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Streit um Brasiliens Fußball-Tempel

Clarissa Neher/Greta Hamann/Jan D. Walter12. April 2013

Umbaumaßnahmen im Zuge der WM 2014 und ein neuer privater Investor verändern das Gesicht des traditionsreichen Maracanã-Stadions. Brasilianer befürchten das Ende ihres Nationalstolzes.

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Das Maracana-Stadion in Brasilien (Foto picture alliance / dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Es gibt keinen Brasilianer, der das Stadion im Herzen Rio de Janeiros nicht kennt. Und fast jeder Einwohner im Land des fünffachen Fußballweltmeisters erinnert sich an das legendäre Endspiel im WM-Finale 1950: Damals unterlag Brasilien Uruguay vollkommen unerwartet mit 2:1. Und das vor den Augen einer bis heute ungebrochenen Rekord-Kulisse: Damals sollen dem Spiel mehr als 200.000 Menschen beigewohnt haben.

Jahrzehntelang galt das Maracanã als das größte Stadion der Welt. Für viele Brasilianer ist es ein mythischer und geschichtsträchtiger Ort: Hier schoss der berühmte Fußballspieler Pelé sein 1000. Tor, hier sprach Papst-Johannes Paul II. vor Hunderttausenden Gläubigen und hier traten zahlreiche internationale Musikbands vor unzähligen Fans auf.

Stadion geht in private Hand über

Doch nun sehen viele Cariocas, wie die Einwohner Rios sich nennen, ihr geliebtes Stadion in Gefahr. Seit Donnerstag (11.04.2013) steht fest, dass der Betrieb des brasilianischen Fußball-Mythos in private Hand übergeht. Zwei Kandidaten stehen zur Auswahl: Ein amerikanisch-brasilianisches Konsortium unter der Leitung des brasilianischen Milliardärs Eike Batista, und ein Konsortium aus einem brasilianischen, einem holländischen und einem französischen Unternehmen. Beide haben am Donnerstag ihr Gebot abgegeben. Wann die endgültige Entscheidung fällt, steht noch nicht fest.

Dass nach zahlreichen öffentlichen Investitionen die Nutzungsrechte an ein privates Konsortium übertragen werden, hat in Rio de Janeiro heftige Proteste ausgelöst. Kritiker der geplanten öffentlich-privaten Partnerschaft argumentieren, dass brasilianische Steuerzahler dem privaten Investor zu außerordentlichen Gewinnen verhelfen. Denn die Pacht, die der Gewinner der Ausschreibung in den nächsten 35 Jahren an den Bundesstaat Rio de Janeiro zahlen muss, beschränkt sich auf 160 Millionen Euro. Bereits Anfang des Jahres sorgten Proteste von brasilianischen Indigenen gegen den Umbau und die Privatisierung des Stadions für Schlagzeilen.

Zahlreiche Umbaumaßnahmen

Damit nicht genug: Das Maracanã wird nun zum dritten Mal innerhalb von 14 Jahren modernisiert: 1999 wurden VIP-Logen gebaut und der blanke Beton der Oberränge mit Plastiksitzen ausgestattet. 2005 senkte man das Spielfeld ab, um den Unterrang näher ans Spielfeld heran zu bringen. Jetzt wird das Stadion an das FIFA-Reglement angepasst. Nach der dritten Verschiebung soll das Stadion Ende April fertig gestellt und eröffnet werden.

Baustelle des Maracana-Stadions (Foto: picture-alliance/dpa)
Rund 580 Millionen Euro haben die Umbaumaßnahmen am Maracanã bisher gekostetBild: picture-alliance/dpa

"Das Stadion war in gutem Zustand. Die FIFA hat diesen gigantischen Umbau gefordert", erklärt Agostinho Guerreiro, Präsident der Ingenieurskammer von Rio de Janeiro. Er befürchtet, dass der brasilianische Fußballtempel seinen Charakter verlieren wird: "Es wird ein tolles Stadion sein, aber im europäischen Stil. Seinen ursprünglichen Charme wird es verlieren."

Weniger Sitzplätze - hohe Kosten

Denn auch die traditionelle "Geral", der Platz für alle Einwohner, die sich die teueren Eintrittskarten nicht leisten konnten, wird dem Umbau zum Opfer fallen. Dieser Bereich lag unterhalb des Spielfeldniveaus, so dass man das Spiel quasi von der Grasnabe aus verfolgten konnte. Auch Obdachlose konnten so für eine kleine Spende das Spiel im Stadion sehen. "Auch wenn das eine Klassenteilung war - es garantierte, dass alle sozialen Schichten Zugang zu den Spielen hatten", erklärt Gustavo Mehl vom Institut für Stadtplanung der Bundesuniversität Rio de Janeiro. Immerhin gebe es Überlegungen, nach der WM wieder "billige Plätze" einzurichten. Mittlerweile finden nur noch 79.000 Menschen Platz auf den Rängen. Früher waren es bis zu 200.000 Zuschauer - wenn auch nicht auf Stühlen.

Menschen protestieren (Foto: Reuters)
Viel Streit um das geliebte Stadion: Bereits Anfang des Jahres gab es Proteste gegen Umbau und PrivatisierungBild: Reuters

Während die Plätze für Stadionbesucher schrumpfen, explodieren die Kosten. Schon jetzt hat sich die ursprünglich veranschlagte Summe für den Umbau von umgerechnet 230 Millionen Euro auf mehr als 360 Millionen Euro erhöht. Für alle drei Umbauten des Maracanã wurden bereits rund 580 Millionen Euro an öffentlichen Geldern investiert.