Streit bei UN-Klimaverhandlungen
3. Mai 2017Regierungsvertreter bereiten sich auf die UN-Klimakonferenz in Bonn am 8. Mai vor. Auch hunderte Lobbygruppen machen sich auf den Weg. Mit dabei sind Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen sowie Vertreter aus der Wirtschaft.
Doch nach einem Bericht der US-Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) Corporate Accountability International (CAI) ist eine Lobbygruppe besonders mächtig: Interessenverbände der fossilen Industrie.
Mehr als 250 sogenannte Business-Industry-NGOs, von denen viele von den weltweit größten Umweltverschmutzern und Klimawandel-Leugner finanziert werden, nehmen Einfluss auf die UN-Klimaverhandlungen und "untergraben, schwächen und blockieren Fortschritt", beklagt CAI.
"Mit so vielen Brandstiftern in der Feuerwehr, ist es kein Wunder, dass wir es nicht geschafft haben, das Feuer zu löschen", sagt Tamar Lawrence-Samuel, Autor der Studie und Direktor für Internationale Politik bei CAI, in dem Bericht.
Kollidierende Interessen
Die Interessen von einigen der größten und einflussreichsten Lobbyisten stehen oft im starken Gegensatz zu den Zielen der UN-Klimaverhandlungen.
Industrievertreter wie etwa vom Nationalen Bergbauverband der USA, National Mining Association, der sich offensiv für mehr Kohleverbrauch einsetzt, sitzen in den gleichen Räumen wie Delegierte, die über Richtlinien beraten, um den Klimawandel aufzuhalten.
Der Bergbauverband nimmt somit aktiv an Klimaverhandlungen im Ausland teil, geht aber zu Hause juristisch gegen entscheidende klimapolitische Maßnahmen vor. Letztes Jahr hat er eine Klage gegen den Clean Power Plan eingereicht. Präsident Obama hatte den Plan im Jahr 2015 ins Leben gerufen, um Treibhausgasemissionen von Kohlekraftwerken zu senken. Er gilt als Blaupause, mit der die USA ihre Verpflichtungen unter dem Pariser Klimaabkommen einhalten möchten.
Einige Regierungen haben die widersprüchliche Rolle dieser Klimaverschmutzer-Lobbyisten kritisiert. Eine Gruppe von Entwicklungsländern fordert etwa, dass die Vertreter der Öl- und Kohleindustrie von den Klimaverhandlungen ausgeschlossen werden.
Ihre Forderungen werden sie in Bonn vom 8. bis 18. Mai, 2017 zum ersten Mal offiziell vortragen. Dort findet eine Vorbereitungskonferenz für die bevorstehende nächste große Runde der Klimaverhandlungen statt. Regierungsvertreter aller beteiligten Staaten werden dann entscheiden, wie sie bei der großen Klimakonferenz in Bonn vom 6. bis 17. November mit Lobbyisten umgehen werden. Der Vorschlag der "Like Minded Group of Developing Countries", ein Zusammenschluss von 24 Entwicklungsländern, sieht eine "Interessenskonflikt-Richtlinie" vor.
Die Weltgesundheitsorganisation hat ebenfalls eine solche Richtlinie, die die Lobbyarbeit von Tabakfirmen verbietet. Sollte der Vorschlag erfolgreich sein, würde es den Zugang von großen Öl- und Kohleverbänden zu den UN-Klimaverhandlungen beschränken.
Regierungen und nichtstaatliche Akteure, wie NGOs und Think Thanks, haben insgesamt 40 verschiedene Vorschläge eingereicht, wie grundsätzlich mit Lobbygruppen umgegangen werden soll. Einige Anträge würden die Zusammenarbeit mit Unternehmen und der Industrie allerdings auch stärken.
Teil des Problems – Teil der Lösung
Laut der UNFCCC sind die Verhandlungen offen für alle Interessenvertreter. Der Klimazweig der Vereinten Nationen hat die Kritik, die im CAI-Bericht formuliert wird, zurückgewiesen.
"Es ist keine große Überraschung, dass Vertreter aller möglicher Unternehmen und Industrien bei den UN-Klimakonferenzen teilnehmen", sagte Nick Nuttall, UNFCCC-Sprecher, gegenüber der DW. "Wir als UN haben eine neutrale Position. Wir treffen keine Entscheidungen, die Regierungen sind es, die entscheiden."
Die UNFCCC befürwortet die Zusammenarbeit mit der Öl- und Kohleindustrie in den Verhandlungen ausdrücklich. Christiana Figueres, ehemalige UN-Klimachefin, reagierte schon auf frühere Kritik mit dem Aufruf, "endlich aufzuhören, Öl- und Gasunternehmen zu dämonisieren" weil "wir stärker sind, wenn wir sie mitnehmen."
Mehr Transparenz?
Andere Lobbyisten, einschließlich einiger Umweltorganisationen, sind ebenfalls der Meinung, dass die fossile Treibstoff-Industrie ihre Lobbyarbeit ruhig weiterhin betreiben sollen darf.
"Wenn man sie rausschmeißt, müsste man alle anderen Akteure ebenfalls rauswerfen, auch Menschenrechtsorganisationen, sonst wäre es nicht fair", sagte Wolfgang Gründinger, Klimaschutzforscher und Lobbyist, gegenüber der DW. "Es ist notwendig, die Industrie mit einzubeziehen, die dann später die Politik umsetzen soll, um sicherzugehen, dass die Verhandlungen solide und stark sind."
Es gehe also weniger darum, ob sie weiter mitmachen dürfen, sonder eher wie: "Es ist eine Frage der Transparenz. Alle Akteure sollten zu allen Treffen eingeladen werden und gleich viel Gehör finden."