Bonner Klimagespräche
13. Mai 2016Delegierte aus allen Regionen der Welt sind in Bonn eingetroffen. Bei diesem Arbeitstreffen herrscht weit weniger Rummel als bei der Konferenz in Paris im Dezember letzten Jahres. Dort war ein Weltklimavertrag beschlossen worden. Das von den Unterzeichnern als historisch bedeutsam und bahnbrechend bewertete Dokument kann den Erwartungen aber nur gerecht werden, wenn die Länder der Welt es auch zeitnah umsetzen.
Versprechen erfüllen
Die französische Umweltministerin Segolene Royal, Präsidentin der Pariser Konferenz und ihr Nachfolger für die nächste Weltklimakonferenz in Marrakesch im November 2016, der marokannische Außenminister Salaheddine Mezouar, teilten den Teilnehmern des Bonner Treffens in einem Schreiben mit, es sei Zeit für einen Wechsel.
Statt Verhandlungen müsste es bei der nächsten Runde um die Umsetzung des Abkommens und die Zusammenarbeit der Unterzeichner-Staaten gehen. Die Herausforderung sei, die Klimaversprechen in konkrete Politik und Investitionspläne umzumünzen, um den Klimawandel aufzuhalten, die Anpassung der Länder daran zu ermöglichen und das Versprochene zu liefern.
An Belegen für die Notwendigkeit eines schnellen Handelns mangelt es nicht: Wissenschaftler machen den Klimawandel für eine zunehmende Zahl von Extremwetterereignissen verantwortlich. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre steigt und wird voraussichtlich in absehbarer Zeit die kritische 400 ppm-Marke (parts per million) dauerhaft übersteigen.
Die globale Durchschnittstemperatur ist bereits ein Grad wärmer als am Anfang der Industrialisierung. Wenn die in Paris vereinbarten Ziele von einem maximalen Anstieg von zwei, möglichst 1,5 Grad Celsius eingehalten werden sollen, wäre sehr schnelles Handeln vonnöten.
Das Zwei-Grad Ziel
Den Pariser Klimavertrag bezeichneten Vertreter der Unterzeichnerstaaten als Durchbruch. Alle Parteien hatten nach jahrelangen Verhandlung die Notwendigkeit anerkannt, den Ausstoß an Treibhausgasen zu verringern, um den Klimawandel zu bekämpfen. Die Länder legten dafür individuelle Ziele fest. Allerdings reichen nach Ansicht von Klimaforschern die versprochenen CO2-Reduzierungen nicht aus, um den Anstieg der Temperaturen auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. So liefe es eher auf drei Grad hinaus.
Viele Klima-Wissenschaftler sind also alarmiert. Der Chefwissenschaftler des Weltklimarats IPCC, Hoesung Lee, gab sich dennoch diese Woche im Gespräch mit der britischen Zeitung "The Guardian" zuversichtlich: Die Einhaltung des Zwei-Grad Ziels sei noch möglich.
Die Leiterin des UN-Klimasekretariats Christina Figueres, die nach Ablauf ihrer Amtsperiode im Laufe des Jahres von der Mexikanerin Patricia Espinosa abgelöst werden soll, hatte sich dafür ausgesprochen, dass der CO2-Ausstoß spätestens 2050 seinen Höchststand erreichen sollte, um dieses Ziel einzuhalten.
Lee sieht das Ziel aber auch dann als erreichbar, falls der Ausstoß an Treibhausgasen erst später zu sinken anfangen sollte. Dann wären die Kosten allerdings wesentlich höher, betont er in dem Interview. Umstrittene und kostspielige sogenannte "Geoengineering"-Maßnahmen hält er unter Umständen für notwendig, um CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen und zu speichern.
Hilfe für Entwicklungsländer
Ein neuer Bericht der UN-Umweltorganisation UNEP warnte in diesen Tagen, Entwicklungsländer bräuchten voraussichtlich wesentlich mehr Geld für die Anpassung an den Klimawandel als bisher angenommen. Die Kosten könnten bis 2050 auf 500 Milliarden Dollar pro Jahr ansteigen. Das wäre fünf mal höher als bisherige Schätzungen besagten, rechnet die Organisation vor.
Selbst wenn das Zwei-Grad-Ziel eingehalten werden kann, würden die Kosten stark ansteigen, schreibt die UNEP, und fordert Regierungen auf, mehr Geld für die Anpassung bereit zu stellen.
Mattias Söderberg, einer der Vorsitzenden der ACT-Allianz, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzt, sagte gegenüber der Deutschen Welle dieser Bericht zeige die Notwendigkeit, den Klimawandel rasch in den Griff zu bekommen.
“Der Klimawandel ist nicht etwas, was wir morgen angehen können. Die Krise ist schon da und wir müssen heute handeln,“ betonte er unter Verweis auf das Schicksal mehrerer kleinen Pazifikinseln, die bereits durch den Meeresspiegelanstieg vollkommen überflutet wurden.
Kein Erfolg ohne Ratifizierung
177 Länder haben das Pariser Abkommen schon unterzeichnet. Allerdings haben es erst 16 ratifiziert. Um in Kraft zu treten, müssten 55 Parteien ratifizieren, die 55 Prozent des weltweiten Treibhausgasaustoßes verantworten. Söderberg appellierte vor allem an die reichen Industrieländer: "Ich freue mich, dass viele arme, anfällige Länder schnell ratifizieren und hoffe, dass andere bald folgen werden. Die EU scheint zu zögern, das bereitet mir Sorgen," sagte der dänische Klimaexperte gegenüber der Deutschen Welle.
Nichtregierungsorganisationen hoffen, dass die Bonner Gespräche jetzt einen Impuls für konkrete Maßnahmen zum Schutz des Weltklimas geben. Die Hauptarbeit müsse aber in den einzelnen Ländern geleistet werden, sagte Greenpeace Klimapolitik-Chef Martin Kaiser der Deutschen Welle. Sie müssten ihre Fahrpläne ausarbeiten, um die in Paris vereinbarten Ziele zu erreichen.
Er forderte als Beispiel die deutsche Regierung auf, eine verbindliche Strategie für den Kohleausstieg bis 2030 vorzulegen. Sonst wäre die Unterschrift des für seine Energiewende bewunderten Gastgeberlands des Klimasekretariats unter dem Pariser Vertrag wertlos, so der Umweltschützer.
Die weltgrößten CO2-Emittenten China und die USA müssen sich ebenfalls sputen, um das Pariser Klimaziel einzuhalten. Die Delegierten, die bis zum 26. Mai in Bonn tagen, stehen vor der ernüchternden Herausforderung, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit die Regierungen der Welt ihre Maßnahmen rechtzeitig umsetzen. Es wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen, ob das viel gefeierte Pariser Abkommen tatsächlich ein Wendepunkt war, der die Welt vor den gefährlichsten Auswirkungen des Klimawandels schützen kann.