Griechenland Anti-Rassismus-Gesetz
3. Juni 2013Allein in den letzten zwölf Monaten sind in Griechenland drei Menschen durch rassistische Angriffe gestorben, mehr als 150 wurden verletzt. Anfang Mai haben "Unbekannte" einen 14-jährigen Afghanen auf offener Straße in Athen mit einer zerbrochenen Flasche angegriffen und ihm schwere Verletzungen zugefügt. Nur wenige Tage zuvor hatten Vorarbeiter auf einer griechischen Erdbeerplantage mit einem Jagdgewehr auf Saisonarbeiter aus Bangladesch geschossen, als diese ihre ausstehenden Löhne einforderten. Unterdessen verstärkt die im Parlament mit 18 Abgeordneten vertretene Neonazi-Partei "Goldene Morgenröte" ihre Präsenz. So marschierten am Mittwochabend (29.5.) die Rechtsradikalen erstmals mit Fackeln durch die Athener Innenstadt.
Wenn es nach Justizminister Antonis Roupakiotis ginge, hätte das griechische Parlament schon längst über seine Vorlage für ein schärferes Anti-Rassismus-Gesetz abgestimmt und härtere Strafen für Verbalrassisten, Nazi-Sympathisanten und Holocaustleugner beschlossen. Doch nur wenige Tage nachdem der Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht worden war, wurde der Linkspolitiker vom konservativen Regierungschef Antonis Samaras prompt zurückgepfiffen.
"Bestehende Gesetze reichen aus"
Erst hieß es, der Gesetzesentwurf müsse überarbeitet werden, dann wollte Samaras das Thema ganz zu den Akten legen. Sofia Voultepsi, Fraktionssprecherin der konservativen Partei Nea Dimokratia, ist der Auffassung, eine Gesetzesänderung sei derzeit gar nicht nötig.
"Unsere Verfassung und die geltenden Strafgesetze sind mehr als ausreichend, um Rassismus und Ausländerfeindlichkeit wirksam entgegentreten zu können, es fehlt uns nicht an Gesetzen", behauptet die konservative Politikerin. Außerdem sei ja nicht der Rassismus das größte Problem Griechenlands, sondern die bereits sieben Jahre andauernde Wirtschaftsmisere. Darum müsse sich die Regierung kümmern, mahnt Voultepsi.
Auf die Bemerkung hin, dass rassistische Übergriffe im Land durchaus ein Problem seien, reagiert die griechische Politikerin eher abweisend. "Was wollen Sie denn sagen? Etwa, dass die Täter nicht belangt werden?", empört sich Voultepsi. Schließlich gebe es doch ausreichende Gesetze im Land und diese kämen auch zur Anwendung. Gegenteiliges würde nur behauptet, damit Griechenland im Ausland diskreditiert werde.
Druck aus dem Ausland kann helfen
Nach griechischen Medienberichten befürchtet Samaras Maximalforderungen in der eigenen Partei, sollte ein schärferes Anti-Rassismus-Gesetz im Parlament durchkommen. Wenn etwa die Leugnung eines Völkermordes ausdrücklich unter Strafe gestellt würde, dann hätten konservative Abgeordneten wohl auch gern die Frage geklärt, ob jemand, der einen Völkermord an den Armeniern leugnet, ins Gefängnis gehöre - eine Debatte, die für außenpolitische Spannungen sorgen dürfte.
Nun eskaliert der Regierungsstreit in Athen: Die beiden kleineren Koalitionspartner - die sozialistische Partei PASOK und die Demokratische Linke, der auch Justizminister Roupakiotis angehört - machen sich gemeinsam stark für ein schärferes Anti-Rassismus-Gesetz. Und sie fordern Hilfe von außen: nur unter wachsendem Druck aus dem Ausland würde sich Samaras zu Zugeständnissen bereit erklären, erläutert Maria Giannakaki, Abgeordnete der Demokratischen Linke. Das bestehende Gesetz "ist nun mal überholt. Und deshalb brauchen wir heute ein neues, umfassendes Gesetzeswerk", betont Giannakaki.
Wirrwarr im Parlament
Nun üben die Sozialisten und die gemäßigten Linken den Schulterschluss und wollen eine gemeinsame Gesetzesvorlage ins Parlament einbringen. Zudem suchen die kleineren Koalitionspartner die Nähe zur radikalen Linksopposition, die aber ihren eigenen Gesetzesentwurf ankündigt. Somit wäre das Durcheinander komplett: Die Volksvertreter dürften zwischen drei verschiedenen Vorlagen wählen, die alle keine Aussicht auf Mehrheit hätten. Mit einem bitteren Unterton bemerkte ein Kommentator: wenn die Rechtsradikalen auch nur einen Hauch von Humor besäßen, dann hätten sie bestimmt auch ein eigenes Anti-Rassismus-Gesetz vorgeschlagen.
In einem sind sich die Konservativen und die Linksparteien jedenfalls einig: Gesetzesänderungen allein können Rassismus nicht bekämpfen. Da sei die ganze Gesellschaft Griechenlands gefordert, mahnt die Abgeordnete Maria Giannakaki.
"Eine Debatte über Ausländerfeindlichkeit steht bei uns noch aus und müsste dringend geführt werden", mahnt die Politikerin aus Piräus. Im zweiten Weltkrieg hätte Griechenland wie kaum ein anderes Land unter dem Nazi-Terror gelitten. Da sei es doch geradezu absurd, dass Hitler-Bewunderer heute im griechischen Parlament säßen, empört sich Maria Giannakaki.