirft, ist laut Baumer Teil der Strategie der Partei: "Seit die Partei vor gut einem Jahr abgewählt wurde, ist sie permanent in Frontalopposition."
Hoffnungsvolle Signale?
Einen Königsweg im Umgang mit der ETA, die in den vergangenen 40 Jahren mehr als 850 Menschen umgebracht hat, kann es wohl nicht geben - bisher scheiterte noch jeder Annäherungsversuch. Doch Zapatero gibt sich offener und gesprächsbereiter als sein Vorgänger Aznar: Für diese Legislaturperiode ist etwa eine Neuverhandlung der Autonomiestatuten für Katalonien und das Baskenland geplant. Zudem gibt es Signale, dass auch Kräfte innerhalb der ETA den bewaffneten Kampf mittlerweile für kontraproduktiv halten. Ein ehemaliger ETA-Führer hatte Ende 2004 in einem offenen Brief erstmalig den Sinn von Attentaten angezweifelt. Auch der Sprecher der verbotenen baskischen Partei Batasuna, die als politischer Arm der ETA gilt, forderte inzwischen eine politische Lösung des Konflikts.
Diesen ETA-internen Konflikt müsse die spanische Regierung mit Angeboten von außen gezielt fördern und nutzen, sagt Andreas Baumer, etwa durch die Abhaltung eines Referendums. Sowohl Batasuna als auch ehemalige ETA-Mitglieder, die teilweise sehr jung seien, wollten die Rückkehr in die Legalität.